Afghanistans Wirtschaft im Wartestand
27. Juni 2014Die Euphorie, die die afghanische Präsidentschaftswahl vor allem beim ersten Wahlgang Anfang April begleitet hatte, ist inzwischen verflogen. Der Boykott des Kandidaten Abdullah Abdullah nach der Stichwahl wegen angeblicher massiver Wahlfälschungen droht die geordnete Machtübergabe von Hamid Karsai auf seinen Nachfolger zu verhindern. Am Freitag (27.06.2014) führte Abdullah eine Demonstration in Kabul mit mehreren Tausend Teilnehmern an, zu hören waren laut Nachrichtenagenturen Rufe wie "Tod für Ashraf Ghani" (Abdullahs Gegenkandidat) und "Tod der Wahlkommission."
Viele Afghanen hatten sich von der Präsidentschaftswahl nicht nur einen politischen Neuanfang erhofft, sondern auch wirtschaftlichen Aufschwung aus eigener Kraft, damit sich das Land langfristig aus der Abhängigkeit von den internationalen Gebern befreien kann. Danach sieht es zurzeit nicht aus.
Kein Umsatz im Basar
Assadullah, Händler in einem Basar in der Hauptstadt Kabul, hat seit Wochen kaum Umsatz gemacht. "Keiner arbeitet, weder Fabriken noch Unternehmen. Ein Wassertank kostet nur 300 Afghani. Aber wenn du einem Blechmacher sagst, er soll dir einen machen, sagt der, 'Warte bis die Wahlen vorbei sind, dann kaufe ich wieder Material'", berichtet Assadullah der Deutschen Welle.
In anderen Teilen des Landes sieht es ähnlich aus. Rafiullah ist ein Unternehmer aus der nördlichen Stadt Masar-i Scharif. Er ist nach Kabul gekommen, weil ihm die Investoren für sein Hotel abgesprungen sind. "Wegen der Wahl hat sich der Arbeitsmarkt total verschlechtert. Wir konnten die Miete für das Hotelgebäude nicht mehr aufbringen und haben uns verschuldet“. Der junge Mann versucht jetzt sein Glück in der Hauptstadt, doch auch hier ist es nicht besser. "Alle sind arbeitslos, niemand kauft etwas", sagt Yusufgul, der aus der östlichen Provinz Paktia nach Kabul gekommen ist. Der Händler hat seit Wochen kein Geld eingenommen: "Die Leute sparen und sorgen sich darum, was jetzt nach den Wahlen geschehen wird."
Lähmendes Warten auf politische Entscheidung
Wer macht das Rennen, Abdullah oder Ghani? Das ist die wichtigste Frage in diesen Tagen. Entscheidungen über Investitionen und Anschaffungen werden auf später verschoben. Reza Farzam, Professor für Wirtschaft Universität Kabul, sagt gegenüber der DW: "Je länger dieser Wahlprozess andauert und Konflikte geschürt werden, desto schädlicher sind die Auswirkungen auf die afghanische Wirtschaft."
Neben der ungewissen Wahl beunruhigt die Afghanen vor allem auch der Abzug der internationalen Truppen aus dem Land. Farzam zufolge sind in den vergangenen Monaten Millionen US-Dollar aus dem Land geschafft worden, Afghanen mit entsprechenden Kenntnissen und Mitteln würden ihre Zukunft im Ausland suchen. Der Experte hofft, dass diese Abwanderung nach dem fälligen Machtwechsel wieder zurückgeht.
Afghanistan verabschiedete vor ein paar Tagen in letzter Minute ein Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche. Die internationale Aufsichtsbehörde Financial Action Task Force (FATF) hatte dem Land gedroht, es auf die schwarze Liste der Länder zu setzen, mit denen keine Bankgeschäfte gemacht werden sollen. Nur wenige Stunden vor Ablauf der Frist unterschrieb Präsident Karsai das Dekret. Es war zu Verzögerungen gekommen, weil das afghanische Parlament sich zunächst nicht einig wurde. Man vergesse über den Wahlen und der Machtübergabe, dass auch die wirtschaftliche Zukunft des Landes auf dem Spiel steht, kritisiert der Verkäufer Assadullah. "Die Hälfte der Politiker ist für Ashraf Ghani, die andere für Abdullah Abdullah. Das Land stürzt in eine Krise und keinen kümmert's."