Zum ersten Mal seit 1996 nimmt Sierra Leone wieder am Afrika-Cup teil - und trotzt damit den Widrigkeiten vieler Jahre. Das Turnier beginnt für das westafrikanische Land furios.
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Der Afrika-Cup ist ein Turnier, das immer besondere Geschichten schreibt. Dieses Mal ist die von Sierra Leone die vielleicht bemerkenswerteste von allen. Oft war das Team aus Westafrika nah dran an der erfolgreichen Qualifikation für das Turnier, doch letztlich klappte es mit der Teilnahme dann doch nicht.
"2013 sind sie nur noch ein Spiel entfernt. Im Jahr 2015 ist es wegen Ebola unmöglich, 2017 erholen sie sich endlich von der Ebola-Epidemie, scheitern aber erneut knapp. Und 2019 wurden sie wegen einer FIFA-Sperre disqualifiziert", fasst Tom Legg, ehemaliger Leiter der Leistungsabteilung von Sierra Leone, die vergangenen Jahre gegenüber der DW zusammen. "Tatsächlich, Sierra Leone ist in den letzten 15 Jahren das 'Beinahe-Team' des afrikanischen Fußballs", sagt er.
Jetzt ist Sierra Leone dabei und lässt aufhorchen: Nach dem überraschenden torlosen Remis gegen Algerien, bei dem Torhüter Mohamed Kamara zum Mann des Spiels gewählt wurde, schafften die "Leone Stars", wie das Nationalteam genannt wird, gegen einen weiteren Turnierfavoriten, die Elfenbeinküste, das zweite Unentschieden. Das Team von Kamara holte dabei zweimal einen Rückstand auf und der Keeper war erneut der Held, als er in der ersten Halbzeit einen Elfmeter von Franck Kessie parierte. Erst in der 93. Minute gelang Sierra Leone mit einem der dramatischsten Tore des bisherigen Turniers der zweite Ausgleich in der Partie zum 2:2-Endstand.
"Es ist großartig, sie als Menschen zu kennen und Zeit mit ihnen verbracht zu haben, um zu sehen, was sie im Moment in Kamerun erreichen", sagte Legg über die Spieler, mit denen er zum Teil selbst noch gearbeitet hat. "Ich freue mich für sie."
Historie voller Herausforderungen
Sierra Leone ist eine Mannschaft, deren Stärke eher auf kollektiver Geschlossenheit als auf individuellen Fähigkeiten beruht. Seit 1996 hatte sich das Team nicht mehr für den Afrika-Cup qualifizieren können. Bürgerkrieg, Ebola und Überschwemmungen haben dem Land arg zu schaffen gemacht, für die Entwicklung des nationalen Fußballs blieb lange Jahre kein Raum. "In Sierra Leone scheint es immer etwas zu geben, das die Spieler, die Mannschaft, daran hindert, das zu erreichen, was sie erreichen könnten", bedauert Legg gegenüber der DW.
"Das gravierendste Beispiel seit den 2000er Jahren war der Ebola-Ausbruch in Westafrika. Sofort entstand eine humanitäre und medizinische Krise, die es für die Spieler sehr schwierig machte, zu reisen", erinnert sich Legg. "Plötzlich mussten wir Spiele außerhalb von Freetown, weit entfernt von der Heimat, austragen. Schon nach europäischem Verständnis ist es eine Herausforderung, wenn man nicht zu Hause spielt, aber in Afrika schwächt das aufgrund der logistischen Herausforderungen die Position der Mannschaft immens."
Legg ist davon überzeugt, dass die Generation 2012, mit der er gearbeitet hat, den Afrika-Cup und vielleicht sogar auch die WM-Qualifikation erreicht hätte, wenn nicht Umstände eingetreten wären, auf die sie keinen Einfluss hatte. Schließlich war Sierra Leone Mitte 2014 in der FIFA-Rangliste um 21 Plätze auf Rang 50 nach oben geklettert und hatte damit den höchsten Rang erreicht, den das Land je inne hatte.
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Später Lohn für gestandene Spieler
Aktuell wird Sierra Leone auf Platz 108 der Weltrangliste geführt. Die Mannschaft erreichte nach einer Niederlage gegen den Überraschungsqualifikanten Komoren das diesjährige Turnier. Der harte Kern der Generation, die über Jahre nie eine wirkliche Chance hatte, führt Sierra Leone jetzt in Kamerun an: Der 34-jährige Kapitän Umaru Bangura, John Kamara (33 Jahre), Kei Kamara (37) und der mögliche Nachfolger als Kapitän, Kwame Quee (25), sind das Herzstück der Mannschaft.
"Der derzeitige Cheftrainer John Keister beweist, wie zuvor John McKinstry, als wir noch im Stab waren, dass man es mit Stabilität und Ruhe schafft, die großen individuellen Talente in Sierra Leone kollektiv zusammenzubringen und damit den Rahmen erhält, auf dem höchsten Niveau des afrikanischen Fußballs zu spielen", analysiert der ehemalige Leiter der Leistungsabteilung von Sierra Leone, Tom Legg.
Für eine Nation, die in den letzten Jahren so viele Möglichkeiten liegen lassen musste, ist dies eine besondere Zeit. Die Jubelszenen auf den Straßen von Sierra Leones Hauptstadt Freetown nach dem erkämpften 2:2 gegen die Elfenbeinküste im letzten Spiel sprechen Bände. Sie zeigen, wie viel es einer Nation bedeutet, die lange Zeit das Gefühl hatte, ihre Chance würde nie kommen.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.
Afrika-Cup 2022: Die einheimischen Trainer
Zum ersten Mal kommen beim Afrika-Cup 15 der 24 Trainer von dem Kontinent selbst. Unter ihnen sind ehemalige Spieler mit großem Ruf. Und einige weniger bekannte Persönlichkeiten, die sich einen Namen machen wollen.
Bild: BackpagePix/empics/picture alliance
Aliou Cissé - Senegal
Vom gefeierten Verteidiger gelingt Cissé der erfolgreiche Wechsel ins Traineramt. Seit der Übernahme der Nationalmannschaft im Jahr 2015, führt er die "Löwen der Teranga" zur WM 2018 und ins Finale des letzten Afrika-Cups 2019, das gegen Algerien verloren geht. Nach dieser Enttäuschung hofft der 45-Jährige dieses Mal auf den Gewinn des kontinentalen Titels und baut dabei auf einen starken Kader.
Bild: Omar Zoheiry/dpa/picture alliance
Kamou Malo - Burkina Faso
Malo (r.) ist die Schlüsselfigur des Erfolgs der Fußballmannschaften von Burkina Faso in den letzten zehn Jahren. Der heute 59-Jährige trainierte mehrere Mannschaften in der heimischen Liga und wird im Juli 2019 zum Trainer der "Étalons" ernannt. Daneben ist er auch noch als Coach der Jugendnationalmannschaften in Burkina Faso tätig.
Bild: BackpagePix/empics/picture alliance
Baciro Candé - Guinea-Bissau
Nach einer langen Profi-Karriere in Portugal wird Candé Trainer. Nach mehreren Stationen in der Liga von Guinea-Bissau gewinnt der 54-Jährige mit Sporting Clube de Bissau neun Meistertitel. Nach einer ersten Amtszeit zwischen 2003 und 2010 kehrt er 2016 zur Nationalmannschaft zurück und schafft es, das Land zum diesjährigen Turnier zu führen.
Bild: Ryan Wilkisky/BackpagePix/picture alliance
Norman Mapeza - Simbabwe
Der ehemalige Mittelfeldspieler, der auch für Galatasaray Istanbul spielte, betreut die "Warriors" nun schon zum vierten Mal in seiner Karriere - vorerst als Interimstrainer. In Kamerun wird Mapeza versuchen, das Ansehen des simbabwischen Fußballs zu verbessern. Die Mannschaft nimmt insgesamt zum fünften Mal und zum dritten Mal in Folge am Afrika-Cup teil.
Abdou beginnt seine Trainerkarriere 2012 beim französischen Amateurklub Golfech, bevor er 2014 das Nationalteam der Komoren übernimmt. Sein Vermächtnis ist schon damit gesichert, dass er den Inselstaat nach einem Unentschieden gegen Togo zu der historischen ersten Teilnahme am Afrika-Cup führt. Der 49-Jährige hofft, dass er auch bei dem Turnier für die ein oder andere Überraschung sorgen kann.
Bild: CHRIS OMOLLO/Shengolpixs/imago images
Juan Micha - Äquatorialguinea
Nach dem Rücktritt des französischen Trainers Sebastien Miché 2020 fungiert Micha zunächst als Interimslösung. Ein Jahr später wird der 46-Jährige zum Chefcoach von Äquatorialguinea berufen. Wenige Tage später sichert er dem Land mit einem Sieg gegen Tansania die Afrika-Cup-Teilnahme. In nur wenigen Monaten gelingt es Micha, sein Team zu einem potenziellen Geheimfavoriten des Turniers zu machen.
Bild: BackpagePix/empics/picture alliance
Mondher Kebaier - Tunesien
Der ehemalige Fußballprofi trainiert mehrere Vereine in Tunesien, 2013 holt der Coach mit seinem Ex-Verein CA Bizertin den tunesischen Pokal. 2019 wird Kebaier zum Trainer der Nationalmannschaft ernannt. Seine Mannschaft ist noch im Rennen um die Teilnahme an der Fußball-WM in Katar, wird aber zunächst versuchen, nach 2004 zum zweiten Mal den Afrika-Cup zu gewinnen.
Bild: Yassine Gaidi/AA/picture alliance
Wubetu Abate - Äthiopien
Abate (r.) macht sich als Trainer bei mehreren äthiopischen Vereinen einen Namen. Im September 2020 wird er offiziell Nationaltrainer und schafft es, trotz der schwierigen politischen Lage, Äthiopien die Teilnahme am Afrika-Cup zu sichern. Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt darin, dass es Abate gelingt, Spieler aus verschiedenen Regionen des Landes zusammenzubringen.
Bild: Omna Tadele/DW
Pedro Brito - Kap Verde
Nach seiner Spielerkarriere trainiert Brito, allgemein bekannt als "Bubista", mehrere Vereine in Kap Verde. Im Januar 2020 wird der heute 51-Jährige zum Nationalcoach ernannt. Die Qualifikation für das Turnier in Kamerun bedeutet die erst zweite Teilnahme an der Endrunde des Afrika-Cups in der Geschichte der Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas.
Obwohl der 51-Jährige in England geboren wird und in seiner gesamten Profikarriere dort spielt, bestreitet er seine Länderspiele für Sierra Leone. 2017 wird er Nationaltrainer, scheidet aber 2019 wieder aus. Nach einer turbulenten Zeit, in der das Land von der FIFA suspendiert wird, wird Keister 2020 erneut Nationalcoach und führt Sierra Leone zum ersten Mal seit 1996 zum Afrika-Cup.
Bild: Photoshot/picture-alliance
Meke Mwase - Malawi
Mwase hat es geschafft, Malawi zur dritten Teilnahme am Afrika-Cup zu führen. Der heute 49-Jährige übernimmt die Nationalmannschaft des südostafrikanischen Landes im Jahr 2019 und haucht ihr neues Leben ein. Der ehemalige Defensivspieler will die größeren Teams in der Gruppe - Guinea und den Vizemeister von 2019, Senegal - herausfordern.
Magassouba ist der Architekt des Wiederaufbaus des malischen Fußballs. Von 2017 bis 2019 arbeitet er zunächst als Interimscoach, dann wird er hauptverantwortlicher Nationaltrainer. Der heute 64-Jährige schafft es, aus vielen guten Einzelspielern ein harmonierendes Kollektiv zu formen. Mit ihm ist Mali noch im Rennen um die WM-Teilnahme - und der Gewinn des Afrika-Cups ist ein realistisches Ziel.
Bild: Oliver Weiken/dpa/picture alliance
Burhan Tia - Sudan
Tia ist der große Unbekannte unter den Trainern bei diesem Turnier. Erst im Dezember 2021, also wenige Wochen vor Beginn des Afrika-Cups, übernimmt er den Posten des Nationaltrainers im Sudan als Nachfolger des Franzosen Hubert Velud. Zuvor stand Tia bei verschiedenen sudanesischen Vereinen an der Seitenlinie. In einer schwierigen Gruppe bekommt er es mit Nigeria, Ägypten und Guinea-Bissau zu tun.
Bild: Khaled Desouki/AFP via Getty Images
Kaba Diawara - Guinea
Als Stürmer läuft Diawara für viele Klubs auf, darunter sind große Namen wie Bordeaux, Marseille, Nizza, PSG und Arsenal. Der gebürtige Franzose vertritt das Land auf U-21-Ebene, bevor er für Guinea spielt. Erst im Oktober 2021 erhält der 46-Jährige seinen ersten Trainerjob und löst den ehemaligen französischen Nationalspieler Didier Six als Cheftrainer Guineas ab.
Bild: Philippe LECOEUR/PanoramiC/imago
Djamel Belmadi - Algerien
In seiner aktiven Zeit läuft der gebürtige Franzose für die Nationalmannschaft von Algerien auf. Seine Trainerlaufbahn beginnt der heute 45-Jährige 2010 in Katar, wo er als Vereins- und Nationalcoach tätig ist. 2018 wird Belmadi zum Nationaltrainer Algeriens berufen und gewinnt mit seinem Land den Afrika-Cup 2019. Nicht erst seit diesem Triumph gilt er in Algerien als Fußball-Ikone.