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PolitikAsien

Afghanistan: Ratlosigkeit nach Verbot von Mohnanbau

4. Dezember 2024

Seit 2022 ist der Anbau von Schlafmohn in Afghanistan nicht gestattet. Das Verbot hat allerdings verheerende Folgen für die Bevölkerung. Die Taliban haben keine Alternative für die Bauern.

Ein Mann schlägt mit einem Knüppel auf Mohnpflanzen
Die Taliban zerstören die MohnfelderBild: Oriane Zerah/picture alliance/abaca

Mehr als 100 Menschen wurden im Nordosten Afghanistans festgenommen, weil sie Schlafmohn angebaut haben sollen, teilten die regierenden Taliban diese Woche mit. Die Festnahmen wurden in einer Region durchgeführt, die sich zuvor einem Ernteverbot durch die Machthaber widersetzt hatte.

Schon 2022 verboten die Taliban auf Befehl ihres obersten Führers Hibatullah Akhundzada den Mohnanbau in ganz Afghanistan. Aus Schlafmohn wird Opium hergestellt, das wiederum Grundprodukt für die harten Drogen Heroin und Morphium ist. Afghanistan war bis 2022 das Land mit der größten Anbaufläche der Welt.

Das Verbot führte 2023 zu einem Rückgang der Mohnernten um 95 Prozent. Das hat die Bauern finanziell hart getroffen. Nach Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung ist das Einkommen der Bauern durch Opiumverkauf von geschätzten 1,36 Milliarden  2022 auf 110 Millionen US-Dollar 2023 gesunken.

​​Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in Afghanistan sind von der Landwirtschaft abhängigBild: Javed Tanveer/AFP

Asadollah, ein Bauer aus Südafghanistan, kämpft nun ums Überleben. Nach 20 Jahren durfte er kein Opium mehr anbauen. Die Taliban haben das Verbot ohne Vorwarnung durchgesetzt und hatten keine Alternative im Angebot.

"Unsere Felder sind nicht mehr wie früher fruchtbar", sagt Asadollah, "selbst wenn der Opiumanbau im Koran verboten gewesen wäre, hätte er uns am Leben gehalten und vor Hungersnot gerettet. Wir verdienen momentan nur noch einen Bruchteil von dem, was wir mit dem Opiumanbau verdient hatten."

Suche nach Ersatz

In Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, arbeiten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Im Vergleich zu anderen Feldfrüchten war der Opiumanbau, selbst während der Dürreperiode, deutlich ertragreicher und stellte für viele Bauern eine sichere Einnahmequelle dar. Davon profitierten auch viele sozial Schwache wie Arbeitslose und  die Frauen in ländlichen Regionen. 

Nun haben die Gruppierungen ihre Verdienstmöglichkeiten verloren. Angesichts der Trockenheit und der schwierigen klimatischen Bedingungen in Afghanistan gibt es nicht viele andere wirtschaftlich rentable und umweltverträgliche Optionen für sie.

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02:03

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Andere Bauern versuchen, auf Getreide oder Hülsen umzusteigen. Hazratali, Bauer aus Südafghanistan, sieht dabei große Herausforderungen. "Der Wasserverbrauch ist viel zu hoch. Die Gefahr durch Schädlinge steigt. Und der Arbeitsaufwand ist enorm. Der Anbau von Opium war wesentlich einfacher und ertragreicher gewesen."

"Die Taliban haben bislang keinen Plan für die Bauern vorgelegt, die die Felder nun nicht für Schlafmohn bewirtschaften dürfen", sagt Zalmai Afzali, der ehemalige Sprecher des afghanischen Ministeriums für Drogenbekämpfung im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Allerdings hatte vor der Machtübernahme durch die Taliban 2021 die Regierung Afghanistans keinen richtigen Erfolg bei der Bekämpfung des Mohnanbaus. "Das hatte zwei Hauptgründe", rechtfertigt Afzali. "Erstens wurden alle Strategien außerhalb Afghanistans entwickelt und funktionierten vor Ort nicht wie geplant. Zweitens konnten wir diese Pläne aus Sicherheitsgründen und aufgrund der Anschläge der Taliban nicht umsetzen."

Mohnanbau erneut angestiegen

Als Terrormiliz finanzierten sich die Taliban durch Drogengeschäfte. Bis zu ihrer Machtübernahme stammten laut Experten bis zu 60 Prozent ihrer Jahreseinnahmen aus dem Anbau und Handel mit Drogen.

Die Taliban hatten während ihrer ersten Regierungszeit zwischen 1996 und 2001 schon einmal die Opiumproduktion drastisch reduziert. Mit ihrem Schlafmohnverbot jetzt verloren sie allerdings viel Sympathie unter den Bauern in den ländlichen Gebieten.

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Schlafmohn sei aus religiösen Gründen verboten, sagen nun die Taliban. Sie würden auf den Befehl ihres obersten Führers Hibatullah Akhundzada hin, die Opiumproduktion auf null reduzieren, betont der stellvertretende Minister für Drogenbekämpfung im Innenministerium, Abdul Haq Akhund Hamkar, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

"Für die Bauern brauchen wir die internationale Unterstützung. Wir stehen unter Sanktionen. Die Bevölkerung leidet unter der Armut. Und es gibt viele Drogenabhängige. Wir wollen mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten."

Im November meldete das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), dass der Opiumanbau in Afghanistan 2024 im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich um 19 Prozent steigen würde. Die Anbaufläche wäre 12.800 Hektar. Das entspricht etwa 18000 Fußballfeldern.

Mitarbeit: Reza Shirmohammadi

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