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Politik

Schröpft China Afrika mit seinen Krediten?

4. Juni 2021

Zur Rolle Chinas als Investor und Geldgeber auf dem afrikanischen Kontinent kursieren viele Mythen und Geschichten. Wir haben die Wichtigsten geprüft.

Menschen halten kleine chinesische und senegalesische Fahnen
Empfangskomitee: 2018 wurde Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch von diesen Senegalesen freudig begrüßtBild: Getty Images/AFP/Seyllou

Eines ist unbestreitbar: Ohne Chinas Projekte, Investitionen und Kredite sähe Afrika heute an vielen Orten ganz anders aus. In fast allen Ländern Subsahara-Afrikas - einzige Ausnahme: eSwatini - ist die Volksrepublik mit ihren Staatskonzernen direkt involviert und finanziert große Infrastruktur-Vorhaben. Zu welchen Konditionen das passiert, darüber ranken sich einige Mythen.

Mythos 1: Verschafft sich China Zugriff auf Infrastruktur, wenn Schuldner nicht zahlen können?

Im März sah sich die kenianische Regierung zu einer Klarstellung genötigt: Selbst, wenn das Land den Kredit über umgerechnet 3,2 Milliarden US-Dollar nicht rechtzeitig würde zurückzahlen können, werde der wirtschaftlich sehr wichtige Hafen von Mombasa nicht an China fallen. 

Mit dem Geld war die Bahnstrecke zwischen Mombasa und der Hauptstadt Nairobi gebaut worden. Aus unterschiedlichen Gründen werden jedoch weniger Güter auf die Schiene gesetzt als erwartet - und die geringeren Einnahmen gefährden den Rückzahlungsplan, erst recht seit Beginn der Corona-Pandemie.

In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name Hambantota - ein mit chinesischen Krediten gebauter Frachthafen in Sri Lanka: Als die Regierung 2016 in Geldnöten war, verpachtete sie den Hafen für 99 Jahre an die China Merchants Group. Hambantota galt daraufhin als Präzedenzfall für eine chinesische Schuldenfalle - diese Darstellung ist inzwischen jedoch widerlegt.

China finanzierte den Bau der neuen Eisenbahnlinie zwischen Nairobi und MombasaBild: Tony Karumba/AFP

"Alle mir bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass es kein Beispiel für eine solche Schuldenfalle gibt, auch nicht in Sri Lanka", sagt Cobus van Staden, der sich am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA) mit dem Verhältnis zwischen China und afrikanischen Staaten beschäftigt. "Es ist nicht so, dass China eingreift und jemandes Flughafen in Beschlag nimmt. Das passiert einfach nicht - weder in Afrika noch sonst irgendwo." 

In den 2000er-Jahren wurden einige Kredite mit Rohstoffen abgesichert, zum Beispiel mit angolanischem Öl. Zu einer Beschlagnahmung kam es nie. Rohstoffe spielten inzwischen als Absicherung jedoch keine Rolle mehr, sagt van Staden, auch weil China inzwischen mehr Rohstoffe aus anderen Erdteilen beziehe.

Mythos 1 ist falsch.

Mythos 2: Ist China unnachgiebiger als andere Geldgeber?

Derzeit stehen drei afrikanische Staaten infolge der Corona-bedingten Wirtschaftskrise in Umschuldungsverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds: Sambia, Tschad und Äthiopien. In Sambia ist das Problem besonders dringend, weil das Land im November zahlungsunfähig wurde. Die Pleite war unabwendbar geworden, weil Zahlungen für Eurobonds in Höhe von drei Milliarden US-Dollar fällig wurden - und keine Einigung mit den Gläubigern zustande gekommen war. Die chinesische Entwicklungsbank CDB hingegen hatte Sambia kurz vorher noch einen Aufschub gewährt.

Die Eurobond-Seite sei viel häufiger das Problem, sagt Cobus van Staden. "Tatsächlich gibt es mehr Präzedenzfälle, in denen Eurobond-Geldgeber Regierungen verklagt haben, um staatliche Vermögenswerte einzufordern, als von chinesischer Seite", sagt van Staden.

Kevin Acker von der China-Africa Research Initiative (CARI) der Washingtoner Johns-Hopkins-Universität sieht sogar gute Gründe für eine vergleichsweise milde Behandlung durch China: "Eine der wichtigsten Triebkräfte für chinesische Darlehen an afrikanische Länder ist, sich als Entwicklungspartner zu etablieren und politische Gefälligkeit aufzubauen. Diese Gefälligkeit schlägt sich darin nieder, China anzuerkennen und nicht Taiwan. Es geht auch darum, Chinas Initiativen auf multilateraler Ebene wie in der UN mitzutragen."

Mythos 2 ist falsch.

Mythos 3: Müssen sich afrikanische Länder an Geheimklauseln mit China halten?

Im März veröffentlichten deutsche und US-amerikanische Forschende eine Studie über chinesische Darlehen mit dem Untertitel: "Ein seltener Einblick in 100 Kreditverträge mit ausländischen Regierungen." Unter anderem wird darin belegt, dass China in jüngerer Vergangenheit verstärkt auf Geheimklauseln bestanden hat - oder sogar darauf, die bloße Existenz des Deals abzustreiten.

"Der Grund, warum China auf Geheimhaltung besteht, liegt einfach darin, dass China Geheimhaltung gewöhnt ist", sagt Cobus van Staden. "Es ist kein Land, das besonders offen mit solchen Dingen umgeht, oder in dessen System Transparenz verankert ist." Der sogenannte Paris Club, die gemeinsame Umschuldungs-Plattform westlicher Staaten, verpflichte sich zu Transparenz - einige bilaterale Verträge mit dessen Mitgliedern seien jedoch ebenfalls sehr intransparent, findet der Experte.

Experten fordern afrikanische Staatschefs auf, für mehr Transparenz zu sorgenBild: Reuters/J. MacDougall

Afrikanische Länder könnten jedoch einfach die Spielregeln ändern, indem sie sich selbst Transparenz bei Kreditverträgen auferlegen, schlägt Cobus van Staden vor. Kevin Acker sieht es ähnlich: "Wenn diese Geheimklauseln existieren, sind sie nur so mächtig, wie das nationale Recht sie werden lässt. Wenn die Gesetze eines Landes die Offenlegung der Einigungen vorschreiben, bricht die Veröffentlichung nicht die Klausel selbst." Als Positivbeispiel nennt er Kamerun, das eine exzellente Datenbank all seiner Kreditverträge mit China habe.

Mythos 3 ist teilweise korrekt.

Mythos 4: Hat COVID-19 arme afrikanische Länder noch tiefer in die Abhängigkeit von China getrieben?

Chinas Wirtschaft ist bereits nach der ersten Corona-Welle vor einem Jahr wieder rasch zum Regelbetrieb übergegangen, während andere Länder wesentlich länger darum bemüht waren oder noch sind, Infektionen einzudämmen. Das hat Chinas Außenhandel, auch auf afrikanischen Märkten, einen gewissen Vorteil verschafft - allerdings leitet sich daraus noch keine weitere Kredit-Abhängigkeit ab. Im Gegenteil: Bereits 2019, also vor Corona, gewährte die Volksrepublik in Afrika laut CARI-Daten nur noch 36 neue Darlehen und damit deutlich weniger als in den Vorjahren.

China könnte künftig weniger Infrastrukturprojekte fördernBild: AFP via Getty Images

"Die Zeiten, in denen China in risikoreichen Staaten mit geringen Einkommen Großprojekte einfach finanziert hat, sind langsam vorbei - und gerade ist so etwas ganz sicher ausgesetzt", sagt Kevin Acker. Auch für die Banken der Volksrepublik werde es zum Problem, wenn Staaten ihre Kredite nicht zurückzahlen könnten.

"Das heißt nicht unbedingt, dass China das Feld räumt - der Staat bleibt weiter ein wichtiger Gläubiger", sagt Cobus van Staden. "Aber andere Akteure aus China stürzen sich ins Getümmel, Geschäftsbanken, Privatinvestoren und andere Gruppen."

Unabhängig von neuen Krediten bleibt jedoch eine Abhängigkeit bestehen: Alte Darlehen werden fällig - und die von COVID-19 geschwächten Volkswirtschaften dürften in einigen Fällen, genau wie Sambia, auf das Wohlwollen des Gläubigers China angewiesen sein.

Mythos 4 ist teilweise korrekt.

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