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Mit Gift gegen Mohnanbau

Steffen Leidel 14. Dezember 2006

Die USA planen, Mohnfelder in Afghanistan mit Herbiziden zu vernichten. Experten warnen vor fatalen Konsequenzen: Der Mohnanbau verringere sich so nicht, dafür werde aber die Wut der Bevölkerung auf den Westen angeheizt.

Traktor fährt über Mohnfeld in Afghanistan (Quelle: AP)
Bislang erfolgt die Zerstörung der Mohnfelder mechanischBild: AP

Afghanistan, ein Drogenstaat? Das Land stehe kurz davor, ein solcher zu werden, glaubt der US-Antidrogen-Zar, John Walters. "Riesenschritte" in der Vernichtung der Mohnfelder seien schnellstens erforderlich, sagte der Leiter der amerikanischen Drogenbehörde kürzlich. Walters erwägt die bereits in Kolumbien praktizierte Brachialmethode, Kokapflanzen mit dem Herbizid "Round Up" zu besprühen, auf das Land am Hindukusch auszuweiten. Dort sollen Schlafmohnfelder mit den giftigen Chemikalien vernichtet werden.

Studenten zerstören ein MohnfeldBild: AP

"Die Einnahmen aus der Opiumproduktion stärken den Aufstand und belasten die jungen politischen Institutionen Afghanistans mit der Geißel der Korruption", sagte Walters. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai habe den US-Plänen zugestimmt. Ein klares öffentliches Ja war bislang von der afghanischen Regierung aber nicht zu hören - allerdings auch kein eindeutiges Dementi. In der Vergangenheit hatte sich Karsai weitgehend kritisch zu Besprühungsplänen geäußert.

Wieder Rekordernte

Citha D. Maass, Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin rechnet mit einer "massiven Vernichtungskampagne" im Frühjahr. "Seit den Kongresswahlen in den USA gibt es dafür ernstzunehmende Anzeichen", sagt sie.

Eine Schlafmohnpflanze in voller BlüteBild: AP

In diesem Jahr gab es eine Rekordernte von Schlafmohnkapseln, dem Grundstoff für die Herstellung von Opium und Heroin. Der Mohnanbau ist 2006 um 61 Prozent gewachsen. Nach Angaben der US-Regierung werde auf einer Fläche von rund 173.000 Hektar Schlafmohn angebaut. Vor allem in den Unruheprovinzen Helmland und Oruzgan im Süden und in der Mitte des Landes sind laut US-Regierung viele neue Felder entstanden.

Verdeckte Sprühaktionen

Maass rechnet mit einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage, sollten die USA tatsächlich mit den Sprühaktionen beginnen. "Das wird die arme Bevölkerung, die auf Mohnanbau angewiesen ist, in die Arme der Taliban treiben", sagt die Expertin. Sie rechnet mit Vergeltungsaktionen gegen westliche Ausländer in Afghanistan. Die Sorge sei groß, dass dann auch Bundeswehrsoldaten, die im Norden des Landes stationiert sind, das Ziel von Racheaktionen werden könnten.

Es wäre das erste Mal, dass die USA offiziell Herbizide in der Drogenbekämpfung in Afghanistan einsetzt. Allerdings hat der "Senlis-Council", eine Denkfabrik zur internationalen Drogenpolitik, Berichte dokumentiert, wonach zwischen 2002 bis 2005 in der Provinz Nangarhar im Osten des Landes nächtliche Sprühaktionen durchgeführt worden sind. Die US-Regierung hat dies stets dementiert.

Erfolgloser Drogenkrieg in den Anden

Die rabiate Methode des "Aerial Chemical Spraying" wird von den USA seit Jahren im Drogenkrieg in Kolumbien angewendet. Seit Mitte der 1990er Jahre seien in Kolumbien rund eine Million Hektar Kokafelder besprüht worden, sagt der Wiener-Drogenexperte Robert Lessmann. "Dennoch hat sich die Kokaproduktion seit dieser Zeit dramatisch ausgeweitet", sagt Lessmann. Außerdem habe man sich die Bauern zu Feinden gemacht.

Ein Sprühflugzeug in KolumbienBild: AP

"Wer nachhaltige Erfolge bei der Drogenbekämpfung erzielen will, der muss mit den Bauern und nicht gegen die Bauern arbeiten", sagt Lessmann. Die Besprühung bedeute ein "Nachhaltigkeitsdesaster mit hohen politischen und ökologischen Kosten". Denn die giftigen Chemikalien gehen oft auf größeren Flächen nieder als beabsichtigt; Boden und Grundwasser werden dabei verseucht.

Drogenwirtschaft infiltriert Regierung

Die Argumente sprechen klar gegen die Sprüh-Methode. Doch der innenpolitische Druck in den USA, schnelle und sichtbare Erfolge in der Drogenbekämpfung vorzuweisen, ist groß. Vernichtete Schlafmohnfelder sind telegener als die mühsame tägliche Arbeit von Entwicklungshelfern.

Eine effiziente Drogenpolitik müsste nach Ansicht von Experten auch nicht so sehr die Produzenten, sondern vielmehr die Händler des Schlafmohns ins Visier nehmen. Doch das ist ein politisch hochsensibles Thema. Die Drogenwirtschaft hat längst auch die Regierungsebenen infiltriert. Übt man Druck auf die Händler aus, führt das indirekt zu einer Destabilisierung der Regierung Karsai, ist die Befürchtung. Und zu ihm gibt es derzeit keine Alternative, so die vorherrschende Meinung.

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