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PolitikAfrika

Afrika: Die große Abzocke bei Waffenkäufen

Antonio Cascais
8. September 2020

Afrikas Armeen rüsten auf. Vor allem die USA und Europa bringen viel Geld in Umlauf, um afrikanische Staaten im Anti-Terror-Kampf zu unterstützen. Das ruft korrupte Waffenhändler auf den Plan.

Nigrischer Soldat
Bild: picture-alliance/Zumapress

Seit mehr als 20 Jahren recherchiert der südafrikanische Autor und ehemalige ANC-Abgeordnete Andrew Feinstein zu internationalen Rüstungsgeschäften. In den vergangenen Jahren beobachtet er, dass Afrika zunehmend in den Fokus der internationalen Waffenlobby gerät: "Wo es bewaffnete Konflikte gibt, ausgelöst etwa durch Terrorgruppen wie Boko Haram, oder Bürgerkriege wie im Sudan oder Südsudan, da sind die Waffenhändler nicht weit", sagt der Politikwissenschaftler und Autor des Buchs "Waffenhandel: Das globale Geschäft mit dem Tod". In den meisten Fällen seien bei den Waffengeschäften in Afrika Korruption und Betrug in riesigem Ausmaß im Spiel, so Feinstein.

Skandal im Niger: Spitze eines Eisbergs

Einen besonders krassen Betrugsskandal brachte Feinstein erst kürzlich im Detail an die Öffentlichkeit: Es ist ein Fall, der in Niger spielt, einem der ärmsten Länder der Welt, das mitten in einem Krieg gegen Terroristen aus Nachbarstaaten steckt. Für rund eine Milliarde US-Dollar hat das Sahel-Land zwischen 2011 bis 2019 Waffen und Ausrüstung gekauft, vor allem mit Geld aus den USA, Frankreich und anderen EU-Ländern. Rüstungsausgaben, durch die das Land als Teil des G5-Sahel-Bündnisses den Kampf gegen den islamistischen Terror in der Region vorantreiben sollte.

Krummen Touren auf der Spur: Andrew FeinsteinBild: Simone Sultana

Eine Recherche des Journalistennetzwerks "Organized Crime and Corruption Reporting Project" (OCCRP), an der Andrew Feinstein mitgewirkt hat, zeigt jetzt, dass sich vor allem Geschäftsleute im Niger, aber auch in Russland und in der Ukraine dabei bereichert haben dürften. "Ein beträchtlicher Teil der Milliarde landete in den Taschen von korrupten Zwischenhändlern und floss nicht in die Ausrüstung in den Arsenalen der nigrischen Armee", sagt Andrew Feinstein. Das viele Geld habe nicht die Schlagkraft der nigrischen Armee verstärkt, sondern vielmehr Betrüger reich gemacht.

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Wettkampf mit Briefkastenfirmen

Vor allem zwei nigrische Geschäftsleute mit Verbindungen zum Netzwerk des Staatspräsidenten hätten sich bereichert. Sie hätten Waffenkäufe in China, Russland und in der Ukraine eingefädelt und dabei einen Anbieterwettbewerb vorgetäuscht, den es gar nicht gegeben habe: Von den nigrischen Zwischenhändlern selbst kontrollierte Briefkastenfirmen in Großbritannien, der Ukraine und Tschechien hätten Scheinangebote abgegeben, sodass das einzige echte und stark überteuerte Angebot zum Zug kam. Die Zahlungen seien über dubiose Finanzinstitute abgewickelt und ein Teil wieder an die Nigrer umgeleitet worden.

Das gehe aus einem internen Bericht der nigrischen Regierung hervor, zu dem Feinstein und die OCCRP-Journalisten Zugang erhielten. In dem Prüfbericht der nigrischen Regierung werden zahlreiche betrügerische Waffendeals aufgezählt. So seien 2016 zwei Kampfhubschrauber vom Typ MI-171Sh von der staatseigenen russischen Exportagentur Rosoboronexport für 55 Millionen Euro angeschafft worden, fast 20 Millionen Euro über dem Normalpreis.

Geld aus Rüstungsdeals in Deutschland gewaschen?

In vielen Geschäften seien Kommissionen für nigrische Zwischenhändler und Schmiergeldzahlungen für russische oder ukrainische Lieferanten eingepreist gewesen. Russische Firmen hätten das Geld teilweise in Deutschland gewaschen, erläutert Feinstein im DW-Interview: "Für Ermittlungsbehörden ist es schwieriger, Geldströme, die über unterschiedliche Banken an unterschiedlichen Standorten erfolgen, nachzuverfolgen." Wenn Zahlungen über Banken in Deutschland abgewickelt würden, rufe das normalerweise bei den amerikanischen Geldwäsche-Ermittlern weniger Misstrauen hervor, als wenn sie über eine Bank in Russland erfolgten, so Feinstein.

Deutschland ist neben den USA ein wichtiger Partner im Anti-Terror-KampfBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Einer der nigrischen Hauptdrahtzieher, Aboubacar Hima, habe im Übrigen persönliche Beziehungen zum inzwischen gestürzten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch gehabt und habe sich in Prag mehrere Wohnungen gekauft. Die nigrischen Mittelsmänner hätten derweil auch teure Villen in Niamey bezogen.

Niger: kein Einzelfall

Für Anti-Korruptions-Aktivist Paul Holden wirft der Bericht ein Schlaglicht darauf, wie derartige Geschäfte funktionierten. Er bestätige erneut, dass der Waffenhandel besonders anfällig für Korruption sei, sagt der gebürtige Südafrikaner und Gründer der Londoner Anti-Korruptions-Organisation Shadow World Investigations.

Der Niger-Skandal sei kein Einzelfall, erläutert Paul Holden: "In Afrika gibt es definitiv viel mehr korrupte Waffengeschäfte. Der Waffenhandel ist für 40 Prozent der Korruption im Welthandel verantwortlich, und leider betrifft dies auch viele afrikanische Länder."

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Dabei gehe die Korruption keinesfalls nur von den afrikanischen Mittelsmännern aus, sagt Holden. Die Täter in Afrika hätten stets Helfer im Norden, die normalerweise von der Justiz nicht viel zu fürchten hätten. Und das nicht nur in den weniger transparenten Ländern wie Russland. So erinnert Holden an einen vermuteten Korruptionsfall aus dem Jahr 2000, der sein Heimatland Südafrika und Deutschland betraf: Damals kauften die Südafrikaner bei einem deutschen Konsortium vier Kriegsschiffe des Typs Meko A-200 für beachtliche 731 Millionen Euro, ein Geschäft, bei dem die Deutschen Schmiergelder in Millionenhöhe gezahlt haben sollen. Die Ermittlungen in beiden Ländern seien aber im Sande verlaufen.

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"Ein Großteil der Waffen, die nach Afrika geliefert werden, stammen aus Europa oder Nordamerika. Diese Länder tragen eine große Mitverantwortung dafür, sicherzustellen, dass ihre eigenen Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent keine Bestechungsgelder zahlen. Und sie können dies tun, indem sie die Durchsetzung der Korruptionsbekämpfung verstärken", so Holdens Fazit.