Afrika-Cup: Trauer und Wut nach Massenpanik
26. Januar 2022"Ich habe ein Kind gesehen, das weniger als zehn Jahre alt war, leblos", berichtet Augenzeugin Marie Asongafack der Agentur AP. "Die Leute versuchten, es wiederzubeleben." Ein anderer Mann spricht gegenüber der AFP von "totalem Chaos" vor dem Afrika-Cup-Achtelfinalspiel zwischen Gastgeber Kamerun und den Komoren. Offenbar hatte eine Gruppe Fans versucht, auch ohne gültiges Ticket ins Stadion zu gelangen und so die Katastrophe ausgelöst. "Ich kam eine Viertelstunde vor Anpfiff an", erzählt der Augenzeuge. "Ich hatte meine Eintrittskarte, aber plötzlich kam eine Gruppe von Leuten ohne Ticket an und versuchte, sich einen Weg zu bahnen, und wir wurden gegen die Zäune gedrückt."
Die traurige Bilanz der Massenpanik, die daraufhin entstand: Mindestens acht Menschen wurden getötet, Dutzende weitere sind verletzt worden. "Es wurden acht Todesfälle verzeichnet, zwei Frauen in den 30ern, vier Männer in den 30ern, ein Kind, eine Leiche wurde von der Familie weggebracht", heißt es in einem vorläufigen Bericht des Gesundheitsministeriums. Nun laufen die Ermittlungen und viele Frage werden laut, wie es zu dem Unglück kommen konnte.
"Die lokale Bevölkerung ist wütend, weil es keine Informationen darüber gibt, was genau passiert ist", sagt Korrespondent Blaise Eong der DW. "Die Menschen sind aber deshalb auch wütend, weil die Sicherheitskräfte außerhalb des Stadions die Fans, die ins Stadion strömten, nicht in Schach halten konnten."
Keine Entschuldigung
Kameruns Präsident Paul Biya habe Ermittlungen angeordnet, "damit in diesen tragischen Vorfall alles ans Licht gebracht wird", sagte Kommunikationsminister Rene Emmanuel Sadi. Auch Patrice Motsepe, Präsident des Afrikanischen Fußballverbands CAF, forderte am Dienstag eine sofortige Untersuchung des Vorfalls, wobei der erste Bericht am Freitag vorgelegt werden soll.
"Es gibt keine Entschuldigung für das, was geschehen ist. Wir müssen Verantwortung zeigen, wenn Menschen ihr Leben verlieren und verletzt werden", sagte Motsepe und kündigte an. "Wir werden sehr harte und schwierige Diskussionen hinter verschlossenen Türen führen."
Menschen werden niedergetrampelt
Offenbar hatten Sicherheitskräfte noch versucht, den Ansturm der Fans abzuwehren, indem sie ein Eingangstor schlossen, auf das eine Gruppe von Menschen zustürmte. Da die Menschen weiter Richtung Stadion drängten, gaben die Ordner schließlich nach und öffneten den Zugang wieder. "Als die Sicherheitskräfte schließlich begannen, die Tore zu öffnen, drängten die Menschen die Sicherheitskräfte zur Seite und zwängten sich selbst hindurch", sagt die Zeugin Marie Asongafack der AP. "Damit fing alles an. Als ich mich vorne wiederfand, lagen schon Menschen auf dem Boden, die niedergetrampelt wurden."
Nach dem Gedränge sah man Menschen regungslos auf dem Boden liegen, während Umstehende versuchten, bei den Opfern erste Hilfe zu leisten, bevor Notärzte und Sanitäter eintrafen. Das Gesundheitsministerium teilte später mit, dass die Opfer "sofort" vom Unfallort abtransportiert wurden, allerdings habe der starke Straßenverkehr den Transport verlangsamt.
Suche nach Angehörigen
Vor dem Krankenhaus von Messassi herrschte nach dem Vorfall Chaos und Verwirrung, denn neben den Toten wurden mindestens 38 Menschen verletzt. Gesundheitsminister Manaouda Malachie sagte, 31 der 38 Verletzten seien wohlauf. Die Krankenschwester Olinga Prudence äußerte gegenüber Reportern, einige der Verletzten befänden sich in einem "kritischen Zustand".
Am Dienstagmorgen versammelten sich immer noch Menschen vor den Krankenhäusern Yaoundes, um nach vermissten Familienmitgliedern zu suchen. "Ich bin hilflos: Die Polizei hat mir nicht geholfen und ich konnte meine beiden Brüder nicht finden", sagte der 24-jährige Student Festus Ndi.
Planungsprobleme kommen ans Licht
Die Tragödie in Yaounde hat ein Schlaglicht auf die Probleme geworfen, die Kamerun bereits bei der Vorbereitung des Afrika-Cups zu schaffen machten. Kamerun ist zum ersten Mal seit 50 Jahren wieder Gastgeber des AFCON. Ursprünglich sollte das Land den Wettbewerb schon im Jahr 2019 ausrichten. Damals wurde Kamerun das Turnier aber wegen schwerwiegender Probleme bei der Planung - vor allem in Bezug auf die Infrastruktur - sowie wegen der anhaltenden Krise in einigen anglophonen Regionen und der Boko-Haram-Rebellion im Nachbarland Nigeria von seinen Aufgaben entbunden.
Die Organisatoren waren besonders um das Olembe-Stadion besorgt, in dem sich nun die Tragödie ereignete. Das größte Stadion des Landes hat ein Fassungsvermögen von 60.000 Zuschauern, die jedoch im Rahmen der Coronavirus-Maßnahmen auf 80 Prozent der Kapazität begrenzt sind. Um Zutritt zu den Afrika-Cup-Spielen zu erhalten, müssen die Fans zusätzlich zu den normalen Sicherheitskontrollen, die sie im Stadion durchlaufen, einen negativen COVID-19-Test nachweisen und geimpft sein.
Weitere Einschränkungen?
Als die Nachricht der Massenpanik sich in den sozialen Medien verbreitete, sendeten Fernsehsender Aufnahmen von Menschen, die über die Sicherheitszäune sprangen, und berichteten, dass die Polizei schnell überfordert war. "Es gab eindeutig Unzulänglichkeiten, Versäumnisse und Schwächen", sagte CAF-Präsident Motsepe am Dienstag. "Es gab Probleme, die hätten vorhergesehen werden müssen."
Obwohl noch keine Entscheidungen über künftige Maßnahmen bei AFCON-Spielen getroffen wurden, geht Blaise Eong davon aus, dass die Stadionkapazitäten angesichts der Katastrophe noch weiter reduziert werden könnten. "Nach diesem Vorfall könnten wir in eine Situation geraten, in der die Spiele ohne Fans stattfinden", sagt er. Als erster Schritt wurde bereits verfügt, das Viertelfinalspiel am Sonntag in das Ahmadou-Ahidjo-Stadion in Yaounde zu verlegen. Ursprünglich sollte diese Partie im Olembe-Stadion stattfinden.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.