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AfD-Parteitag in Essen: Abrechnung mit der Parteispitze?

28. Juni 2024

Die AfD holte bei der Europawahl mit 15,9 Prozent zwar die zweitmeisten Stimmen, blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Dafür werden auch die Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla verantwortlich gemacht.

Alice Weidel und Tino Chrupalla Arm in Arm auf einer Wahlparty in der AfD-Parteizentrale
Führen die AfD seit 2022 gemeinsam: Tino Chrupalla und Alice WeidelBild: Annegret Hilse/REUTERS

Bei den jüngsten Europawahlen war die AfD die große Gewinnerin: Die Partei konnte ihr Ergebnis stark ausbauen und stieg zur zweitstärksten politischen Kraft in Deutschland hinter der Union auf. Trotzdem gärt es in der Partei. Denn zahlreiche Affären und Skandale von Politikern der AfD sorgen seit Monaten für negative Schlagzeilen. Und viele Mitglieder der Alternative für Deutschland machen deswegen auch ihrer Parteivorführung Vorwürfe.

Vor allem die beiden Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werden immer wieder kritisiert - auch öffentlich. Auf dem AfD-Parteitag in Essen an diesem Wochenende treten sie wieder als Vorsitzende an. Aber es gibt Störfeuer gegen ihre Kandidatur. 

Skandale um AfD-Politiker Maximilian Krah

Vor allem die Skandale des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, sorgen intern für Unruhe. Krahs Name taucht im Zusammenhang mit einer Affäre um illegale russische Geldzahlungen an europäische Politiker auf. Außerdem wurde ein Mitarbeiter von ihm verhaftet. Der Vorwurf: Spionage für China. Und in einem Interview mit einer italienischen Zeitung relativierte er die Verbrechen der SS unter Adolf Hitler.

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Deswegen erteilte ihm die Parteispitze um Weidel und Chrupalla kurz vor den Europawahlen ein Auftrittsverbot. Nach den Wahlen wurde er dann von seinen eigenen Parteikollegen aus der gemeinsamen AfD-Delegation im EU-Parlament ausgeschlossen.

Weil Krah aber ein gut vernetzter Politiker ist, formiert sich parteiintern heftiger Widerstand gegen diese Entscheidungen. Zahlreiche AfD-Prominente werfen der Parteispitze Führungsschwäche vor und kritisieren, dass sie mit Krah einen erfolgreichen Wahlkämpfer abstrafen würden, der vor allem junge Menschen für die Partei gewonnen habe.

Ende der Doppelspitze?

Auf dem AfD-Bundesparteitag könnte sich der Unmut der Basis entladen. Vor allem Tino Chrupalla steht im Fokus der Kritiker. 

Ein Antrag nimmt direkt das Führungsduo ins Visier: Darin fordern zahlreiche einflussreiche AfD-Politiker ein Ende der Doppelspitze. Stattdessen solle es in Zukunft nur noch eine Spitze geben. Die soll dann von einem Generalsekretär unterstützt werden. Ein Modell, wie es auch in anderen Parteien üblich ist. Der Antrag ziele vor allem auf ein Ende von Tino Chrupalla an der Parteiführung ab, sagen zahlreiche Beobachter der AfD.

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Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz sieht aber noch kein Ende der Doppelspitze: "Die Partei ist noch nicht so weit, dass sie die Ein-Personen-Parteispitze installiert, unter der sich alle Mitglieder unterordnen", erklärt Höhne im Interview mit der DW. Denn der Parteiflügel um den Rechtsextremisten Björn Höcke würde die AfD zwar dominieren, "aber daneben gibt es auch noch national-konservative und national-liberale Mitglieder", analysiert Politikwissenschaftler Höhne. "Auch fehlt die eine Führungsfigur."

Weidel und Chrupalla kandidieren erneut

Kurz vor Beginn des Parteitags präsentiert sich Chrupalla gelassen und will mit Alice Weidel wieder für den Parteivorsitz kandidieren: "Mit Alice Weidel ist ein Vertrauensverhältnis entstanden, das ich in der Politik so noch nicht erlebt habe. Wir akzeptieren unsere Unterschiede und sind gerade deshalb als Duo erfolgreich", erklärte er kurz vor Beginn des Parteitags. Auch eine Diskussion über den Umgang mit dem AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah vor der Europawahl sieht er sportlich: "Ich glaube nicht, dass das so viel Aufregung geben wird."

Auch parteiintern umstritten: der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah (l.)Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Die Doppelspitze ist in der AfD nicht sonderlich beliebt und wird seit Jahren immer wieder in Frage gestellt. Auch vom Thüringer Bundestagsabgeordneten und Parteivorstandsmitglied Stephan Brandner. "Optimierungen sind immer anzustreben, auch solche der Parteistruktur", erklärt Brandner im Gespräch mit der DW, "nach meiner Auffassung gehört dazu unter anderem der perspektivische Übergang weg von einer Doppelspitze".  Gleichzeitig ist Brandner gegen eine kurzfristige Änderung: "Der derzeitige Bundesvorstand hat professionell und erfolgreich zusammengearbeitet, deshalb sollte sich nicht all zu viel ändern: Auch die Doppelspitze hat gut funktioniert."

Offene Konflikte in Essen möglich

Trotzdem ist Streit auf dem Parteitag nicht ausgeschlossen, sagt Politikwissenschaftler Benjamin Höhne: "Die Partei weist ein hohes Maß an innerparteilicher Demokratie auf. Dadurch sind offene Konfliktaustragungen eher möglich." Inhaltlich rechnet er weiterhin mit einem radikalen Rechtskurs: "Die AfD wird eine hohes Radikalitätsniveau aufrechterhalten, weil sie damit bisher bei Wahlen erfolgreich war. Mit ihren Signalen nach Rechtsaußen schafft sie es, dass rechte Lager, gerade in Ostdeutschland, beinahe komplett an sich zu binden."

Entsprechend gelassen nimmt die Partei einen erneuten Strafprozess gegen den AfD-Landesvorsitzenden in Thüringen, Björn Höcke, hin. Der ist zum wiederholten Male angeklagt, auf einer Wahlkampfveranstaltung eine Parole aus der Nazizeit verwendet zu haben.

Der AfD-Politiker Björn Höcke gilt als einer radikalsten und einflussreichsten Führungsfiguren in der ParteiBild: Fabrizio Bensch/Reuters/Pool/dpa/picture alliance

In einem vorherigen Verfahren wurde er zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt - das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Im Falle einer erneuten Verurteilung droht ihm eine Haftstrafe.

Gegen den Parteitag der AfD, die vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird, hat ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und Vereinen Widerstand angekündigt. Sie warnen vor der Partei als eine rassistische, antisemitische und antidemokratische Gefahr für Deutschland. 

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