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PolitikAsien

Afghanen verstärkt aus Iran abgeschoben

8. April 2022

Nach der Machtübernahme der Taliban hat sich der Flüchtlingsstrom in den Iran verstärkt. Mehr Afghanen werden abgeschoben, an Kooperation mangelt es.

Bildergalerie Afghanistan - Flucht zu den Landesgrenzen
An einem iranisch-afghanischen Grenzübergang Bild: Majid Asgaripour/WANA/REUTERS

"Unser Land beherbergt mehr als vier Millionen afghanische Flüchtlinge", behauptete Irans Präsident Ibrahim Raisi Ende März bei einer Veranstaltung. Und er beklagte, dass die EU dem Iran keine finanzielle Unterstützung anbiete wie im Fall der Türkei, um diese Last zu schultern. Nach Angaben der iranischen Behörden sind nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 knapp eine Million weitere Menschen aus Afghanistan in den Iran geflohen.

Woher die Behörden diese Informationen haben, ist nicht bekannt. Die meisten Flüchtlinge überqueren die Grenze illegal und werden nicht registriert. Die 950 Kilometer lange Grenze mit Afghanistan verläuft über hohe Berge und unwegsames Gelände; der Iran kann sie schwer sichern. Offiziell gibt es nur drei Grenzübergänge, wo derzeit afghanische Flüchtlinge vom Iran nach Afghanistan abgeschoben werden.

Altes Problem mit neuer Brisanz

Laut dem afghanischen Ministerium für "Migration und Abgeschobene" erreichten die Abschiebungen am vergangenen Sonntag mit über 4000 Personen einen neuen Höchststand; in den vergangenen Monaten sollen es täglich bis zu 3000 gewesen sein. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) nennt für 2021 über eine Million aus dem Iran abgeschobene afghanische Flüchtlinge.

"Der Iran wollte uns nie haben", erzählt die afghanische Regisseurin Sahraa Karimi im Gespräch mit der DW. Bis zur Machtübernahme der Taliban war Sahraa Karimi die Präsidentin der staatlichen afghanischen Filmorganisation in Kabul. Sahraa Karimi wurde im Iran geboren und ist zum Teil dort aufgewachsen, erhielt aber nie das Recht auf iranische Staatsbürgerschaft. "Das politische System im Iran gibt afghanischen Geflüchteten keine Chance sich zu integrieren. Man beschwert sich über die Probleme, die die Flüchtlinge verursachen. Aber über wie viele Generationen sollen die Flüchtlinge denn Flüchtlinge bleiben?" 

Die afghanische Regisseurin Sahraa Karimi ist im Iran aufgewachsenBild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Seit 40 Jahren fliehen die Afghanen vor Bürgerkrieg, Armut und nun den Taliban in den Iran. Bis Ende 2020 hielten sich dort laut Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen ungefähr drei Millionen Afghanen auf, darunter 780.000 als Flüchtlinge registrierte. Rund 500.000 waren Einwanderer mit kurzfristiger Aufenthalts- und eingeschränkter Arbeitserlaubnis. Der Rest, mehr als 1,2 Millionen, lebt illegal im Land. 

Stille Hilfe aus der Zivilgesellschaft 

Diese Menschen werden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt, zum Beispiel auf Baustellen, oftmals müssen die Kinder ihre Familien trotzdem finanziell unterstützen. Bereits mit sechs oder sieben Jahren verkaufen sie minderwertige Waren auf der Straße, putzen die Scheiben wartender Autos oder schieben im Basar schwer beladene Schubkarren zwischen den Lagern und den Geschäften hin und her. 

Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten der Zivilgesellschaft organisieren seit Jahren Hilfe für die irregulären Afghanen im Iran. Sie sammeln warme Kleider und Lebensmittel und setzten sich für den Unterricht und die Unterstützung von Frauen und Kindern ein. Eine der Aktivistinnen ist die 65-jährige Molouk. Sie erzählt der DW, dass sie und ihre Mitstreiterinnen möglichst ohne mediale Aufmerksamkeit arbeiten möchten. Sie kümmern sich vor allem um die illegalen Flüchtlinge am Rande der Großstädte.

Aktivisten der iranischen Zivilgesellschaft organisieren Hilfe für FlüchtlingskinderBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

"Ohne die Aktivistinnen der Zivilgesellschaftlich hätte sich im Iran nichts verändert", ist sich die Regisseurin Sahraa Karimi sicher, die nun in den USA lebt. Nur unter dem Druck der Zivilgesellschaft öffnete die iranische Regierung Kindern illegaler Flüchtlinge im Jahr 2015 den Zugang zu den Schulen. Erst seit November 2020 haben Kinder iranischer Mütter und afghanischer Väter das Recht auf eine iranische Personenstandsurkunde. Bis dahin hatten Kinder iranischer Frauen kein Recht auf dieses Dokument, wenn der Vater nicht die iranische Staatsangehörigkeit besitzt. Mit diesem Dokument können sie nach dem 18. Lebensjahr einen iranischen Pass beantragen. 

Teheran ohne Plan

Trotz der engen kulturellen und sprachlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern gibt es noch immer kein Gesamtkonzept für die Integration der afghanischen Flüchtlinge. Im Gegenteil: Afghanen im Iran erfahren in jüngster Zeit vermehrt Ablehnung. Viele Iraner leiden unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und der US-Sanktionen. In den ohnehin benachteiligten Grenzregionen haben die Menschen Angst vor ansteckenden Krankheiten wie etwa Masern. Vor einem Masernausbruch in Afghanistan hatte die Weltgesundheitsorganisation Ende 2021 gewarnt. Dennoch hat Teheran keinen Plan für die Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich mit dem Nachbarland, von dessen Problemen es sich jedoch nicht abschotten kann. 

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