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Afghanen wollen Stichwahl abhaken

Waslat Hasrat-Nazimi13. Juni 2014

Afghanistan entscheidet in einer Stichwahl über den Nachfolger von Präsident Karsai. Viele Afghanen sehnen ein Ende des langen Wahlkampfs herbei - und einen Neuanfang.

Afghanistan Wahlkampf in Kabul Straßenszene (Foto: DW)
Bild: DW/H. Sirat

Wer wird es denn nun? Diese Frage beschäftigt die Menschen in Afghanistan seit mehreren Monaten. Nach der Stichwahl am Samstag soll das Warten endlich ein Ende haben. Der scheidende Präsident Hamid Karsai wird Anfang August entweder von seinem ehemaligen Finanzminister Ashraf Ghani Ahmadzai oder vom früheren Außenminister Abdullah Abdullah abgelöst. Beide Kandidaten haben ähnliche Prioritäten. Sie wollen das Sicherheitsabkommen mit den USA, das die Zusammenarbeit beider Länder regeln soll, unterzeichnen. Sie wollen die massive Korruption im Land bekämpfen, und sie würden mit den Taliban bei Friedensgesprächen verhandeln. Während Abdullah vor allem die Wähler im Norden anspricht, ist Ghanis Anhängerschaft stärker im Süden vertreten. Trotzdem streben beide eine nationale Einheit an.

"Stammeszugehörigkeit zweitrangig"

"Viele Afghanen wählen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit der Kandidaten", sagt Bilqees, eine Lehrerin. Die 55-jährige zählt sich jedoch nicht dazu. "Mir ist wichtig, dass jemand Präsident wird, für den der ethnische Hintergrund keine Rolle spielt". Sie möchte jemanden an der Macht sehen, der keine Unterschiede macht zwischen Paschtunen, Tadschiken, Hasara und Usbeken. "Ich habe Abdullah in der ersten Runde gewählt, weil ich ihn für fähig halte und weil er ein guter Präsident sein wird, nicht weil er aus dem Norden kommt." Bilqees selbst kommt auch aus dem Norden, aus Badachschan. Das spiele aber keine Rolle, sagt sie.

Auch Mohammad Saker kommt aus dem Norden, aus der Provinz Pandschir. Er will trotzdem Ashraf Ghani wählen. "Ghani hat das Zeug für diesen Posten", sagt er. "Er ist gut ausgebildet und besitzt das nötige Know-how". Deswegen sei es unwichtig, woher man komme. Anders als vor der ersten Runde ist Mohammad Saker aber nicht mehr von der Integrität seines Kandidaten überzeugt. "Sowohl Abdullah als auch Ashraf Ghani haben sich Warlords und die Mafia an ihre Seite geholt. Ich wähle nur das kleinere Übel."

Genug vom Wahlkampf

Nachdem von den ursprünglich elf Kandidaten nur zwei übrig geblieben sind, haben sich beide die Unterstützung von den bereits ausgeschiedenen Kandidaten gesichert, um an weitere Stimmen zu kommen. Aber auch religiöse Führer und sogar Parlamentarier und Sportler wurden als Stimmenfänger mobilisiert. Wenige Tage vor den Wahlen hatten die Kandidaten ihren Ton verschärft und schreckten vor persönlichen Angriffen auf Gegner nicht zurück. "Vielleicht ist das ganz natürlich", sagt Michael Kugelmann, Südasienexperte am Woodrow Wilson Center. "Der Wahlkampf läuft schon so lange, dass eigentlich alles gesagt wurde." Das lasse dann Raum für persönliche Angriffe. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum die Euphorie für die Wahlen in Kabul spürbar abgeflaut ist.

"Reiche Ernte" der Wahlhelfer beim ersten Wahlgang Anfang AprilBild: BANARAS KHAN/AFP/Getty Images

Die erste Runde der Wahl war geprägt von Kundgebungen vor riesigen Menschenmassen und einem starken Andrang an den Wahlurnen. Über sieben Millionen Afghanen gaben ihre Stimme ab, weit mehr als erwartet. "Jetzt haben die Menschen langsam genug von Wahlen und Wahlkampf", sagt Mohammad Saker. "Wir wollen endlich vorwärts und nicht mehr weiter auf der Stelle treten". Er vermutet, dass die Wahlbeteiligung diesmal nicht mehr so hoch sein wird, auch weil die Sicherheitslage nicht gut sei.

Unsicherheitsgefühl

Ähnlich sieht das Graeme Smith, Afghanistan-Experte bei der International Crisis Group. Die Taliban fühlten sich derzeit im Aufwind, so Smith. Beigetragen habe dazu der Austausch von Guantanamo-Gefangenen gegen den US-Soldaten Bowe Bergdahl. Die Sicherheitslage habe sich außerdem wieder verschärft, wie der versuchte Anschlag auf Abdullah Abdullah vor wenigen Tagen gezeigt habe. "Einige der Aufständischen wollen deutlich machen, dass die Taliban mit der erfolgreichen ersten Wahlrunde keineswegs in die Schranken gewiesen worden seien", meint Smith. Bei der ersten Wahlrunde am 5. April waren trotz anderslautender Ankündigungen der Taliban nur relativ wenige gewaltsame Vorfälle zu verzeichnen gewesen.

Abdullah Abdullah nach dem Anschlagsversuch auf ihn kurz vor Ende des WahlkampfsBild: Reuters

Nils Wörmer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kabul sagt, dass mit den Taliban Vereinbarungen auf Provinzebene geführt wurden. "Im ersten Wahlgang wurden auch die Provinzräte gewählt. Diese haben bessere Kontakte als die Zentral-Regierung und konnten die Taliban dazu bewegen, sich zurückzuhalten." Hinzu kommt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte monatelange Vorbereitungen getroffen hatten, indem sie mögliche Anschläge vereitelten und Stützpunkte der Aufständischen bekämpften. Ob entsprechende Vorkehrungen jetzt bei der Stichwahl ebenfalls für einen weitgehend reibungslosen Ablauf sorgen werde, sei schwer zu sagen, so Wörmer.

Wer wird es denn nun? Auf eine Antwort werden die Afghanen noch einige Wochen warten müssen. Erste Ergebnisse sollen am 2. Juli bekannt gegeben werden.

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