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Politik

Afghanistan bekommt 15,2 Milliarden Dollar

6. Oktober 2016

Die Hilfe zum Aufbau Afghanistans für die nächsten vier Jahre ist gesichert. Die Regierung verspricht mehr Eigenleistung und die Rücknahme von Migranten. Von der Geberkonferenz in Brüssel berichtet Bernd Riegert.

Afghanistan Konferenz in Brüssel Ghani und Mogherini
Präsident Ghani (li.), EU-Außenbeauftragte Mogherini: Das Geld ist daBild: Reuters/F. Lenoir

Am Ende eines langen Konferenztages konnte der EU-Entwicklungshilfe-Kommissar Neven Mimica verkünden, dass 15,2 Milliarden US-Dollar an Hilfszusagen für Afghanistan zusammengekommen sind. Zahlbar in den nächsten vier Jahren. Das Geld kommt vor allem von den USA und den Mitgliedsstaaten der EU, die jeweils rund vier Milliarden Dollar beisteuern werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini überschlug sich geradezu mit Lob für die afghanische Einheitsregierung und mit Eigenlob für sich selbst. "Wir haben ein ganz außerordentliches Niveau an Hilfszusagen erreicht." Es gehe aber nicht nur ums Geld, sondern auch um das politische Signal, so Mogherini. Die wichtigste Botschaft der Geberkonferenz von Brüssel lautet nach Ansicht der EU-Außenbeauftragten: "Wir werden sie auf jedem Schritt ihres Weges begleiten, auch wenn es Schwierigkeiten geben wird."

Vor dem Konferenzgebäude: Afghanen protestieren gegen Korruption in ihrer HeimatBild: DW/M. Arif Farahmand

Verantwortung auch in Kabul

Der angesprochene Regierungschef, der sich in Afghanistan Geschäftsführer nennt, Abdallah Abdallah, dankte für die Hilfe und sagte: "Wir befinden uns auf einer langen Reise, die auch nach 15 Jahren noch nicht zu Ende ist, sondern die sich jetzt ihrer entscheidenden Phase nähert." Der afghanische Präsident Ashraf Ghani fügte in einer anschließenden Pressekonferenz hinzu, es sei nicht nur die Verantwortung der Spender, Afghanistan 15 Jahre nach dem Einmarsch der ersten US-Truppen beim Staatsaufbau zu helfen. Die Afghanen hätten auch eine Verantwortung, das Beste aus der Hilfe zu machen. Abdallah und Ghani, die zwar politische Gegner sind, aber trotzdem in einer nationalen Einheitsregierung zusammenarbeiten müssen, versprachen, Geld nicht nur auszugeben, sondern auch zu kontrollieren, was damit tatsächlich passiert.

Korruption bekämpfen

Eines der größten Probleme beim Aufbau Afghanistans ist - und da waren sich alle Seiten einig - die überaus verbreitete Korruption. Afghanistan ist mit seinen Clan-Strukturen und einer schwachen Verwaltung einer der korruptesten Staaten der Erde, gibt die Lobby-Gruppe "Transparency International" an. Bislang haben die 70 Staaten, die sich in Brüssel getroffen haben, rund 113 Milliarden US-Dollar in Afghanistan investiert. Der größte Teil des Geldes wird für die Ausbildung und Bezahlung afghanischer Sicherheitstruppen und Polizisten verwendet. Die EU-Außenbeauftragte appellierte an die Nachbarstaaten Afghanistans, den Aufbau zu unterstützen. Die gesamte Region werde gebraucht. Bislang operieren Taliban-Terrorgruppen in Afghanistan auch von Pakistan aus, wo sie nach wie vor Unterstützer finden. Hilfsorganisationen, die bei der Brüsseler Geberkonferenz ebenfalls vertreten waren, sehen kleine Fortschritte bei der Entwicklung Afghanistans, allerdings sei die Sicherheitslage in dem Land nach wie vor schlecht. Präsident Ghani räumte ein: "Wir müssen Kriminalität, Korruption und Armut bekämpfen, sonst verdienen wir die Hilfe nicht."

Einflusszonen der Terroristen in Afghanistan: Taliban (rot), "Islamischer Staat" (blau)

In der Pressekonferenz nach der Geberversammlung warf ein afghanischer Journalist dem Präsidenten vor, er unterdrücke die Opposition und lasse Kritiker verhaften. Ghani wies die Vorwürfe zurück. Er sei Demokrat wie die Journalisten und bevorzuge auch keine Region oder Volksgruppe Afghanistans. "Unsere Toleranz ist groß", versicherte Präsident Ghani.

Rückführung von Migranten

Der Regierungs-Geschäftsführer Abdallah Abdallah warb um Verständnis dafür, dass viele seiner Landsleute in den letzten Jahren das Land Richtung Europa verlassen haben. Sie flöhen vor wirtschaftlichem Niedergang und Korruption, so Abdallah Abdallah: "Nimmt man noch die Sicherheitslage und die Bedrohung durch Terrorismus dazu, dann weiß man, warum viele Afghanen gezwungen waren zu gehen. Wir wollen unseren gut gebildeten jungen Leuten jetzt bessere Chancen bieten." Mit Blick auf Bedingungen zur Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern aus Europa versprach der Regierungschef "faire" Wiedereingliederungsprogramme. "Wir brauchen aber eine vernünftige Planung, um die Migration zu steuern."

Gestrandete Flüchtlinge werden Opfer von Menschenschmugglern

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Die Rückkehrer aus der EU sind wohl auch das kleinere Problem für Afghanistan. Präsident Ghani schilderte, dass täglich Tausende Flüchtlinge aus Pakistan und dem Iran zurückkehrten. Die wurden dort bislang geduldet, werden jetzt aber zurückgeschickt. Die Johanniter-Hilfsorganisation in Afghanistan fordert für diese Rückkehrer mehr Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. Ansonsten könnten die wenigen sozialen Erfolge im Land schon bald wieder bedroht sein. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini wollte sich mit den Fragen zu Asylbewerbern und Rückkehrern nicht lange abgeben. "Das war nicht Thema dieser Konferenz". Man habe ja nicht ohne Grund das Rückführungsabkommen mit Afghanistan schon einige Tage zuvor unterschrieben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte die afghanische Seite auf, die Rückführung auch tatsächlich umzusetzen. Die Hilfe sei nicht "bedingungslos".

"Hier und heute", so beschreiben EU-Diplomaten die Stimmung im Verhandlungssaal, "ging es nur ums Geld." Die erwartete Summe sei zusammengekommen. Deshalb seien alle glücklich. "Von Spender-Müdigkeit oder Afghanistan-Verdrossenheit ist hier keine Spur", so Mogherini.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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