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Affenpocken: Kein Grund zur Panik, aber zur Vorsicht

Gudrun Heise
24. Mai 2022

Eine Impfung gegen Humane Pocken ist laut WHO auch gegen Affenpocken wirksam. Aber viele haben keinen ausreichenden Impfschutz mehr.

Affenpocken - elektronenmikroskopische Aufnahme in schwarz-weiß
Elektronenmikroskopische Aufnahme von reifen, ovalen Affenpockenviren und unreifen kugelförmigen VirionenBild: Cynthia S. Goldsmith/Russell Regner/CDC/AP/dpa/picture alliance

Zunächst waren es sechs Fälle in Großbritannien. Mittlerweile aber sind weitere europäische Länder betroffen, u.a. Deutschland, Spanien, Portugal, Frankreich und Italien. Auch in Nordamerika, Lateinamerika und Australien wurden Erkrankungen mit Affenpocken nachgewiesen. Experten sind in erhöhter Wachsamkeit, warnen jedoch vor Panikmache.

Eine Risikobewertung des Europäische Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), die am 23. Mai veröffentlicht wurde, rät den EU-/EWR-Ländern, "sich auf die unverzügliche Identifizierung, Behandlung und Rückverfolgung von Kontakten und Meldung neuer Affenpockenfälle zu konzentrieren."

Außerdem sollten die Länder Mechanismen zur Ermittlung von Kontaktpersonen und die Diagnosekapazitäten aktualisieren. Eine weitere Empfehlung der Behörde ist, die Verfügbarkeit von Pockenimpfstoffen, Virostatika und persönlicher Schutzausrüstung für Angehörige der Gesundheitsberufe zu überprüfen. Trotz dieser ernsten Hinweise ist nach Ansicht von Experten keine Panik angesagt. 

Sind Partys in Spanien ein möglicher Superspreader?

"Für die breite Bevölkerung ist das Risiko einer Ausbreitung sehr gering", sagte Andrea Ammon, Direktorin des ECDC. "Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung des Virus durch engen Kontakt, zum Beispiel bei sexuellen Aktivitäten zwischen Personen mit mehreren Sexualpartnern, wird jedoch als hoch eingeschätzt." 

In diesem Zusammenhang gehen die spanischen Behörden der Vermutung nach, dass Gay-Pride-Partys auf der Urlauberinsel Gran Canaria ein weiterer Ansteckungsherd für Affenpocken gewesen sein könnten. Das berichtet die Zeitung El País unter Berufung auf Quellen im Gesundheitssektor. 

Die Veranstaltung wird vor allem von Homosexuellen besucht. Vom 5. bis zum 15. Mai hatten insgesamt etwa 80.000 Menschen aus Spanien, aber auch aus anderen Ländern daran teilgenommen. In Spanien sind bislang 30 Fälle von Affenpocken bekannt, und es gibt 23 weitere Verdachtsfälle. 

Eine Impfung gegen Humane Pocken kann auch vor Affenpocken schützen

Laut WHO ist eine Impfung gegen Humane Pocken auch gegen Affenpocken wirksam, denn beide Arten sind miteinander verwandt. Humane Pocken sind allerdings für den Menschen ungleich gefährlicher. Aufgrund der schlimmen Verläufe, einer hohen Mortalität und großer Ansteckungsgefahr bei Humanen Pocken startete die WHO 1966 mit einer weltweiten Impfpflicht eine Ausrottungskampagne. Sie zeigte Wirkung: Im Jahr 1980 erklärte die WHO die Humanen Pocken als weltweit ausgerottet. Seitdem wurden nur noch Personen geimpft, die in Laboratorien mit Impfviren arbeiten. 

Eine Pockenimpfung ist aber nicht nur Prophylaxe. Der Impfstoff schützt auch dann noch vor dem Ausbruch der Erkrankung, wenn sie bis zu vier Tage nach der Infektion als postexpositionelle Impfung verabreicht wird.

Hautausschlag ist ein deutliches Symptom bei AffenpockenBild: CDC/Getty Images

Viele Menschen sind nicht durch eine Impfung geschützt

Da die Humanen Pocken seit über 40 Jahren als ausgerottet gelten, wurde nicht mehr dagegen geimpft. Schätzungsweise 70 Prozent der Weltbevölkerung verfügen mittlerweile nicht mehr über eine wirksame Pockenimpfung. Zu diesem Schluss kommen britische Wissenschaftler in einer Studie, die im Juli 2020 im Fachmagazin "Vaccine" erschien.

Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC hat bereits entsprechende Empfehlungen für sogenannte Ringimpfungen herausgegeben. Dabei werden alle engen Kontaktpersonen von Infizierten geimpft, um so einen Immunitätsring aufzubauen. In Großbritannien werden diese bereits durchgeführt. 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat einen Vorrat an Pockenimpfstoff eingelagert. Viele Länder wie etwa die USA, Deutschland, Österreich und die Schweiz halten eigene Bestände. Experten halten allerdings einen Ausbruchs mit Humanen Pocken für äußerst unwahrscheinlich.

Wie werden Affenpocken übertragen?

Das Affenpockenvirus MPV (Monkeypox virus) ist seit 1958 bekannt und trat vor allem in West- und Zentralafrika auf. Affenpocken gehören zu den Zoonosen, also Erkrankungen, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, vor allem durch Affen und verschiedene Nagetierarten.

Die Infektion geschieht über infizierte Tiere, deren Sekrete oder Blut, über Ausscheidungen oder über Kontakt mit Gewebe. Auch durch den Umgang mit dem Fleisch infizierter Tiere kann es zu einer Infektion kommen. Die Inkubationszeit liegt bei 7 bis 21 Tagen.

Sollte es allerdings zu einer Übertragung von Mensch zu Tier kommen und sich das Virus in einer Tierpopulation ausbreiten, bestehe die Gefahr, dass die Krankheit in Europa endemisch werde, heißt es in der Risikobewertung des ECDC. Daher sei eine enge sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen Human- und Veterinärbehörden erforderlich, um exponierte Haustiere zu behandeln und eine Übertragung der Krankheit auf Wildtiere zu verhindern.

Welche Symptome gibt es?

Erste Symptome bei einer Infektion mit Affenpocken sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen. Die Lymphknoten schwellen an. Es kommt zu auffälligen Hautveränderungen, sogenannten Hauteffloreszenzen. Je nachdem, in welcher Phase sich die Erkrankung befindet, ähneln diese Hautveränderungen denen bei Windpocken oder Syphilis.

Es können sich Knötchen, Bläschen oder Eiterbläschen entwickeln. Meist beginnen sie im Gesicht und breiten sich dann auf andere Körperteile aus, etwa auf Beine und Arme. Bei einigen der Fälle, die im Mai dieses Jahres gemeldet wurden, kam es auch zu Hautveränderungen im Urogenitalbereich. Vor allem Männer, die Sex mit Männern hatten, waren betroffen und sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen "unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen".

Es entstehen Bläschen, die mit Sekret gefüllt sindBild: CDC/Getty Images

Affenpocken haben meist einen milden Verlauf

Während Humane Pocken einen meist schlimmen Verlauf haben und häufig tödlich enden, läuft eine Infektion mit Affenpocken wesentlich milder ab. Die Patienten genesen meist innerhalb weniger Wochen. Aber es gibt Ausnahmen. Sind Kinder unter 16 Jahren mit der zentralafrikanischen Variante infiziert, konnte bei ihnen laut Robert-Koch-Institut, RKI eine Letalität von bis zu elf Prozent beobachtet werden. Die aktuell registirerte westafrikanische Variante hingegen führt bei etwa einem Prozent aller Betroffenen zum Tod.

Welche Therapien gibt es bei einer Infektion?

Die meisten Therapiekonzepte konzentrieren sich darauf, Symptome zu behandeln und Beschwerden abzumildern. In der EU wurde vor kurzem das Arzneimittel Tecovirimat von der EMA (European Medicines Agency), der Europäischen Arzneimittelagentur, zugelassen. Es wurde für die Behandlung von Orthopockenvirus-Infektionen entwickelt. Zu dieser Gruppe gehören neben Humanen Pocken auch Kuhpocken und Affenpocken.

Mit dem Präparat Imvanex gibt es in der EU einen zugelassenen Impfstoff, der auf dem sogenannten MVA, dem Modifizierten Vacciniavirus Ankara basiert. Dieser Lebendimpfstoff ist ursprünglich lediglich gegen humane Pocken zugelassen, wird aber off-Label auch gegen Affenpocken eingesetzt, also als Impfung ohne offizielle Zulassung. In den USA und in Kanada ist Imvanex für Humane Pocken und Affenpocken zugelassen. Das Paul-Ehrlich-Institut empfiehlt die Verwendung ab einem Alter von 18 Jahren. Dieser Impfstoff schützt über eine sogenannte Kreuzimmunität vor dem Virus. 

Der Impfstoff kann sich beim Menschen nicht replizieren und auch keine Krankheit auslösen. Das war bei den Impfstoffen, die vor der Ausrottung des Virus eingesetzt worden waren, nicht der Fall. Sie enthielten Viren, die replikationsfähig waren und das Risiko bargen, dass sich das Virus auf andere Stellen des Körpers ausbreitet. Laut EMA besteht diese Gefahr beim Impfstoff Imvanex nicht.

Die Impfung wird subkutan am Oberarm durchgeführt und von der EMA für Personen empfohlen, die keinerlei Immunisierung haben. Bei diesen Personen wird das Präparat zweimal im Abstand von einem Monat verabreicht. Bei bereits geimpften Personen reicht eine einmalige Dosis von 0,5 Millilitern des Impfstoffs aus. Die Wirksamkeit der Impfung liegt bei etwa 85 Prozent.

 

 

 

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