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Politik

Radikalisierungsdruck von unten

Kay-Alexander Scholz
6. August 2018

Experten und Parteiaussteiger warnen vor einer Radikalisierung der AfD. Ihre Politiker leisten sich regelmäßig verbale Entgleisungen und historische Relativierungen. Jetzt entscheidet der Vorstand über den neuesten Fall.

AfD-Bundesvorstand Alexander Gauland & Jörg Meuthen
Die beiden AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (links) und Jörg MeuthenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die jüngste Affäre aus den Reihen der "Alternative für Deutschland" (AfD) trägt den Namen eines deutschen Helden: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der Oberst der Wehrmacht hatte im Sommer 1944 mit einer Gruppe von Offizieren ein Attentat auf Hitler verübt. Obwohl die Aktion misslang, gilt sie heute in Deutschland als Heldentat.

Claus Graf Schenk von Stauffenberg (Foto aus den frühen 1930-Jahren)Bild: picture-alliance/dpa

Nun aber nannte der junge AfD-Aktivist Lars Steinke die Hitler-Attentäter "Verräter und Feinde des deutschen Volkes" - eine Meinung, die man bisher nur von Rechtsradikalen kannte. Eine rein taktische Provokation der Öffentlichkeit oder ein Beweis für die Radikalisierung der AfD? Seit September 2017 ist die Partei die dritte Kraft im Bundestag.

Steinke ist nicht irgendwer, sondern Vorsitzender der "Jungen Alternative" in Niedersachsen, der Nachwuchsorganisation der rechtspopulistischen AfD. Sein Facebook-Eintrag zu Stauffenberg sorgt daher für Empörung. Sowohl der niedersächsische Landesverband, dem Steinke angehört, als inzwischen auch der Bundesvorstand wollen einen Parteiausschluss.

Es ist bereits der zweite Anlauf, Steinke aus der Partei zu werfen. Schon Anfang des Jahres sollte er wegen seiner Kontakte zu Rechtsextremen ausgeschlossen werden. Doch Steinke hat das politisch überlebt - anders als sein damaliger AfD-Landeschef Armin Paul Hampel.

AfD-Aktivist Lars Steinke - hier im Oktober 2017 beim StraßenwahlkampfBild: picture-alliance/dpa/S.Pförtner

Warum provozieren die AfD-Politiker?

Die Bereitschaft zum Überschreiten der Grenzen sei Pflicht beim Parteinachwuchs, so die Meinung von Experten. Doch es gehe nicht nur um die Provokation, meint der Politikwissenschaftler Werner Patzelt. In der AfD komme "leicht und ungefiltert ein gewisser Bodensatz" nach oben, so der Politologe im DW-Interview. Was Steinke über die Attentäter des 20. Juli sagte - die Attentäter seien keine Helden gewesen - habe in Deutschland nach 1945 eine gewisse "Tradition". Der aktuelle Fall sei lediglich eine Bestätigung dafür, so Patzelt.

Die Autorin Franziska Schreiber auf dem BuchcoverBild: Europa Verlag

Dass die AfD-Funktionäre immer offener rechte Positionen einnehmen, schildert auch die 28-jährige AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber in ihrem kürzlich erschienenen Enthüllungsbericht "Inside AfD". Schreiber warnt, die AfD sei auf dem Weg der politischen Radikalisierung und wolle mit bewussten Provokationen deutsche Geschichtsbilder revidieren. "Die Vorsitzenden in der AFD stehen sehr unter Druck", sagt Schreiber im Gespräch mit der DW.

"In der AfD sind Funktionäre Getriebene"

Der Politologe Patzelt, der einen Lehrstuhl in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden - sozusagen der Heimat der AfD - hat, findet diese Entwicklung durchaus "logisch". Weil die AfD in der deutschen Öffentlichkeit schnell das Image einer rechten Partei bekommen habe, seien tatsächlich viele Rechte und Rechtsextreme angezogen worden. "Die stellen nun tatsächlich auch die Schwungmasse der AfD dar", so Patzelt. Sie hätten die Mehrheiten bei Parteitagen. Wer weiter in einem Parteiamt bleiben wolle, "der tut gut daran, auf diese Leute zu hören". Die Partei funktioniere anders als andere Parteien in Deutschland, so der Politologe: "Nicht die Parteiführung bestimmt, was das Fußvolk beschließen soll",  sondern umgekehrt.

Dass gemäßigte Stimmen an der AfD-Basis wenig Gehör finden, zeigt auch das Schicksal der bisherigen Parteivorsitzenden. Sowohl der erste, Bernd Lucke, der 2013 als Eurorettungskritiker die Partei gründete, wie auch seine Nachfolgerin Frauke Petry, unterlagen den radikalen Kräften innerhalb der eigenen Partei. Das Prinzip von unten nach oben hat Wirkung gezeigt, sagt Patzelt.

Die Funktionäre seien Getriebene und müssten dem Parteivolk nach dem Munde reden, das stetig weiter nach rechts drifte. Wer sich nicht daran hält, werde "abgesägt", sagt auch die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber.

"Partei von Pegida"

Darauf weist auch das kürzlich aufgehobene Kooperationsverbot zwischen AfD und der fremdenfeindlichen Organisation "Pegida" hin - die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Seit 2014 fanden in Dresden Pegida-Demonstrationen statt. Für Patzelt, der seit Jahren die Szene beobachtet, gilt als sicher, dass die AfD-Mitglieder zu Pegida-Demonstrationen gingen, wenn es bundesweit Demonstrationen gäbe. "Die AfD ist die Partei von Pegida", sagt er deshalb.

Große Überschmeidungen zwischen "Pegida", hier in Dresden, und AfDBild: picture-alliance/dpa-Zentralbild/M. Skolimowska

Auch wenn die Parteispitze der AfD nach außen den Schein erweckt, gemäßigt zu handeln und Ausreißer wie zuletzt die Staufenberg-Affäre des eigenen Nachwuchsfunktionärs öffentlich verurteilt, ist überhaupt nicht sicher, wo weit rechts sich die AfD am Ende positioniert. 

Eine weitere Frage, mit der die AfD sich bald befassen muss, ist die Haltung gegenüber der Initiative des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon. Der Ultrarechte aus den USA will mit seinem "Movement"-Projekt engere Kooperation unter Europas Rechtspopulisten erreichen. Zwar ist noch unklar, ob sich die nationalorientierten Rechtspopulisten in Europa überhaupt in einem Bannon-Think-Tank vereinheitlichen lassen wollten, sagt Patzelt, doch eine Partnerschaft zwischen Bannon und der AfD sieht der Politologe als möglich. Erste Treffen des Amerikaners mit zwei Funktionären gab es schon im letzten Frühjahr.

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