Afghanen in Pakistan droht Abschiebung trotz Visaversprechen
1. August 2025
ZK (Name von der Redaktion anonymisiert) lebt in einem kleinen Zimmer in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Die meiste Zeit verbringt die 40-jährige Afghanin mit Kochen, einsamen Singen und Tanzen, zudem schaut sie Nachrichten. Sie fühle sich wie eine Gefangene, sagt sie der DW.
Früher hat ZK in Afghanistan als Journalistin gearbeitet. Als eine der ersten Frauen des Landes arbeitete sie dort als Nachrichtensprecherin. Damit brach sie in der erzkonservativen islamischen Gesellschaft des kriegszerstörten Landes kulturelle Barrieren.
Doch kaum waren die Taliban im August 2021 an die Macht gekommen, machten sie die in den letzten zwei Jahrzehnten erzielten Fortschritte im Bereich der Frauenrechte rückgängig.
Leben im Wartezustand
2023 floh ZK nach Pakistan. Zuvor war sie in ein deutsches humanitäres Aufnahmeprogramm für diejenigen Afghanen aufgenommen worden, die unter dem Regime der islamisch-fundamentalistischen Gruppe gefährdet sind.
Ursprünglich war in Pakistan nur ein kurzer Aufenthalt geplant, nach dessen Ende sie und ihre Kinder nach Deutschland reisen sollten. Inzwischen aber wartet sie seit über zwei Jahren. Daher ist sie sich unsicher, wann sie endlich nach Europa kommen können.
"Ich lebe seit zwei Jahren in Pakistan und warte auf mein deutsches Visum. Doch Verzögerungen im Verfahren haben meine Ausreise bisher verhindert. Im Februar wurde ich von der Polizei in Islamabad verhaftet und mit meinen beiden Söhnen nach Afghanistan abgeschoben", berichtet ZK der DW. "Als ich verhaftet wurde, versteckte sich meine Tochter aus Angst vor der Polizei und blieb allein in Pakistan zurück." Dank befreundeter Kollegen sei es ihr gelungen, so erzählt ZK, ein Visum zu erhalten und nach Pakistan zurückzukehren.
Tausende Gestrandete
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hatte die Bundesregierung versprochen, gefährdeten Personen die Einreise nach Deutschland mit ihren Familien zu ermöglichen.
Dieses humanitäre Aufnahmeprogramm richtete sich in erster Linie an Afghanen, die für die deutsche Bundeswehr gearbeitet hatten; zudem auch an Personen, die in Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und akademischen Bereichen aktiv waren. Auch Mitarbeiter der ehemaligen afghanischen Regierung sollten nach Deutschland reisen dürfen.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind bisher rund 36.300 Afghanen im Rahmen dieses Programms nach Deutschland gekommen, darunter fast 20.800 Ortskräfte.
Rund 2400 Personen, deren Aufnahme in das Programm genehmigt wurde, warten jedoch noch immer in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Der Grund für ihren Aufenthalt in Pakistan: In Afghanistan selbst gibt es keine deutsche Auslandsvertretung mehr, die Anträge bearbeiten könnte.
In Pakistan werden sie in Gästewohnungen der Bundesregierung untergebracht. Zugleich durchlaufen sie schier endlose Visaanträge und Sicherheitskontrollen.
Zwar haben viele dieser Personen von den deutschen Behörden die feste Zusage erhalten, nach Deutschland kommen zu dürfen. Dennoch blicken sie nun einer ungewissen Zukunft entgegen: Die derzeitige Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz verfolgt eine härtere Haltung in Bezug auf Asyl und irreguläre Migration. Darüber hinaus hat Berlin angekündigt, die Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge einzustellen. Derzeit wird geprüft, ob bestehende Zusagen widerrufen werden können.
"Kein Land nimmt uns auf"
Über Jahrzehnte hinweg diente Pakistan als Zufluchtsort für Afghanen, die vor Kriegen oder repressiven Regimen flohen. Doch seit Ende 2023 hat das Land mehrere Ausweisungs- und Abschiebungsaktionen gegen Afghanen gestartet.
Diese zielen nicht nur auf Afghanen ohne, sondern auch auf solche mit gültigen Papieren. Betroffen sind auch Personen, die einen Anspruch darauf haben, in Drittländer wie Deutschland und die USA zu reisen.
"Unsere Hoffnungen sind zerstört, und wir sind obdachlos. Kein Land nimmt uns auf", sagt Aziz Gul, eine 25-jährige afghanische Menschenrechtsaktivistin in Islamabad, im DW-Interview. Ihre Akte sei an das Auswärtige Amt weitergeleitet worden. "Aber ich habe noch keine Bestätigung erhalten. Mein Fall hängt derzeit in der Schwebe, mein Schicksal ist ungewiss."
Gul war im Juli 2024 nach Pakistan gekommen. Dort beantragte sie über eine deutsche NGO ein humanitäres Visum. "Nun drohen uns Schikanen durch die Polizei und eine Zwangsabschiebung aus Pakistan. Und in Afghanistan werden mich die Taliban wegen meines Aktivismus töten."
Pakistan weist Vorwürfe zurück
Mehrere Afghanen, mit denen die DW sprach, berichteten, sie seien von den pakistanischen Behörden schikaniert worden. Nun fürchteten sie, aufgrund des verzögerten Umzugs nach Deutschland nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
Ein Beamter des pakistanischen Außenministeriums, der anonym bleiben will, weist die Beschwerden über Schikanen zurück. Stattdessen wirft er Deutschland vor, nicht schnell genug reagiert und die Visaanträge der gestrandeten Afghanen nicht bearbeitet zu haben.
"Der Druck sollte auf Deutschland liegen, nicht auf uns", so der Beamte. "Die Polizei überprüft derzeit den Status von Afghanen ohne Aufenthaltspapiere und schiebt diejenigen ab, die kein Visum oder keine Aufenthaltserlaubnis für Pakistan haben."
"Ein Leben in extremer Angst"
Die Lage der in Pakistan gestrandeten Afghanen sei "katastrophal", sagt der Rechtsanwalt Umer Gilani. "Sie werden von der Polizei schikaniert. Diese fordert zudem ständig eine Verlängerung ihrer pakistanischen Visa. Das bedeutet für die Flüchtlinge ein Leben in extremer Angst."
Es gebe viele Personen, deren Visa abgelaufen und die kurzerhand nach Afghanistan abgeschoben worden seien. "Dadurch sind ihr Leben und ihre Freiheit gefährdet."
Sie sei "zutiefst besorgt", dass sie zwangsweise nach Afghanistan rückgeführt werden könnte, sagt die Menschenrechtsaktivistin Gul der DW.
In den letzten Jahren haben die Taliban Frauen und Mädchen aus fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens verbannt. Mädchen wurde der Schulbesuch nach der sechsten Klasse verwehrt, und Frauen wurde der Zugang zu Berufen und einer Arbeit in Nichtregierungsorganisationen untersagt. Zudem haben die Taliban die Schließung von Schönheitssalons angeordnet. Frauen dürfen keine Fitnessstudios und Parks mehr betreten.
Ohne männlichen Vormund dürfen sie das Haus nicht verlassen. Außerhalb des Hauses müssen Frauen und Mädchen nicht nur Gesicht und Körper verhüllen, sondern dürfen auch nicht sprechen.
"Eine Rückkehr würde für uns wahrscheinlich zu Gefängnis oder sogar Hinrichtung führen", so Gul. Die Journalistin ZK sieht das ähnlich. "Die Rückkehr nach Afghanistan bedeutet den Tod. Meinen Mann haben die Taliban haben bereits getötet."
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.