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Politik

AfD-Wahlprogramm: Radikal rechte Opposition

9. April 2021

Die Alternative für Deutschland wirbt zur Bundestagswahl für einen scharfen Rechtsruck in der deutschen Politik. Die Wahlkampfthemen Einwanderung und Islam sind in der Partei unumstritten. Das Personal ist es nicht.

Symbolbild Fraktion AfD im Bundestag
Bild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Es sind noch rund sechs Monate, bis in Deutschland ein neues Parlament gewählt wird - an der Zeit für die Parteien ihre Wahlprogramme festzuzurren. Die Stoßrichtung der rechten Alternative für Deutschland (AfD) für den bevorstehenden Wahlkampf macht gleich der Anfang ihres Programmentwurfs klar: "Die Regierungspolitiker in Bund und Ländern haben mit ihrer Flüchtlings- und Corona-Politik die Prinzipien der deutschen Staatlichkeit, des Rechts und der Verfassung vielfach verletzt", heißt es. Flüchtlinge und Corona also. Die AfD will auf einem Parteitag am Wochenende in Dresden ihr Bundestagswahlprogramm verabschieden. 

Die AfD wurde im Jahr 2013 gegründet und hat vor allem im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 an Wählerstimmen gewonnen. Die Partei bildet die größte Opposition im Bundestag. Mehrere Landesverbände und AfD-Mitglieder unterhalten Kontakte zu rechtsextremen und neurechten Gruppierungen und werden teilweise als rechtsextreme Verdachtsfälle vom Bundesverfassungsschutz eingestuft. Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl sehen die Partei bei rund elf Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 kam die AfD auf 12,6 Prozent der Stimmen.

Der harte Kurs gegen die Flüchtlingspolitik der bald scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel ist seit Jahren der Markenkern der noch jungen Partei. Die Warnungen vor den Folgen der Aufnahme zehntausender Flüchtlinge haben der AfD in der Vergangenheit einen Höhenflug beschert. Oft gingen sie mit rassistischen Polemiken gegen Menschen aus dem Nahen Osten oder Afrika einher. 

Von Flüchtlingen ist in Deutschland im Wahljahr 2021 kaum noch die Rede. Für die AfD aber bleiben sie das Zugpferd im Kampf um Wählerstimmen.

Muslime und Flüchtlinge als Feindbilder

Folgt man dem Entwurf des Wahlprogramms sind Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber, Migranten und Muslime die größte Bedrohung für den Frieden im Land. Wie ein roter Faden zieht sich der Verweis auf diese Bevölkerungsgruppen durch den Entwurf. Sie werden verantwortlich gemacht für so gut wie alle vermeintlichen gesellschaftlichen Schieflagen: Antisemitismus, Kriminalität, Sozialbetrug - bis hin zum angeblich sinkenden Niveau des Bildungssystems. Im Kapitel zum Thema Bauen und Wohnen heißt es, dass unter anderem die "ungezügelte und gesetzeswidrige Migration" dazu führe, "dass es für untere und mittlere Einkommensgruppen in angespannten Märkten zunehmend schwerer wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden." Belege für diese vermeintlichen Kausalzusammenhänge bleibt die AfD dabei schuldig.

Seit 2015 rückt die AfD Muslime und den Islam in den Mittelpunkt ihrer PolitikBild: picture-alliance/dpa/W. Steinberg

Mit dieser Stoßrichtung macht die AfD auch klar, wer ihre Zielgruppe ist: die enttäuschten Nichtwähler in den unteren und mittleren Bevölkerungsschichten. Ein bemerkenswerter Wandel: noch im Jahr 2013 trat die AfD als "Professoren-Partei" an, um den Freien Demokraten und den Christdemokraten das enttäuschte akademische Milieu der Wirtschaftsliberalen und Konservativen abspenstig zu machen.

Düstere Dystopie Deutschlands

Die Lage Deutschlands ist aus Sicht der AfD düster: das Land sei im Griff einer "machtvollen politischen Oligarchie", die "die Schalthebel der staatlichen Macht, der politischen Bildung und des informationellen medialen Einflusses" auf die Bevölkerung in Händen hält - so lautet es gleich zum Anfang des Entwurfs des Wahlprogramms.

Darüber hinaus sieht die Partei den zersetzenden Geist der Moderne am Unwirken: Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit, Geschlechteridentität, Homosexualität und die Pluralisierung der Gesellschaft sind der AfD ein Dorn im Auge. So gut wie alle gesellschaftlichen Debatten der vergangenen Jahre will die selbsternannte "Alternative" wieder zurückdrehen. Ihre Vision ist ein Gegenentwurf zu einem multikulturellen, diversen und weltoffenen Deutschland, zur gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte.

Immer wieder versucht die AfD die Anti-Corona-Proteste für sich zu nutzenBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Am konkretesten wird der Rückwärtskurs beim Stichwort Migration. Abschiebung hunderttausender Menschen, "Remigration" und eine Rückkehr zum deutschen Staatsbürgerrecht als "Blutrecht" weisen den Weg.

Vorbild Donald Trump

Der Ton des Wahlprogrammentwurfs erinnert stark an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Erfolge im Lager der gesellschaftlich Frustrierten und Konservativen hat die Partei beeindruckt. Und die AfD setzt ganz auf Trumps Strategie: Vereinfachen, Polarisieren, Angreifen. Konkrete Lösungsvorschläge tauchen – außer zu Themen wie Asyl und Zuwanderung – kaum auf. Oder sie sind so unkonkret gehalten, wie zum Beispiel bei Fragen des Verbraucherschutzes. Da heißt es schlicht: "Keine staatliche Bevormundung der Verbraucher".

Mit ihrem Programmentwurf setzt die AfD ganz auf harte Opposition in Deutschland. Sie macht keine Angebote an andere Parteien. Sie sucht das Alleinstellungsmerkmal. Und sie sucht die Nähe zu den Protestbewegungen der vergangenen Jahre. Vor allem zum wachsenden Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen. Die AfD greift die Ängste und Ressentiments der Straße auf, wenn sie fordert: "Das Tragen von Masken in Kindertagesstätten und Schulen lehnen wir ab. Die unverhältnismäßigen Lockdown-Maßnahmen sind unverzüglich zu beenden." Oder: "Eine verpflichtende Impfung (…) lehnen wir ab." Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass es eine derartige Impfpflicht in Deutschland nicht gibt - und dass sie auch nicht gefordert wird.

Die Zeit des Co-Parteichefs Jörg Meuthen könnte angezählt seinBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Erbitterter Streit an der Parteispitze

Alle inhaltlichen Fragen zum Programm der Alternative für Deutschland könnten auf dem Parteitag in Dresden allerdings schnell nebensächlich werden. Denn nach wie vor prägen die Grabenkämpfe der verschiedenen Parteiflügel und der erbittert geführte Streit des Spitzenpersonals das Auftreten. So will Co-Parteichef Jörg Meuthen das Wahlprogramm auf den Weg bringen, ohne gleichzeitig eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten zu küren. Zahlreiche Landesverbände wollen die Kandidatenkür aber gemeinsam mit dem Wahlprogramm verkünden, also noch an diesem Wochenende.

Spannend dürften vor allem die Auseinandersetzung zwischen Meuthen und dem extrem rechten Parteiflügel werden. Medienberichten zufolge sollen rund 100 Mitglieder eine Abwahl des als gemäßigt geltenden Meuthen vorbereiten. Darunter offenbar auch zahlreiche einflussreiche Funktionäre aus den mächtigen ostdeutschen Landesverbänden. Die tiefen Gräben zwischen den zerstrittenen Parteiflügeln bleiben ein beherrschendes Thema der noch jungen Partei AfD.

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