1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

AfD-Politiker Björn Höcke: Zurück in die Zukunft

28. August 2024

Björn Höcke will am 1.9.2024 zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt werden. Aus seiner völkischen Gesinnung macht er keinen Hehl. Er bezieht sich immer wieder auf den Nationalsozialismus.

Portraitfoto im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke im Gerichtssaal im Landgericht Halle
Björn Höcke, AfD-Landesvorsitzender von ThüringenBild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

"Wir blicken mit großer Sorge auf die Landtagswahlen am 1. September." Die Postwurfsendung von Jens-Christian Wagner hat es in sich. Wagner ist der Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. In der Zeit des Nationalsozialismus (NS) unter Adolf Hitler ermordeten die Nazis in dem Lagerkomplex im Bundesland Thüringen 56.000 Menschen. Wagners Warnung vor den anstehenden Landtagswahlen gilt der AfD und ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke.

Björn Höcke will als erster Politiker der "Alternative für Deutschland", AfD, Ministerpräsident in einem Bundesland werden. Weil seine Partei in den Meinungsumfragen für Thüringen vorn liegt, hat Gedenkstättenleiter Wagner sich entschlossen, an 350.000 Haushalte einen Brief zu schreiben. Björn Höcke versuche, "die nationalsozialistische Sprache wieder salonfähig zu machen", warnt Wagner. Es ist ein massiver Vorwurf. Wagner bekommt Morddrohungen.

Björn Höcke streitet jegliche Nähe zum Nationalsozialismus ab. Seinen Kritikern ruft er gerne entgegen, dass heutzutage in Deutschland ja jeder als Nazi bezeichnet werde, der die regierenden Parteien kritisiere.

Bezüge zum Nationalsozialismus

Im Fall Höcke aber ist es vor allem einer, der Bezüge zum Nationalsozialismus herstellt: Björn Höcke selbst.

Der 52-Jährige Politiker ist studierter Geschichtslehrer. Er hat das Fach dreizehn Jahre lang unterrichtet, bevor er 2014 hauptberuflich in die Politik ging. In seiner Vita gibt es seit Jahren rechtsextreme Bezüge.

Schon im Jahr 2010 beteiligt sich der damalige Lehrer an einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Ein Redner dort ist an einem kalten Februartag der Neonazi Udo Voigt. Der nannte Hitler mal einen "großen deutschen Staatsmann" und wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er die verbrecherische Waffen-SS verherrlichte.

Björn Höcke marschiert auf der Demonstration nicht einfach nur mit: Als Gegendemonstranten die Veranstaltungen blockieren, ruft er wütend und mit erhobener Faust: "Wir wollen marschieren!"

April 2024: Protest gegen AfD-Politiker Björn Höcke in Halle, Sachsen-AnhaltBild: dpa

Rechtsextreme Kontakte

In seiner Lehrerzeit zieht Höcke in den kleinen Ort Bornhagen in Thüringen. Es ist ein ländliches Idyll. Als die Umzugswagen in dem ehemaligen Pfarrhaus ankommen, taucht ein prominenter Gast bei Höcke auf: Thorsten Heise. Er wohnt im Nachbarort und ist einer der führenden und aktivsten Neonazi-Kader in Deutschland.

Heise ist mehrfach vorbestraft: wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung und Volksverhetzung. Und er hatte Kontakte zur rechtsextremen Terrorbande NSU, die in Deutschland zehn Menschen ermordet hat. Das Motiv: Rassismus.

Zeugen für die Begegnungen der beiden haben unter eidesstattlicher Versicherung ausgesagt, wie freundschaftlich der Umgang sei. Höcke bestreitet die Bekanntschaft nicht.

Björn Höcke: Der AfD-Bundesvorstand forderte 2017 seinen Parteiausschluss, es kam aber nicht dazuBild: Jens Meyer/AP Photo/picture alliance

Ungefähr in derselben Zeit tauchen in einer Neonazi-Zeitschrift von Thorsten Heise Texte des Autors "Landolf Ladig" auf. Ein Pseudonym. Ladig beschreibt genau das Wohnhaus von Björn Höcke. Er verherrlicht das NS-Regime und will ein Wirtschaftssystem, das auf rassenbiologischen Grundlagen aufbauen soll. Ladig zitiert auch Leserbriefe von Björn Höcke. Und er benutzt Begriffe und Formulierungen, die sich ansonsten nur in Texten von Björn Höcke finden lassen.

Jahre später beantragt Höckes eigene Partei, die AfD, seinen Ausschluss. Es sei "nahezu mit Gewissheit anzunehmen", das Björn Höcke der ominöse "Landolf Ladig" sei. Der Parteiausschluss scheitert.

Mit seinem Eintritt in die AfD im Jahr 2013 enden die Bezüge zur NS-Zeit nicht. Im Gegenteil, sie werden offensichtlich.

Verurteilung wegen NS-Parole

So offensichtlich, dass er im Jahr 2024 gleich zweimal strafrechtlich verurteilt wird. Urteil vor dem Landgericht Halle im Juli: Der AfD-Politiker Höcke hatte auf einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei im November 2023 die Losung von Adolf Hitlers Sturmabteilung, SA, ausgerufen: "Alles für Deutschland". Die SA war ein gefürchteter paramilitärischer Kampfverbund, der vor allem zu Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten auf den Straßen Terror gegen politische Gegner und Jüdinnen und Juden verbreitete.

Björn Höcke 2024 vor Gericht: Er wurde verurteilt wegen der "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftigBild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

In seinem Urteilsspruch begründet der Vorsitzende Richter die Strafe damit, dass der Historiker Höcke gewusst habe, dass er sich mit der Verwendung des Spruchs strafbar mache.

Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen muss Höcke 16.900 Euro Strafe zahlen. Die Höhe bemisst sich an seinem Gehalt.

In einem ersten Verfahren vor dem Landgericht Halle im Mai 2024 wurde Höcke bereits wegen des gleichen Vorwurfs zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte die SA-Parole schon einmal in einer Wahlkampfrede verwendet. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Die Liste der NS-Bezüge Björn Höckes ließe sich fortführen: Das Berliner Holocaustmahnmal zum Gedenken an die Millionen ermordeten Juden verspottete er öffentlich als ein "Denkmal der Schande". Den Umgang der Deutschen mit der NS-Diktatur bezeichnete er als "dämliche Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

AfD in Ostdeutschland - warum tickt der Osten anders?

13:55

This browser does not support the video element.

Björn Höcke will im September 2024 Ministerpräsident von Thüringen werden. Meinungsumfragen sehen seine Partei AfD als stärkste Fraktion.

Ein Ministerpräsident hat weitreichende politische Macht: Er ist maßgeblich verantwortlich für die Bildungs- und Medienpolitik seines Landes. Er entscheidet über die konkrete Umsetzung der Asylpolitik des Bundes. Angesichts der Forderung der AfD nach einem radikalen Kurswechsel in der Asyl- und Einwanderungspolitik könnte das ernste Folgen für Geflüchtete in Thüringen haben.

Björn Höcke: "Kampf gegen rechts einstellen"

Auf einem AfD-Treffen im November 2023 kündigte Höcke weitreichende Maßnahmen an, sollte er Ministerpräsident werden. "Wir werden den Kampf gegen rechts einstellen!" rief er unter dem Jubel seiner Anhänger.

Auch gegen die öffentlich-rechtlichen Medien will Höcke vorgehen. Inspiriert vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump setzt die AfD stattdessen auf sogenannte "Alternative Medien" und verbreitet ihre politischen Vorstellungen auf eigenen, reichweiten-starken Parteikanälen in den sozialen Medien.

AfD in Deutschland - sind das die neuen Nazis?

12:03

This browser does not support the video element.

Gegen Höckes Aufstieg zum Ministerpräsidenten gibt es aber auch eine starke Mobilisierung durch Parteien, Kirchen, Stiftungen, Gewerkschaften und einer Vielzahl von Initiativen. Eine wichtige Stimme ist Jens-Christian Wagner, der Gedenkstättenleiter der ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Der Historiker, der auch an der Universität Jena lehrt, mahnt die Wählerinnen und Wähler: Die Aussage "Nie wieder!" in Bezug auf die Verbrechen der Nationalsozialisten sei heute wichtiger denn je. Mit einer neuen Website engagiert er sich in einem Netzwerk gegen Desinformation und eine verzerrte Darstellung der deutschen Vergangenheit - mit Fakten und Informationen gegen rechten Geschichtsrevisionismus.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen