Afghanischer Fußballerin droht Abschiebung aus Deutschland
17. April 2025
"Als ich den Brief bekommen habe, dass ich möglicherweise nach Italien zurückgeschickt werde, hat mich eine tiefe Hoffnungslosigkeit, Angst und Unsicherheit überfallen", sagt Nazira Khairzad im DW-Interview. "Ich war sehr traurig und geschockt. Seitdem lebt meine Mutter in ständiger Angst und Stress. Sie schläft nachts kaum, weil sie Angst hat, dass plötzlich die Polizei kommt und ihre Tochter mitnimmt."
Nach der erneuten Machtübernahme durch die Taliban hatte die Familie 2021 getrennt Afghanistan verlassen. Die heute 21 Jahre alte Nazira landete nach ihrer Flucht zunächst in Italien. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Nazima schaffte es mit dem Rest der Familie über Pakistan schließlich nach Deutschland. Erst Anfang 2024 fanden Nazira und ihre Familie wieder zusammen - im Großraum Frankfurt am Main.
"Es war eine schwere Zeit. Wir haben uns lange nicht sehen können", erinnert sich Nazira. "Doch jetzt sind wir glücklich, wieder vereint zu sein."
Nazira Khairzad: "Mein Leben war in Gefahr"
Rückblick: Die beiden Schwestern Nazima und Nazira Khairzad sind schon als Kinder in Afghanistan unzertrennlich. "Ich bin sehr stolz auf meine Schwester, sie ist mein Vorbild und meine beste Freundin", sagt Nazira der DW. Alles unternehmen die Mädchen gemeinsam: Skifahren, Fußballspielen oder auf die Berge ihrer Heimatprovinz Bamiyan klettern. Das sorgt bei den Eltern zunächst für Unverständnis, denn Sport ist auch damals schon keine selbstverständliche Freizeitbeschäftigung für Frauen und Mädchen in Afghanistan.
Doch trotz der gesellschaftlichen und kulturellen Widerstände entwickelt sich Nazima zu einer erfolgreichen Skirennläuferin und Bergsportlerin. Ihre Schwester Nazira schafft es sogar ins Tor der Frauen-Fußball-Nationalmannschaft Afghanistans.
Die neuerliche Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 zwingt die Schwestern dann aber zur Flucht aus ihrer Heimat. "Mein Leben in Afghanistan war in Gefahr", erinnert sich Nazira. "Wenn ich damals geblieben wäre, hätten die Taliban mich wahrscheinlich getötet."
Unterstützung für kranke Mutter und Schwester
Die Schwestern fliehen und müssen getrennt voneinander in fremden Ländern zurechtkommen. Erst nach nach drei schweren Jahren in Italien - ohne Familie und unter Bedingungen, in denen Nazira keinerlei Gefühl von Sicherheit oder Ruhe hat - schafft es die Fußballerin 2024 nach Deutschland.
Ihre Familie benötigt ihre Hilfe. "Meine Mutter ist krank und braucht meine Nähe, meine Unterstützung und emotionale Stabilität", sagt Nazira. "Wir sind sehr eng miteinander verbunden." Auch ihre ältere Schwester Nazima benötigt Hilfe. Bei ihr wird 2024 ein Gehirntumor festgestellt, der entfernt werden muss.
Komplizierte rechtliche Lage
Doch nun droht Nazira die Abschiebung nach Italien. In das Land, das ihr nach der Flucht aus Afghanistan ein Aufenthaltsrecht gewährte. Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Elke Gabsa versucht die Familie, die Abschiebung aus Deutschland zu verhindern - trotz der schwierigen rechtlichen Situation. "Wenn jemand in einem Staat als Geflüchtete oder Geflüchteter anerkannt ist, ist es grundsätzlich nicht möglich, in einem anderen Mitgliedsstaat um Schutz bitten", erklärt Gabsa im Gespräch mit der DW.
Doch habe es in der Vergangenheit immer wieder Ausnahmen gegeben, wenn der Europäische Gerichtshof "systemische Mängel" festgestellt habe, so die Anwältin, zum Beispiel in Griechenland oder auch in Italien.
Ein solcher systemischer Mangel liegt vor, wenn den Geflüchteten im Aufnahmeland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Diese Rechtsprechung sei aber kürzlich wieder relativiert worden, schränkt Gabsa ein.
Eine Abschiebung Naziras zurück nach Italien wäre somit aktuell wohl rechtens. Dennoch versuchen die Afghanin und ihre Anwältin, eine erneute Trennung der Familie zu verhindern. "In diesem Fall handelt es sich auch um eine Verletzung der Menschenrechtscharta, wenn sie [Nazira - Anm. d. Red.] nicht mit ihrer Familie zusammen sein darf, die ihren Beistand benötigt", sagt Gabsa.
Wunsch nach einem sicheren und würdevollen Leben
Nazira hat sich in den vergangenen Monaten in Deutschland ein Leben aufgebaut, die Sprache gelernt und auch wieder mit dem Fußballspielen angefangen. "Ich arbeite in Teilzeit und versuche, mich vollständig in die Gesellschaft zu integrieren", sagt die 21-Jährige.
"Ich mache regelmäßig Sport. Fußball spielt eine große Rolle in meinem Leben. Früher habe ich beim AC Milan trainiert, heute ist es mein großer Wunsch, in Frankfurt zu spielen." Fußball sei für sie nicht nur "eine Leidenschaft, sondern eine Möglichkeit mir eine Zukunft aufzubauen.".
Nazira Khairzad hofft auf eine Entscheidung der Gerichte zu ihren Gunsten. "Ich möchte in Deutschland bleiben, bei meiner Familie leben, arbeiten, Fußball spielen und ein aktives, nützliches Mitglied dieser Gesellschaft sein. Ich wünsche mir ein sicheres, würdevolles Leben, das ich mit viel Einsatz und Hoffnung gestalten kann."