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Politik

AfD-Parteitag: Der Protest nutzt sich ab

Kay-Alexander Scholz
1. Juli 2018

In Europa haben die Populisten weiter Rückenwind. Der Bundesparteitag der AfD bietet gute Gelegenheit zu fragen: Wie sieht es damit in Deutschland aus? Kay-Alexander Scholz mit Eindrücken aus Augsburg.

AfD-Bundesparteitag Jörg Meuthen
Bild: picture-alliance/dpa/K-J. Hildenbrand

So richtig wollte der Funke bei den Reden der beiden Parteivorsitzenden der "Alternative für Deutschland" (AfD) am ersten Tag ihres Parteitags nicht überspringen. Obwohl sowohl Jörg Meuthen (Artikelbild links) als auch Alexander Gauland (Artikelbild rechts) verbal großen Anlauf nahmen. Gauland versuchte es mit einem Vergleich zwischen der Endphase der DDR und der aktuellen Situation: Die AfD sei heute die einzige Opposition, so wie es 1989 die Bürgerbewegung "Neues Forum" in der DDR gewesen sei. DDR-Vergleiche waren bei der AfD zuletzt häufiger zu hören.

Die 500 Delegierten fanden das nur mittelprächtig. Sie reagierten erst mit dem für Parteitagsreden typischen Gejohle, als Gauland in seine rhetorische Trickkiste griff und Bezug auf die Nazi-Diktatur nahm. Angela Merkel habe Deutschland international isoliert, so Gauland. Eine solche Feindkonstellation habe zuletzt aufgebracht: … Bedeutsames Schweigen. Der Saal klatschte.

Mit Provokation zum Applaus: Eine Anspielung von Alexander Gauland begeistert die AfD-DelegiertenBild: picture-alliance/dpa/K-J. Hildenbrand

Ob er mit seiner Kunstpause auf den Namen Adolf Hitler gezielt habe, wollte Gauland der Deutschen Welle (DW) nicht bestätigen. Seiner Taktik treu bleibend dementierte der AfD-Parteivorsitzende dies allerdings auch nicht. Gauland ist bekannt für bewusst gesetzte Provokationen, wie zuletzt seine "Vogelschiss"-Rede zeigte.

Provokationen, die immer lahmer wirken

Auch sein Co-Partei-Chef, Jörg Meuthen, machte einen DDR-Vergleich. Der "realexistierende Sozialismus" sei ein genauso "verlogenes Narrativ" wie der "Multikulturalismus" heute. Doch auch das bewegte die Gemüter weniger als Vergleichbares bei Parteitagen zuvor.

Das Schimpfen über die Kanzlerin, die 68er und die Gefahren von Multikulti nutzt sich langsam ab. Die Delegierten haben das schon zu häufig gehört, als dass sei das noch vom Hocker reißen könnte. Nicht nur die Parteispitze, auch die AfD insgesamt steht vor der Frage, womit sie beim Wähler punkten will, wenn ihre beiden Lieblingsthemen - Merkel und die Flüchtlinge - nicht mehr ziehen.

Beides droht. Denn Merkel steht in ihrer letzten Amtszeit und hat in der Flüchtlingspolitik mit anderen EU-Partnern längst eine Wende hin zur Abschottung eingeleitet. Und so wirkt es fast schon hilflos, wenn die AfD der Kanzlerin und der Unionsfraktion vorwirft, sie hätten vom AfD-Programm abgeschrieben. Selbiges gilt für das Beharren, nur die AfD sei die "wahre Heimatpartei", um sich vom neugeschaffenen Heimatministerium in CSU-Hand abzugrenzen.

Und ewig währt der Flügelstreit

Aber das Schimpfen gehört zur AfD nun einmal dazu. Und zwar auch über die Parteimitglieder des jeweils anderen Parteiflügels: Wirtschaftsliberale gegen Nationalkonservative. Das war schon immer so, doch der Tonfall wird schärfer. Dabei ist die Partei-Führung bemüht, ein geschlossenes Bild zu vermitteln. Der Einzug in den Bundestag und der Weggang von Ex-Parteichefin Frauke Petry habe vieles zum Positiven verändert, heißt es.

6000 Demonstranten in Augsburg zeigten ihren Protest gegen die AfD - es blieb hauptsächlich friedlichBild: Reuters/W. Rattay

Doch es gibt auch Mahner, die den Flügelkampf in der AfD nicht als machtpolitisches Reiben sondern als echte Bedrohung der Partei wahrnehmen. Denn rutscht die AfD weiter nach rechts, kommt sie in Gefilde, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Was kommt nach der Protestpartei?

Der Zufall hat es gewollt, dass der Parteitag in Augsburg stattfindet, nur eine Autostunde von München entfernt. In der bayerischen Hauptstadt will die CSU am Sonntag entscheiden, wie es im Asylstreit mit der CDU weitergeht. Doch die beiden Parteien scheinen sich derzeit nicht nur örtlich näherzukommen. Die AfD hat mittlerweile Probleme, die CSU in der Asylpolitik überhaupt noch rechts überholen zu können. In der Partei weiß man, die Protest-Themen der letzten Jahre werden auslaufen. Und dann? Das erste Übungsfeld für die Zeit danach soll die Rente sein - ausgerechnet. 

AfD-Delegierte bei einer Abstimmung: Wohin steuert die Partei?Bild: picture-alliance/dpa/K-J. Hildenbrand

Das Thema ist nicht ganz freiwillig gewählt. Delegierte aus den östlichen Bundesländern, wo die AfD besonders stark ist und wo im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden, machen seit längerem Druck: Welches soziale Programm hat die AfD? Das sei eine der häufigsten Fragen an die Partei dort. Vor einer Antwort könne man nicht mehr ausweichen. Schließlich habe die AfD-Bundestagsfraktion nun auch Zugang zum wissenschaftlichen Dienst des Bundestages und eigene Referenten. Da sollte es doch nicht so schwer sein, Mal einige Modelle durchzurechnen, sagte ein Delegierter aus Thüringen vor dem Saal.

Absage aus Wien

Dem Thema Rente kommen bei der AfD gleich zwei Bedeutungen zu. Zum einen kann es der Partei als Ausweg aus der Sackgasse von Populismus und reinem Protest dienen. Zum anderen zeigt sich an ihm auch, wer in der AfD die Oberhand gewinnen wird: die neo-liberal orientierten Bürgerlichen oder die Verfechter einer neuen "Kleine-Leute-Partei" vom rechten Rand der Partei, wie etwa Björn Höcke. Letzterer konnte sich in einem Punkt in Augsburg schon Mal durchsetzen: 2019 wird ein Programm-Parteitag allein zum Thema soziale Ausrichtung stattfinden.

Asylstreit, Rechtsruck und anderes mehr - das politische Umfeld in Deutschland und in Teilen Europa hat sich verändert. Das berührt auch die AfD: Wenn konservative Parteien weiter nach rechts rücken, wird ihr Spielfeld kleiner. Im Vorfeld des Parteitags hatte sich Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, dessen ÖVP in Wien gemeinsam mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, übrigens ausdrücklich verbeten, als Verbündeter der AfD bezeichnet zu werden.

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