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PolitikAsien

Verheerende Wirkung des Frauenarbeitsverbots

25. Januar 2023

Seit der Machtübernahme der Taliban dürfen Tausende Frauen in Afghanistan nicht mehr arbeiten. Und wer von ihnen noch arbeiten darf, fürchtet täglich den Verlust des Einkommens.

Frauen in Burkas tragen Kinder auf verschneiter Straße in Kabul
Frauen in Burkas tragen Kinder auf verschneiter Straße in KabulBild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Die Lage für die Menschen in Afghanistan sei "mehr als katastrophal", sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zu Beginn des EU-Außenministertreffens in Brüssel Anfang der Woche. Es sei "brutal zu sehen", dass die Taliban mit ihrer aktuellen Entscheidung Millionen Menschen von Hilfe abschnitten. Damit bezieht sie sich eine Entscheidung der radikal-islamischen Taliban vom Dezember: Demnach haben alle Hilfsorganisationen im Land ihren weiblichen Mitarbeiterinnen zu untersagen, weiterhin zur Arbeit zu kommen. Die Anordnung gilt sowohl für in- als auch für ausländische Nichtregierungsorganisationen. 

Einige Mitarbeiterinnen hätten sich nicht an die Auslegung der islamischen Kleiderordnung für Frauen gehalten, so die Begründung. Wer weiterhin weibliche Angestellte beschäftigt, verliert seine Lizenz. Mit Blick auf dieses Arbeitsverbot für Frauen, so Baerbock, kämen auch deutsche Hilfsgüter nicht mehr an. Die deutsche Außenministerin rief die Führung in Kabul auf, Frauen und Mädchen den Zugang zu Berufstätigkeit, Schule und Universität offenzuhalten.

Wie viel - oder besser wie wenig - die Taliban von solchen Forderungen und von Rechtsstaatlichkeit halten, zeigt ein UN-Bericht: Demnach haben sie seit ihrer Machtübernahme vor anderthalb Jahren über 250 Richterinnen und Hunderte weitere Rechtsanwältinnen und Staatsanwältinnen aus dem Dienst entfernt. Zuständige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen sprachen am 20. Januar in Genf von einem "Kollaps der Rechtsstaatlichkeit" in Afghanistan. Die Rechtsprechung liegt nun in der Hand von Taliban mit einfacher religiöser Bildung.

Unsicherheit bei Kleinbetrieben in Frauenhand 

"Ich mache mir Tag und Nacht Sorgen, dass unsere Firma auch geschlossen wird", sagt die Unternehmerin Latifah Akbari im Gespräch mit der DW. Akbari hat eine kleine Lebensmittelproduktionsfirma namens "Hariva" in der Provinz Herat.

In der ​​​​Lebensmittelproduktionsfirma "Hariva" arbeiten 48 Frauen Bild: Akbari

Auberginenpaste, Marmelade, Essiggurken und getrocknetes Gemüse gehören zur Produktpalette. "Momentan sind insgesamt 48 Frauen in der Firma tätig, in Voll- oder Teilzeit verdienen sie hier ihren Lebensunterhalt", sagt Akbari.

Eine der Frauen bei "Hariva" ist Fariba. Sie arbeitet in Teilzeit und ist froh, eine Einnahmequelle zu haben. Bis zur Machtübernahme der Taliban arbeitete sie als Friseurin, danach wurde sie arbeitslos. "Ich hatte Glück hier etwas zu finden, um Geld zu verdienen, auch wenn es nicht viel ist. Ich arbeite in der Herstellung von Marmelade und Tomatenmark und finanziere mit meinem Einkommen meine Familie." In der Provinz Herat sind 300 bis 350 Frauen in kleinen Unternehmen in verschiedenen Branchen tätig. Behnaz Salghoqi von der Industrie- und Handelskammer für Frauen in der Provinz Herat sagt im Gespräch mit der DW: "Nachdem die Universitäten für Frauen geschlossen  wurden, versuchten viele Studentinnen bei solchen von Frauen geführten Unternehmen in Herat eine Arbeit zu finden."

In diesen kleinen Unternehmen sind Frauen unter sich, oft ohne Kontakt mit fremden Männern. Die Industrie- und Handelskammer für Frauen ist weiterhin aktiv. Die Kammer in Herat wurde 2014 ins Leben gerufen, um Unternehmerinnen auf nationaler und internationaler Ebene zu unterstützen. Solche Firmen sollen die einheimische Wirtschaft stärken und das Land langfristig weniger abhängig von ausländischer Hilfe machen. Seit der Machtübernahme der Taliban liegt die Wirtschaft jedoch am Boden. Unternehmerinnen wie Akbari fürchten täglich den Verlust ihres Geschäfts. "Was sollen wir machen, wenn sie auch uns verbieten zu arbeiten?" Mehr als die Hälfte der 38 Millionen Einwohner Afghanistans haben keine gesicherte Lebensmittelversorgung,  drei Millionen Kinder sind von Mangelernährung bedroht.

Kältewelle vergrößert die Not

Seit Mitte Januar leidet das Land unter extremer Kälte. An manchen Orten wie in der zentralen Region Ghor wurden minus 33 Grad gemessen. In mehreren Provinzen im Zentrum und Norden des Landes blockiert massiver Schneefall die Straßen, wie in Online-Netzwerken verbreitete Bilder zeigten.

Seit Mitte Januar leidet Afghanistan unter extremer KälteBild: ABDUL BASIT/AFP

Mindestens 70 Menschen seien gestorben, teilte das Katastrophenschutzministerium in Kabul letzte Woche mit. Außerdem verendeten 70.000 Stück Vieh, eine wichtige Nahrungs- und Einnahmequelle für viele Menschen in Afghanistan. "Dieser Winter ist bei weitem der kälteste in den vergangenen Jahren", sagte der Chef des afghanischen Wetteramtes, Mohammed Nasim Muradi, der Nachrichtenagentur AFP. "Wir rechnen damit, dass die Kältewelle noch mindestens eine Woche anhält."

Hilfsorganisationen wie die Caritas wollen die Menschen unterstützen. Der Leiter der Organisation, Oliver Müller, sagt den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse: "Unsere Aufgabe ist es, notleidenden Menschen beizustehen. Unter diesen Bedingungen in Afghanistan können wir aber nicht weiterarbeiten." Seit dem Arbeitsverbot für weibliche Angestellte haben viele Hilfswerke ihre Projekte in Afghanistan ganz oder teilweise eingestellt.

Durch das Berufsverbot könne die Caritas notleidende Frauen nicht länger direkt erreichen, weil es in Afghanistan nicht erlaubt sei, dass ein fremder Mann mit einer Frau spricht. "Das Berufsverbot trifft den Nerv der humanitären Hilfe", sagte Müller. Momentan könne seine Organisation lediglich Lebensmittel an die von Männern besetzten Ortschaftsräte geben. "Das ist nicht akzeptabel. Wir können nicht sicherstellen, dass die Hilfe wirklich ankommt." Die Politik müsse den Druck auf die Taliban erhöhen.

Inzwischen hieß es zwar von den Vereinten Nationen, dass die Taliban das Arbeitsverbot für Frauen bei Hilfsorganisationen lockern würden. Aufgehoben wird das Verbot jedoch nicht.

Mitarbeit: Shoaib Tanha

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