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Ein Krieg als Comic

Rodion Ebbighausen1. Juli 2012

Deutsche Soldaten in Afghanistan: Über den umstrittenen Einsatz der Bundeswehr hat der Berliner Illustrator Arne Jysch eine spannende Graphic Novel geschrieben und gezeichnet. Der Krieg am Hindukusch als Fiktion.

Comic Wave and Smile von Arne Jysch CARLSEN Verlag ***Das Bild darf nur in Zusammenhang mit einer Buchbesprechung verwendet werden*** Mit Arne Jysch wendet sich der erste deutsche Zeichner dem Thema Afghanistan zu. Gekonnt erzählt und inszeniert er eine spannende Geschichte in den Wirren des Bundeswehreinsatzes, die von Freundschaft und Verantwortung handelt. Gleichzeitig vermittelt Arne Jysch dem Leser eine wirklichkeitsgetreue Darstellung des Alltags in diesem fremden Land und was es für einen deutschen Soldaten heißt, dort Dienst zu tun. Das alles schafft er, ohne ideologisch oder belehrend zu sein. Es ist einfach nur - spannend.
Bild aus dem Comic Wave and Smile von Arne JyschBild: Carlsen Verlag

Arne Jysch wirkt etwas nervös. Er ist sich im Klaren darüber, dass ein Comic über ein so heikles Thema wie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan kontroverse Reaktionen auslösen kann. "Ich hatte immer die Frage im Hinterkopf: Darf man so etwas machen? Die Unsicherheit ist bis heute geblieben." Ob die Bedenken berechtigt sind, darüber werden die Leser urteilen, wenn der Comic Anfang Juli (02.07.2012) im Carlsen-Verlag erscheint.

Jysch selbst ist nie in Afghanistan gewesen. Den Bundeswehrdienst hat er 1993 verweigert. Auch heute, obwohl er inzwischen einen ganz anderen Blick auf die Bundeswehr hat, ist er sich noch sicherer: "Ich sehe mich überhaupt nicht in der Lage, mit solchen Situationen wie in Afghanistan fertig zu werden." Trotzdem fesselte ihn das Thema, nachdem er sich einmal darauf eingelassen hatte.

Informationen aus erster Hand

Bild: Carlsen Verlag

Zwei Jahre hat er recherchiert und an dem Buch gearbeitet. Unterstützung erhielt er dabei unter anderen von der Journalistin Julia Weigelt, die mehrmals in Afghanistan gewesen ist, von der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium. Überrascht war er vor allem von der positiven Reaktion der Bundeswehr. Unbürokratisch wurde ihm der Kontakt zu einem Oberstleutnant vermittelt. "Er hat mir geholfen, meine Geschichte detailreicher und realistischer zu gestalten und mir hunderte von Fotos zur Verfügung gestellt." Auf Authentizität legt Jysch großen Wert, vielleicht auch, um sich vor Kritik zu schützen und dem Vorwurf zu begegnen, er, der weder in Afghanistan noch bei der Bundeswehr gewesen ist, könne die Zusammenhänge nicht beurteilen. "Die Umgebung, die Atmosphäre, die Charaktere und die militärische Fachsprache waren wichtig, um das Erfundene realistisch wirken zu lassen."

Trotz seiner Bemühungen um größtmöglichen Realismus hat sich Jysch für eine fiktive Geschichte aus deutscher Perspektive entschieden. "Der Vorteil von erfundenen Geschichten ist, dass man viele verschiedene Erlebnisse von verschiedenen realen Personen in einer Geschichte zusammenführen und kombinieren kann", sagt Jysch. Tatsächlich deckt die Geschichte viele Aspekte des Afghanistaneinsatzes ab.

Handlung wie im Action-Film

Die Fotojournalistin Anni begleitet einen Einsatz der Bundeswehr in der nördlichen Afghanistan-Provinz Baglan. Auf dem Rückweg wird der Hubschrauber der Gruppe angegriffen und zur Landung gezwungen. Die Soldaten schlagen sich bis zu einem Dorf durch, wo es zu einem Gefecht mit Aufständischen kommt. In der unübersichtlichen Situation wird einer der Soldaten entführt. Im zweiten Teil der Geschichte kehrt der befehlshabende Offizier nach Afghanistan zurück und macht sich auf die Suche nach dem Entführten.

Zwei Kulturen stoßen am Hindukusch aufeinander.Bild: Carlsen Verlag

Die Einstiegsszenen in den Comic bieten Action und bestätigen Befürchtungen, wie sie Waslat Hasrat-Nazimi, gebürtige Afghanin und Journalistin der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle, hatte. "Vor dem Lesen war ich schon sehr voreingenommen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein so großes und komplexes Thema wie Afghanistan in einen Comic gepresst werden kann. Zu Beginn habe ich gedacht: 'Das ist ja typisch. Das hört man immer und überall.' Im weiteren Verlauf habe ich dann aber gedacht: 'Es ist eigentlich ganz gut gemacht.'"

Kritisch und pessimistisch

Hasrat-Nazimi ist der Ansicht, dass Afghanistan und die Afghanen sehr gut dargestellt wurden. "Der Leser bekommt einen guten Überblick von der Situation in Afghanistan." Auch die Darstellung der Geschichte als Comic findet sie nicht problematisch. "Gerade weil es ein Comic ist, wirken die Figuren lebhafter und authentischer als es zum Beispiel ein Film sein könnte."

Dass der Rettungsversuch des entführten Kameraden unglaubwürdig ist, stört sie nicht. "Ich finde aber, dass der Comic zu kritisch ist. Man hätte das vielleicht noch ein bisschen mehr ausbalancieren können." Denn der Leser würde zum Gegner des Afghanistaneinsatzes. Nach dem Motto: Alles, was da gemacht wird, bringt sowieso nichts.

Comic als Infotainment

Im Fazit bezeichnet sie den Comic als Infotainment und meint das durchaus positiv. "Ich kann mir vorstellen, dass der Comic für jemanden, der sich nicht mit Afghanistan auskennt und Afghanistan bzw. den Bundeswehreinsatz nur aus den Nachrichten kennt, sicherlich interessant und auch tiefergehend ist."

Arne JyschBild: privat

Diese Hoffnung hat auch Jysch. "Ich wollte, dass mehr über den Einsatz gesprochen wird, dass die Menschen einfach ein bisschen mehr über die konkreten Probleme wissen wie zum Beispiel die Konfrontation mit der Stammesgesellschaft." Ein Happy End hält Jysch nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Einsatz in Afghanistan allerdings für wenig wahrscheinlich. "Es gibt diese absurden Situationen, wenn unsere durchorganisierte auf diese chaotische Welt trifft. Das sind zwei Gegensätze, die, nach meiner Einschätzung, überhaupt nicht zusammenkommen können."

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