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AfD: Richtungsstreit über das Reizwort "Remigration"

2. August 2025

Die in Teilen rechtsextremistische Partei AfD streitet über ihre politische Ausrichtung. Mit Maximilian Krah warnt einer der bekanntesten Vertreter vor einem Festhalten am Begriff "Remigration".

Der AfD Politiker Maximilian Krah steht mit offenem Hemd  und Sakko auf der Straße. Er trägt einen markanten Seitenscheitel.
Der AfD-Politiker Maximilian Krah sorgt in seiner Partei für StreitBild: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Die Forderungen nach Grenzschließungen, Einwanderungsstopp und der massenhaften Ausweisung von Menschen aus Deutschland gehört zum Markenkern der Alternative für Deutschland (AfD). Die Partei will seit Jahren einen radikalen Kurswechsel in der Migrationspolitik. Sie hat damit Erfolg: Bei den vergangenen Bundestagswahlen wählten die Deutschen sie mit über 20 Prozent der Wählerstimmen zur zweitstärksten Partei im Parlament.

Seitdem strebt die AfD nach einer Beteiligung an der Regierungsmacht - allerdings fehlen ihr die Machtoptionen. Denn die Partei hat sich über die Jahre so radikalisiert, dass offiziell keine andere Partei mit ihr zusammenarbeiten will.

Vor allem mit ihrer Forderung nach millionenfacher "Remigration" sorgt die AfD für Schlagzeilen. Denn wen genau die AfD aus Deutschland abschieben will, ist umstritten - selbst in der eigenen Partei.

Was versteht die AfD unter "Remigration"?

"Ursprünglich wurde der Begriff Remigration in der AfD verwendet, um zu vernebeln, dass die Partei Massenabschiebungen fordert", erklärt Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz im Interview mit der DW. Der Politikwissenschaftler forscht über Populismus und Rechtsaußen-Parteien. "Der Begriff wurde Anfang 2024 einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als von 'Correctiv' konkrete Überlegungen im Rechtsaußenkomplex zur Ausweisung von Zuwanderern aufgedeckt wurden."

Das Medienunternehmen "Correctiv" hatte damals über ein Treffen von Rechtsextremisten in der Stadt Potsdam berichtet, bei dem ein sogenannter "Masterplan Remigration" des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner diskutiert wurde. Unter den Anwesenden waren auch Funktionäre der AfD.

Protest gegen Rechtsextremismus und die AfD in Berlin im Januar 2024Bild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Der Bericht löste eine beispiellose Welle an Protesten in Deutschland aus: Millionen Menschen gingen auf die Straße, um gegen die Abschiebephantasien zu demonstrieren. Das Wort "Remigration" wurde auch zum Unwort des Jahres 2023 gekürt. Seitdem wehrt sich die AfD vehement gegen den Vorwurf, sie würde auch zugewanderte deutsche Staatsbürger abschieben wollen.

Allerdings distanzierte sie sich nicht von dem Wort - im Gegenteil. Im Bundestagswahlkampf machten Parteimitglieder massive Kampagnen mit einer Forderung nach "Remigration". Die AfD-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Alice Weidel, suchte kurz vor der Bundestagswahl den Schulterschluss zum rechtsextremen Milieu.

In einer Rede auf dem Parteitag in Riesa im Januar 2025 bekräftigte sie die Forderung nach Abschiebungen "im großen Stil": "Und wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Re-migra-tion", rief sie ihren jubelnden Mitgliedern zu.

Remigration - eine rechtsextreme Chiffre

Das Wort "Remigration" war unter Rechtsextremisten schon immer eine Chiffre für die Wiederherstellung einer vermeintlich ethnisch-homogenen Bevölkerung. Diese Forderung hat starke Anklänge an die mörderische Zeit des nationalsozialistischen Terrors.

Unter Diktator Adolf Hitler wurden vom nationalsozialistischen Deutschland Millionen Menschen in Europa ermordet: Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle und viele weitere: Sie entsprachen nicht dem NS-Ideal vom Deutsch-Sein, sie wurden terrorisiert und getötet.

Der Begriff "Remigration" diente daher auch immer der Selbstverharmlosung. In öffentlichen Debatten konnten sich die Anhänger darauf berufen, dass damit lediglich die Abschiebung von Ausländern gemeint sei, die sich illegal in Deutschland aufhalten.

Der Österreicher Martin Sellner ist einer der prominentesten Rechtsextremisten, die in Deutschland auftretenBild: BeckerBredel/picture alliance

Aktivisten aus dem AfD-Vorfeld, wie der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, pushen die Forderung nach "Remigration" seit Jahren. Sellner will das "Fenster des Sagbaren" in die extrem rechte Richtung verschieben. Das sagt er selbst. Es ist ein Kulturkampf von Rechts.  

Allerdings mehren sich die Gerichtsurteile in Deutschland, die Martin Sellner und seine Remigrations-Forderung für klar verfassungsfeindlich halten. So zum Beispiel das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Im Juni 2025 kam es im Rahmen eines Vereinsverbotsverfahrens auf Sellner zu sprechen: Seine Vorstellungen würden die von der Verfassung gebotene rechtliche Gleichheit aller deutschen Staatsbürger missachten.

In der Urteilsbegründung steht zu seinen Remigrations-Vorstellungen: "Sie gehen von einer zu bewahrenden 'ethnokulturellen Identität' aus und behandeln deshalb deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse."

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Das hat anscheinend den bekannten AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah auf den Plan gerufen: "Sellners Konzept ist verfassungsfeindlich", erklärte Krah etwa auf einer Veranstaltung seiner AfD-Bundestagsfraktion im Juli 2025.

AfD: Sorge vor Verbotsverfahren

Krah ist einer der schillerndsten AfD-Politiker. Er tritt gerne laut und polternd auf, mit Zigarre und Champagner. Mit seinen Wahlkampagnen auf TikTok konnte er für die AfD viele junge Wähler erreichen. Maximilian Krah ist gelernter Jurist - und als solcher mischt er sich jetzt in die Remigrations-Debatte ein.

Krah warnt seine Parteifreunde davor, Abschiebungen eingewanderter Deutscher zu fordern: "Finger weg von Staatsbürgern! Egal, ob sie uns nerven!"

Seine Befürchtung offenbar: Ohne eine klare Distanzierung von Sellners "Remigrations-Konzept" würde die AfD sich der Gefahr aussetzen, dass gegen sie ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet wird. Seit Monaten drängen zahlreiche Politiker auf so ein Verfahren.

Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne sagt, viele AfD-Spitzenpolitiker folgten der Logik Krahs: "Man spürt in der AfD Muffensausen wegen der möglichen Initiierung eines Parteiverbotsverfahrens. Sollte es zu so einem Verfahren kommen, wäre es für die AfD sicherlich hilfreich, wenn sie vorher bei ihrer Agitation abrüstet."

Ein Zeichen dafür setzte die AfD auf ihrer Fraktionsklausur Anfang Juli: Anders als noch in Wahlkampfzeiten war im Abschlusspapier von "Remigration" keine Rede mehr. Befindet sich die AfD auf einem Weg der De-Radikalisierung?

Parteienforscher Benjamin Höhne von der Technischen Universität ChemnitzBild: Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt

Benjamin Höhne ist skeptisch: "Wir sehen im Osten der Republik Landesverbände, in denen Zweifel an der Strategie der De-Radikalisierung bestehen, weil der Weg der Radikalität bei den bisherigen Landtagswahlen als der erfolgversprechende betrachtet wird."

Ostdeutsche AfD-Politiker fordern immer wieder offensiv Abschiebungen von Zuwanderern - und das auch, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

AfD-Abgeordnete: "Diese Menschen brauchen wir hier nicht!"

Ein Beispiel ist die Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Lena Kotré. Sie nennt sich "remigrationspolitische Sprecherin" ihrer Fraktion. Auf einem Vortrag zum Thema "Remigration" im Juni 2025 in Berlin forderte sie auch die Abschiebung von zugewanderten deutschen Staatsbürgern.

Es geht um Menschen, die nicht in ihr Konzept vom Deutsch-Sein passen, etwa weil sie sich nicht "assimilieren", also anpassen, würden: "Diese Menschen brauchen wir hier nicht. Diese Menschen sind eine Belastung. Diese Menschen müssen das Land verlassen."

Der rechtsextremer Verleger Götz Kubitschek aus dem AfD-Umfeld ist gegen jede Form von De-RadikalisierungBild: Patrick Pleul/dpa/picture-alliance

Maximilian Krah ist für das rechtsextreme AfD-Vorfeld mittlerweile zu einer Art unerwünschter Person geworden: Sein rechtsextremer Verleger Götz Kubitschek kündigte ihm gerade erst die Zusammenarbeit auf.

Dabei provoziert Krah selbst immer wieder am rechten Rand. Wie steht er zur deutschen Verfassung? In einem Podcast mit Kubitschek erklärte er noch im Juni: "Wir werden mit diesem Staat auskommen müssen. Und wir werden ihn absehbar auch nicht austauschen können."

Absehbar? Die Grundrechte in der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, sind durch eine Ewigkeitsgarantie geschützt.