AfD und BSW: Zwei Freunde für Russland
24. August 2024Sahra Wagenknecht und ihre frisch gegründete Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht", BSW, sind gegen den Krieg. So steht es in ihrem Wahlprogramm: Krieg schüre Bedrohungsgefühle. Krieg führe zu Instabilität.
Dabei geht es ihnen allerdings nicht um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Den erwähnen sie in ihrem Wahlprogramm gar nicht. Verantwortlich für Krieg und Instabilität machen sie die USA und die NATO: "Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in den zurückliegenden Jahren fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mehr als 1 Million Menschen getötet hat." Russland dagegen will das BSW einbinden in eine europäische Sicherheitsarchitektur.
Mit ihrer scharfen Kritik an der militärischen Hilfe Europas und der USA für die angegriffene Ukraine machen Sahra Wagenknecht und ihre Partei gerade Wahlkampf. Im September wählen mit Thüringen, Sachsen und Brandenburg gleich drei Bundesländer neue Landesparlamente und Ministerpräsidenten. In der Landespolitik geht es zwar eher um Schulpolitik und regionale Infrastruktur. Aber Sahra Wagenknecht punktet vor allem mit ihrer Forderung nach einer Kehrtwende in der Russlandpolitik. Meinungsumfragen sagen, dass die frisch gegründete Partei aus dem Stand ein zweistelliges Wahlergebnis einfahren könnte.
Traditionelle Russland-Nähe
Denn die Forderung nach einer Annährung zu Putins Russland ist vor allem in Ostdeutschland erfolgreich, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die war bis zum Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung eng mit der damaligen Sowjetunion verbündet.
Auch die Partei 'Alternative für Deutschland' setzt im Wahlkampf stark auf das Thema Ukrainekrieg. Auch sie fordert ein Ende der deutschen Militärhilfen für die Ukraine. Als der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyi im Juni 2024 im Deutschen Bundestag um mehr Unterstützung für sein angegriffenes Land wirbt, verlässt ein Großteil der in Teilen rechtsextremen AfD den Bundestag. Genauso wie das BSW.
An der ostdeutschen Basis kommt das gut an. "Ich find dieses Hofieren eigentlich grundsätzlich nicht gut, weil das bringt keine Lösung", sagt der AfD-Kreisvorsitzende von Chemnitz, Nico Köhler, im Gespräch mit der DW. "Es gibt schon einige Leute im Deutschen Bundestag, die nicht dafür sind, dass er ständig irgendwelche Waffen und Geld in den Hintern geschoben kriegt." Dass die Ukraine aber angegriffen wurde? Wie viele Politiker von AfD und BSW hält auch Köhler das für falsch. Aber am Ende hätten NATO und die USA den Krieg mitverursacht oder sogar ganz verursacht.
Russland - Vorkämpfer für eine freie Welt?
Der AfD-Politiker Björn Höcke geht besonders weit in seinem Wunsch nach Annährung an Putins Russland. Höcke gilt als einer der radikalsten deutschen Politiker. Bei den Landtagswahlen am 1. September in Thüringen will er zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
In einem Gespräch mit dem AfD-Politiker Maximilian Krah Ende Januar 2023 macht Höcke seine Verneigung vor Putins totalitärem Russland: "Heute ist Russland - ob man das hören will oder nicht bei den Mainstream-Medien - ein Land, mit dem sich nicht nur negative Assoziation verbinden, sondern eben auch der eine oder andere eine Hoffnung hat, dass das eventuell ein Vorkämpfer für eine Welt freier und souveräner Staaten ohne hegemonialen Einfluss sein könnte."
Putins Russland als Vorkämpfer für eine Welt freier Staaten? Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk warnt vor dem Aufstieg von Parteien wie der AfD und dem BSW. "Es ist nicht so, dass die in Putin irgendwie einen Heilsbringer sehen oder den Typen besonders gut mögen, die wissen schon, dass das ein blutrünstiger Diktator ist", sagt Kowalczuk im Gespräch mit der DW. Er ist einer der führenden Experten zur Geschichte Ostdeutschlands. Und er ist selbst in der untergegangenen sozialistischen DDR aufgewachsen.
Gemeinsamer Feind: die moderne Gesellschaft
Kowalczuk ist überzeugt, dass es insbesondere in Ostdeutschland noch starke Prägungen durch die totalitäre SED-Diktatur gibt. "Was sich AfD und BSW von Putin abschauen wollen, das sind sozusagen diese staatlichen Vorstellungen, wie er die Gesellschaft einhegt und im Griff hat, was in Russland eine Tradition hat und wie er das gewissermaßen über sein autoritäres Staatsmodell auch umsetzt. Und das ist das, was für Sie eine Vorbildwirkung hat."
Wie auch Putin lehnen AfD und BSW viele gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre ab. Bei Themen wie Migration und Islam oder Debatten über Geschlechter und die LGBTQ-Bewegung sind sie skeptisch bis ablehnend.
Wie auch viele ihrer Wähler. Laut Meinungsumfragen könnten beide Parteien zusammen in Sachsen und Thüringen 40 bis 50 Prozent der Wählerstimmen erhalten.
Sehnsucht nach autoritärer Führung
Eine großangelegte Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2023 hatte gezeigt, dass die Sehnsucht nach autoritärer Führung in Ostdeutschland stark verbreitet ist.
Kowalczuk sieht das als ein Erbe der erlebten Diktatur-Erfahrung. "Autoritäre Systeme bieten einen ganz klaren Rahmen, wie man sich zu bewegen hat. Und in autoritären Regimen kann man, wenn man sich nicht auflehnt, wenn man sich anpasst, ziemlich gut leben."
Die offene Gesellschaft würden insbesondere ostdeutsche Menschen immer noch eher als Verunsicherung denn als Chance erleben. Autoritäre Politiker wie Wladimir Putin und ihre Politik der Stärke scheinen die Sehnsucht nach Sicherheit zu bedienen. Nach einem starken Führer, der den Menschen den schwierigen Prozess gesellschaftlicher Aushandlungen abnimmt.
Das führt offenbar auch zu einer Verschiebung des Rechtsverständnisses: Das mehrere Politiker der AfD im Verdacht stehen, illegale Gelder aus russischen Propaganda-Kanälen angenommen zu haben und sich damit strafbar gemacht zu haben, ist im aktuellen Wahlkampf in Deutschland längst kein Thema mehr.
Die "Ampel" im Dauerstreit
Die beiden Parteien scheinen auch vom fehlenden Vertrauen in die Dreierkoalition der Bundesregierung zu profitieren. Im August 2024 wollten nur noch 32 Prozent der deutschen Wählerinnen und Wähler eine der drei regierenden Parteien Sozialdemokraten, Grüne oder Liberale wählen. Das ergab eine Meinungsumfrage des Forschungsinstituts infratest dimap. Die deutsche Bundesregierung präsentiert sich seit Monaten im Dauerstreit.
Auch wenn die anstehenden Landtagswahlen keinen direkten Einfluss auf die deutsche Außenpolitik oder aber auch die Migrationspolitik haben werden, so könnte ein starkes Abschneiden von AfD und BSW den Druck auf die deutsche Russland- und Ukrainepolitik erhöhen.
AfD-Politiker Björn Höcke hatte im Wahlkampf einmal versprochen: sollte er eines Tages zum Bundeskanzler gewählt werden, führte ihn seine erste Auslandsreise nicht in die USA, sondern nach Moskau.