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Politik

AfD: Von "Lügenpresse" bis "Newsroom"

Kay-Alexander Scholz
14. Mai 2018

Bei Anhängern populistischer Parteien wie der AfD ist das Misstrauen gegenüber Medien besonders groß. Eine europaweite Studie hat dazu jetzt Zahlen präsentiert. Dafür gibt es Gründe.

Unwort des Jahres "Lügenpresse" - "Kagida" in Kassel 22.12.2014
Das Wort "Lügenpresse" wurde im Jahr 2014 zum "Unwort des Jahres" gewähltBild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Das Ergebnis der Studie des Pew Research Centers ist eindeutig: Deutsche Medien haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das nichtstaatliche US-Meinungsforschungsinstitut hat zwischen Oktober und Dezember 2017 in acht europäischen Staaten insgesamt 16.000 Bürger zu ihrem Medienverhalten befragt. Deutschland sticht bei den Ergebnissen hervor.

Die Pew-Studie hat zwei Gruppen unterschieden: Menschen mit populistischen Einstellungen, wie einer ausgeprägten Eliten-Kritik, und solche ohne. Die Lücke zwischen beiden Gruppen ist beim Medienvertrauen in Deutschland am größten. Nur 47 Prozent vertrauen den Medien in der ersten Gruppe; ein breites Misstrauen gibt es demnach vor allem bei den Themen Migration und Kriminalität. Unter den Befragten ohne Neigung zu populistischen Anschauungen sind es 78 Prozent.

Eine Erklärung dafür liefert die Studie nicht. Anhaltspunkte liefert indes die Geschichte der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD) und ihrer Medienstrategie.

Mit dem Angriff auf die "Lügenpresse" fing es an.

"Lügenpresse" bleibt "Lügenpresse"

Die ersten "Lügenpresse"-Rufe gab es bei den einwanderungsfeindlichen "Pegida"-Demonstrationen im Herbst 2014 in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Der Angriff auf die Akzeptanz von Medien fiel in einigen Teilen Deutschlands auf fruchtbaren Boden. Viele Ostdeutsche sahen sich in den zum großen Teil von westdeutschen Eliten dominierten Medien zu wenig mit ihren Problemen repräsentiert.

Als die Demonstranten, die allerdings auch offen neben Rechtsextremen marschierten, in den Medien beschimpft wurden und auch Politiker darüber diskutierten, ob man mit diesem Teil der Bevölkerung überhaupt reden solle, war das Wasser auf die Mühlen der damals sehr jungen Partei AfD.

Dass vor allem öffentlich-rechtliche Journalisten damals und in der folgenden Flüchtlingskrise 2015/16 unausgewogen berichtet hätten, bestätigen inzwischen auch einige Medienwissenschaftler. Zu einseitig - also flüchtlingsfreundlich - sei damals die Perspektive der Politik und nicht die der Bürger eingenommen worden, heißt es in einer Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.

AfD hat sich Gegenöffentlichkeit geschaffen

Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt: Das AfD-Milieu hat eine mediale Ersatzheimat gefundenBild: picture-alliance/Eventpress Stauffenberg

Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt, der an der Universität Dresden forscht, zieht im DW-Interview einen ungewöhnlichen Vergleich: Das könne man so beschreiben, als hätte man die eigene Ehefrau mehrfach hintergangen. Da könne der Partner noch so viel Reue zeigen und sagen, alles werde besser. Patzelt spricht von "zerstörtem Grundvertrauen" zwischen den klassischen Medien und vielen Ostdeutschen. 

Zur medialen Ersatzheimat für AfD-Anhänger wurden die Sozialen Medien. Bei Facebook hat die AfD deutlich mehr Anhänger als ihre politische Konkurrenz. "Die AfD war die erste Partei, die sich voll auf den virtuellen Raum eingelassen hat", sagt Patzelt. Das sei aber eben auch eine Folge der damaligen Ausgrenzung durch die klassischen Medien gewesen.

Die Pew-Studie hat auch das untersucht. Danach sei europaweit Facebook zur wichtigsten Nachrichtenquelle in den Sozialen Medien geworden. Vor allem aber in Deutschland sei die Bereitschaft bei den "Populisten" groß, sich dort mit Nachrichten zu versorgen.

Für den "Newsroom" muss eigentlich gelten: Über die Arbeit der Fraktion wird berichtet - mehr nichtBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die AfD-Bundestagsfraktion, das neue Machtzentrum der Partei nach dem Einzug in das Parlament als größte Oppositionspartei, scheint diese Strategie weiterverfolgen zu wollen. Die Fraktion bekommt, wie alle Parteien im Parlament, aus Steuermitteln Geld - monatlich insgesamt 1,34 Millionen Euro. Das Geld ist für Personal, Investitionen und Öffentlichkeitsarbeit gedacht. Derzeit fließt viel Geld in den Aufbau eines sogenannten "Newsrooms" - ein Novum unter den Parteien im Bundestag. Dabei darf die AfD-Fraktion aus rechtlichen Gründen kein echtes Nachrichten-Angebot starten, ihre "News" müssen sich auf die Arbeit der Fraktion und der Abgeordneten beziehen, Partei-Arbeit darf auf diesem Weg nicht finanziert werden. Nach DW-Recherchen ist es also fraglich, inwiefern sich dieser "Newsroom" grundsätzlich von einem herkömmlichen Pressereferat mit Social-Media-Schwerpunkt unterscheiden wird.

Frauke Petry: "Freiraum für Radikalisierung entstanden"

Was die Pew-Studie nicht untersucht hat, sind die Folgen dieser Entwicklung. Schließlich haben die klassischen Massenmedien in der Vergangenheit wichtige demokratische Kontrollfunktion wahrgenommen. Was passiert, wenn sich diese abschwächt? Die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry warnt im DW-Interview vor dieser Entwicklung.

Ex-AfD-Chefin Frauke Petry: Die Partei radikalisiert sichBild: Imago/Future Image

Petry hat die AfD nach der Bundestagswahl im September 2017 verlassen - aus Protest gegen die Radikalisierung der Partei. Ihr altes AfD-Bundestagsmandat hat sie noch. In einem der Bürohäuser des Bundestags sitzt sie jetzt in einem einfachen Abgeordnetenbüro. "Der Ruf nach einem starken Mann ist nicht mehr weit", sagt sie.

Petry meint, historische Parallelen zu 1933 und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu erkennen. Wie in der Weimarer Republik gebe es aktuell "ein Versagen der Regierungsparteien, die dringendsten Probleme richtig anzupacken". Vor allem im Osten, also den Hochburgen der AfD, seien viele Bürger inzwischen gegenüber kritischer AfD-Berichterstattung immunisiert, "sie glauben den Medien fast nichts mehr".

Petry hat eine eigene Erklärung dafür, wie es dazu gekommen sein könnte: Zu viele angebliche Skandale der Partei seien in den vergangenen fünf Jahren "medial völlig überhöht und verzerrt" worden, sagt sie.

Dahinter würden nun inzwischen tatsächliche Skandale und Tabubrüche verschwinden, argumentiert Petry. Das sei gefährlich. Die Partei werde so zu einer "Projektionsfläche". "Man will gar nicht mehr sehen, was inhaltlich und personell wirklich dahinter steckt." So sei ein Freiraum für Radikalisierung entstanden. Der sich schon jetzt darin zeige, dass sich der radikale Flügel der Partei um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke durchgesetzt habe.

AfD auf "sozial-patriotischem Kurs"

Björn Höcke - wichtiger Vertreter des radikalen Flügels in der AfDBild: imago/Steve Bauerschmidt

Höcke bereitet eine Neupositionierung der AfD vor. Die Partei müsse "sozial-patriotischer" werden, sagt er. Das klingt nur auf den ersten Blick nicht sonderlich radikal. Doch wie schon oft spielt auch hier Höcke verbal mit Erinnerungen an die NS-Zeit: "Sozial" und "patriotisch" klingt fast wie "national" und "sozialistisch", der Nazi-Sprachgebrauch.

Dass sich eine Katastrophe wie 1933 wiederholen könnte, so wie Petry warnt, glaubt Politikwissenschaftler Patzelt nicht. Aber er mahnt: "Wir müssen nicht die Schatten der Vergangenheit bekämpfen, sondern die Probleme der Gegenwart lösen."

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