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Boxerin Sadia Bromand: Frauen sind Kämpferinnen

23. April 2025

Sadia Bromand ist vor sechs Jahren aus Afghanistan geflohen. Seit der Machtübernahme durch die Taliban setzt sich die erfolgreiche Sportlerin für alle Frauen in ihrer Heimat ein und kämpft in und neben dem Boxring.

Sadia Bromand aus Afghanistan in Boxpose
Boxerin Sadia Bromand kam 2019 nach Europa um zu Boxen - die Bedrohung in Afghanistan war zu großBild: Thomas Klein/DW

"Die größte Herausforderung für eine Frau in Afghanistan ist es, eine Frau zu sein", sagt die afghanische Boxerin Sadia Bromand im DW-Interview und ergänzt: "Und wenn man sich entscheidet, seine Träume zu verfolgen, beginnt ein großer und langer Kampf." Die 29-Jährige hat diesen Kampf angenommen und bereits als kleines Kind davon geträumt, eine erfolgreiche Sportlerin zu werden und ihr Land in der Welt zu vertreten.

Erste Gehversuche in der Sportwelt machte Bromand als Läuferin, bevor sie aber schnell den Boxsport für sich entdeckte. "Als ich in der Schule mit dem Sport begann, hatte mein Vater keine Einwände, er hat mich sogar ermutigt", erinnert sie sich.

"Als ich aber in die Nationalmannschaft aufgenommen wurde und zu Wettkämpfen ins Ausland reisen sollte, während ich noch minderjährig war, war mein Vater nicht einverstanden." Doch die junge Athletin überzeugte ihre Familie, die sie in ihrem Sport weiter unterstützte.

Kein freies Leben in Afghanistan möglich

Boxerinnen waren in Afghanistan bereits vor der erneuten Machtübernahme durch die Taliban 2021 eher eine Seltenheit und wurden von großen Teilen der Gesellschaft kritisch gesehen.

Bromand widersetzte sich diesen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen jedoch. Sie fuhr mit dem Fahrrad zur Schule, machte Sport und arbeitete nach ihrer Schule parallel als Journalistin für einen von Frauen betriebenen Fernsehsender.

Boxerin Sadia Bromand (Foto) ist eine bekannte Sportlerin in Afghanistan, die sich für Frauen in ihrer Heimat einsetztBild: privat

Mit ihrem Bekanntheitsgrad in Afghanistan wuchsen auch die Sorgen ihrer Familie. Denn Bromand wurde zum Vorbild für viele Frauen ihres Landes, prangerte immer wieder Missstände an und rebellierte gegen die vorherrschenden gesellschaftlichen Normen ihrer Heimat. Besonders der damaligen Taliban-Bewegung, die seit 2003 zunehmend wieder an Macht gewonnen hatte, waren Frauen wie Bromand ein Dorn im Auge.

"Sie [die Taliban] waren schon immer gegen das Engagement von Frauen im Sport. Sie waren schon immer gegen den Fortschritt der Frauen", sagt die Boxerin der DW. "Deshalb hat meine Familie mich davor gewarnt, über diese Themen zu sprechen. Sie befürchteten, dass sie mir schaden könnten."

"Geschlechter-Apartheid" in Afghanistan

Bromand fürchtete sogar um ihr Leben und verließ 2019 Afghanistan in Richtung Europa, wo sie ihren Traum weiterverfolgen konnte - weit entfernt von ihrer Heimat. Sie habe sich danach gesehnt, so schnell wie möglich wieder zurück in ihr Geburtsland gehen zu können. "Ich wollte mit den Mädchen Sport treiben, sie inspirieren und meine Erfahrungen mit ihnen teilen."

Frauen haben seit der Machtübernahme durch die Taliban 2021 fast keine Rechte mehrBild: Sanaullah Seiam/AFP via Getty Images

Doch der Machtwechsel vor fast vier Jahren ändert alles. Denn die von keinem Staat anerkannten Behörden der Taliban setzen seit 2021 eine strenge Auslegung des islamischen Rechts durch.

Frauen tragen dabei seitdem die Hauptlast der Einschränkungen. Ihnen wird gemäß Gesetz seit November 2022 sogar der Zutritt zu Fitnessstudios und Parks verwehrt, weil sie sich sonst nicht an die Kleiderordnung halten würden, die ihnen vorschreibt, sich zu verschleiern.

"Die Taliban sehen es nicht gerne, wenn Frauen in irgendeinem Aspekt des Lebens Fortschritte machen", erklärt Bromand. "Es ist schwer für sie, aber ich sage immer: 'Nein! Ich werde für mein Land und die Mädchen kämpfen.'" Die Vereinten Nationen bezeichnen die aktuelle Situation für Frauen in Afghanistan als "Geschlechter-Apartheid". Und für Bromand gibt es seitdem keinen Weg zurück in ihr Heimatland.

Afghanische Frauen können Medaillen gewinnen

In Berlin arbeitet sie nun weiter an ihrer Box-Karriere und ist sehr stolz darauf, Afghanistan bei internationalen Wettbewerben vertreten zu können. "Als ich für die afghanische Nationalmannschaft geboxt habe, hatten wir unser eigenes Team", erinnert sie sich. "Wenn ich jetzt an Wettkämpfen teilnehme, gehe ich immer allein. Es gibt kein Team hinter mir, nicht einmal einen Trainer."

Bromand ließ sich trotz vieler Hindernisse nicht unterkriegen und sorgte vor zwei Jahren international für Aufsehen, als sie die Silbermedaille beim "Olympic-Dreamer-Turnier" in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, gewinnen konnte.

Wenige Wochen später ging die Sportlerin als einzige afghanische Boxerin bei der IBA Frauen-Weltmeisterschaft in Neu-Delhi in Indien an den Start. "Ich nehme an vielen Wettbewerben teil und beweise der Welt, dass die afghanischen Mädchen das Talent haben, an internationalen Wettbewerben teilzunehmen und Medaillen für ihr Land zu gewinnen", sagt Bromand stolz.

Bromand hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben

Durch ihre Teilnahmen und Erfolge will sie für mehr Aufmerksamkeit afghanischer Frauen sorgen. Es habe ihr immer im Blut gelegen die Frau zu sein, die beweisen kann, dass auch afghanische Mädchen Talent und Fähigkeiten haben.

"Sie sind Kämpferinnen und wenn man ihnen eine Chance gibt, können sie in jedem Bereich erfolgreich sein - nicht nur im Sport", sagt Bromand. "Deshalb glaube ich, dass es in meiner Verantwortung liegt, etwas für Afghanistan zu erreichen.

Sadia Bromand kämpft mit sportlichen Erfolgen für mehr Aufmerksamkeit für Frauen in AfghanistanBild: privat

Die Boxerin möchte allen Frauen in ihrer Heimat Mut zu sprechen - auch wenn sie das gerade nur aus der Ferne machen kann. "Über die sozialen Medien möchte ich sie motivieren und ihnen sagen, dass sie weitermachen sollen", sagt Bromand und wagt einen Blick in die Zukunft.

"Diese Situation wird nicht ewig andauern. Die Taliban werden wieder fallen. Ich hoffe, dass Afghanistan eines Tages wieder friedlich sein wird und dass Mädchen studieren, Sport treiben und sich in jedem Bereich, den sie wählen, auszeichnen können. Genau wie in den anderen Ländern, wo Frauen das Recht auf Bildung, Sport und alles andere haben."

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