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Politik

Afrika: Bedrohung durch Extremisten wächst

Antonio Cascais
2. Juli 2018

Sicherheitsfragen stehen bei der Afrikanischen Union ganz oben - erst vergangene Woche kam es in Westafrika wieder zu blutigen Anschlägen. Experten warnen: Der Extremismus ist in Afrika auf dem Vormarsch.

Unruhe in Mali
Bild: Getty Images/Stringer

Vergangene Woche schlug Marokkos Außenminister Nasser Bourita Alarm: Auf dem afrikanischen Kontinent gebe es um die 10.000 islamistische Kämpfer, warnte er. Es handle sich vornehmlich um Mitglieder des islamistischen Terrornetzwerks Al-Kaida sowie um afrikanische Rückkehrer aus den Gebieten des sogenannten "Islamischen Staats" in Syrien und im Irak.

Im DW-Interview legt der Minister nach: Die von ihm ins Spiel gebrachte Zahl sei keinesfalls übertrieben, denn er habe noch nicht einmal die Kämpfer mitgezählt, die sich der islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Somalia oder Boko Haram in Nigeria angeschlossen hätten. Eine "entschiedene Strategie gegen den islamischen Terrorismus" in Afrika sei nötig. Die Maghreb-Länder sollten ihren Kampf gegen den Islamismus auf allen Ebenen verstärken und dabei auch die internationale Zusammenarbeit verstärken, unter anderem mit der Gruppe der G5-Sahelstaaten ausbauen.

Die G5-Gruppe wurde 2014 von den Sahelstaaten Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und dem Tschad als Antwort auf die wachsende Unsicherheit und den Terrorismus in der Region gegründet. Doch genau dort, im Sahelgebiet, verübten islamistische Gruppen erst in der vergangenen Woche wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Zivilisten. 

Marokkos Außenminister Nasser Bourita geht von 10.000 Extremisten in Afrika ausBild: Getty Images/AFP/F. Senna

10.000 dschihadistische Kämpfer in Afrika?

Doch stimmt die Zahl von 10.000 Kämpfern? "Es gibt leider kein Berufsregister für Terroristen", sagt der Afrika-Journalist und Buchautor Marc Engelhardt im DW-Gespräch. Die vom marokkanischen Außenminister ins Spiel gebrachte Zahl sei aber wahrscheinlich zu hoch gegriffen. "Nach meinen Recherchen macht der harte Kern der islamistischen Kämpfer nur wenige Tausend Menschen aus", sagt Engelhardt. Umso erschreckender sei, dass so ein kleiner Kern von Entschlossenen in der Lage sei, ein Riesenland wie Mali in Geiselhaft zu nehmen.

Sorgen macht Engelhardt zudem, dass längst nicht nur Konfliktregionen wie der Sahel, der Maghreb, Somalia oder Nigeria vom islamistischen Terror betroffen sind. Immer mehr Länder rückten in den Fokus des islamistischen Terrors, betont er: "Länder wie Burkina Faso, die Elfenbeinküste oder Mosambik, in denen Islamismus bis vor Kurzem noch ein Fremdwort war."

Warum schließen sich gerade dort Menschen radikalen islamistischen Gruppen an und verüben Anschläge? "Ich glaube, dass die Ideologie bei Mitläufern eine große Rolle spielt. An der Spitze allerdings spielt die Ideologie nur eine untergeordnete Rolle. Den Islam als Religion gab es schon immer in den genannten Regionen, aber sie wird jetzt halt genutzt", sagt Engelhardt, Autor des Buches "Heiliger Krieg, heiliger Profit. Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus."

Auf dem AU-Gipfel in Nouakchott spielen Sicherheitsthemen eine wichtige RolleBild: Getty Images/A.O.M.O.Elhadj

Den Hintermännern gehe es vor allem um Macht und Profit. Die Religion sei nur ein Vehikel, so Engelhardt weiter. Der entscheidende Punkt sei, dass sich viele benachteiligte Menschen in armen Regionen von den radikalen Gruppen respektiert und aufgewertet fühlten. Fanatische Prediger und Anhänger würden von den radikalen Gruppen mit offenen Armen aufgenommen. "Das sind ja Kämpfer, die 'for free' oder zumindest für sehr wenig sehr viel riskieren. Wenn man sich die Selbstmordattentate ansieht: die sind tatsächlich davon überzeugt, dass sie für eine gerechte, religiöse Sache ihr Leben geben."

Afrikanische Union: Schöne Worte, hässliche Realität

Unterdessen eskaliert die islamistische Gewalt in der Sahel-Region weiter und überschattet sogar den Gipfel der Afrikanischen Union (AU), der am Sonntag und Montag in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott stattfand. Bei einem Angriff in Mali wurden vier Menschen getötet und rund 20 verletzt, darunter vier französische Soldaten. Zehn Soldaten starben bei einem Anschlag auf einen Militärstützpunkt im Südosten des Niger.

Dabei hatten die AU-Staatschefs unlängst angekündigt, bis 2020 alle bewaffneten Konflikte auf dem Kontinent beizulegen. Doch selbst innerhalb der Organisation halten einige das Ziel offenbar für zu ambitioniert: "Es sind nur noch 18 Monate bis zum Jahr 2020, aber wir sind noch weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen", so der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union Moussa Faki Mahamat und Ex-Außenministers des Tschad, bei der Eröffnungsrede des AU-Gipfels.

Experte Engelhardt warnt davor, dass sich Extremisten in vielen Ländern Afrikas ausbreiten

Für Pierre Bouyoya, AU-Vertreter in Mali und im Sahel, bleibt der Kampf gegen den Terror dennoch "eine große Herausforderung". Auch für ihn sei es mehr als fraglich, ob das hehre Ziel der Befriedung der Region innerhalb der nächsten 18 Monate wirklich realistisch sei. "Die Suche nach Frieden ist eine Mammutaufgabe, die nicht an einem Tag, in einem Jahr oder in einem Jahrzehnt zu bewältigen ist." Bouyoya, früherer Präsident Burundis, fügt im DW-Interview hinzu: "Afrika ist ein junger Kontinent, mit jungen Staaten, die noch auf der Suche nach Stabilität sind."

Gibt es eine Expansionsstrategie?

Buchautor Engelhardt warnt, dass die islamistische Terrorgruppen ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent ausweiten wollen: "Natürlich gibt es gibt es bei Gruppen wie Al-Shabaab oder Terrornetzwerken wie Al-Kaida den Wunsch, in ganz Afrika und perspektivisch auf der ganzen Welt zu herrschen oder aktiv zu sein", betont er im DW-Gespräch. Allerdings dürfe man diese Gruppen auch nicht überschätzen. Ein Gruppe wie Al-Shabaab sei bei weitem noch nicht in der Lage, sich afrikaweit zu etablieren.

Allerdings müssten gerade die schwächsten Staaten Afrikas vorsichtig sein. Gefahren sieht Engelhardt etwa in Mosambik. Dort verüben mehrheitlich islamische Gruppierungen seit Monaten immer wieder Anschläge: "Der Norden Mosambiks ist lange Zeit vernachlässigt worden. Es sind wirklich erst diese Lücken da – Regionen, in denen der Staat wenig Interesse zeigt – und in diese Bresche gehen diese Gruppen ganz gezielt rein."

Mitarbeit: Rodrigue Guézodjè