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Afrika: Es muss nicht Whatsapp sein

Silja Fröhlich
2. Juli 2021

Whatsapp ist für viele Menschen in Afrika unverzichtbar. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Afrikanische Apps locken mit speziellen Funktionen für regionale Chat-Bedürfnisse. Können sie den US-Monopolisten stürzen?

Internet Afrika | Whatsapp
Bild: Getty Images/AFP/I. Kasamani

Sie ist eine Gigantin, ohne die Subsahara-Afrika nicht mehr leben kann: die Messenger-App Whatsapp. Trotz "hauseigener" afrikanischer Messaging-Dienste bleibt Whatsapp in den meisten englischsprachigen afrikanischen Ländern die Nummer 1. Daran hat auch die große Kritik an den jüngsten Änderungen der Datenschutzrichtlinie nichts geändert: Seit Mai kann Whatsapp unter bestimmten Voraussetzungen Nutzerdaten mit Facebook, Instagram und anderen Drittfirmen teilen. Doch wird Afrika Whatsapp auf Dauer treu bleiben?

Derzeit gibt es mehr als zwei Milliarden Nutzer der US-Massenger-App rund um den Globus, Tendenz steigend. In Nigeria ist Whatsapp mit über 90 Millionen Nutzern die am häufigsten genutzte Plattform. In Simbabwe ist die App für rund die Hälfte des gesamten Internetverkehrs verantwortlich. Und Kenia hat laut dem 2020 Social Media User Trends Report des Marktforschungsunternehmens Global Web Index den höchsten Prozentsatz an monatlichen Whatsapp-Nutzern weltweit: 9 Prozent der über 22 Millionen Internetnutzer in Kenia verwenden die App jeden Monat.

Whatsapp: Mehr als Kommunikation

Für viele Afrikaner geht es um mehr als Kommunikation. In Nigeria verlassen sich die Menschen auf Whatsapp als primäre Quelle für Nachrichten, Südafrikaner können über die App ihren Autoführerschein erneuern. In der Privatwirtschaft nutzen Firmen Whatsapp, um Marketing und Kundenservice zu steuern.

Auch im Home-Schooling ist Whatsapp eine Hilfe - hier in Abidjan, ElfenbeinküsteBild: ISSOUF SANOGO / AFP

Auch Mobilfunkunternehmen profitieren von Whatsapp - und fördern den Dienst aktiv. "Mobilfunkunternehmen in ganz Afrika hatten Angst, dass Whatsapp ihnen sämtliche Einnahmen wegfressen würde", sagt Tawanda Karombo, Tech-Journalist aus Simbabwe. "Also fingen sie an, spezielle Whatsapp-Pakete zu verkaufen. Die sind günstiger als die normalen Datenpakete und helfen, den Umsatz der Unternehmen zu steigern."

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Signal und Telegram: Nur im Notfall

Konkurrenten wie Signal oder Telegram profitierten zwar kurzzeitig, als Whatsapp im Januar die neuen Nutzungsbestimmungen publik machte. Signal wurde laut dem Daten-Dienst Sensor Tower inzwischen 8,8 Millionen Mal heruntergeladen, vor der Ankündigung von Whatsapp waren es nur 246.000 Downloads. Telegram sprang von 6,5 Millionen Downloads auf 11,3 Millionen Downloads. Auch, wenn Regierungen in Krisenzeiten die führenden Sozialen Netzwerke blockieren, profitiert die Konkurrenz.

Doch trotzdem hat sich keine der beiden Apps bisher fest auf dem afrikanischen Markt etabliert, so Karombo im DW-Interview. "Bei vielen afrikanischen Mobilfunkanbietern gibt es keine Pakete für Telegram oder Signal. Und hinzu kommt: Wer ist noch auf einer dieser Apps? Jeder ist auf Whatsapp." Denn es sei einfach zu benutzen, leicht zugänglich und überall verfügbar.

Eine Reihe afrikanischer Alternativen

Doch von der Übermacht lassen sich viele junge Entwickler nicht abschrecken. Ein Beispiel ist Ayoba. Die Messaging-App des afrikanischen Telekommunikationsgiganten MTN ermöglicht es Nutzern, zu chatten, Nachrichtenkanäle zu abonnieren und zu spielen. Die App hat mittlerweile 5,5 Millionen monatliche Nutzer und arbeitet an Updates für Sprach- und Videoanruffunktionen. Zudem ist sie in über 22 Sprachen nutzbar, darunter Luganda, Kinyarwanda, Kisuaheli, Haussa und Igbo. Nachrichten werden verschlüsselt und die App ermöglicht "In-App"-Transaktionen.

 

Zwischen Südafrika und Guinea-Bissau ist MTN einer der wichtigsten Anbieter; Nun auch mit eigenem Messenger-DienstBild: picture-alliance/dpa/Godong

Eine weitere afrikanische Marke ist Ondjoss, entworfen von dem kamerunischen Ingenieur Valère Tchapda. "Sie wurde von jungen, leidenschaftlichen Afrikanern entwickelt, denen dieses Projekt am Herzen liegt", so Tchapda im DW-Interview: "Afrika eine leistungsstarke Messaging-App zur Verfügung zu stellen, die sehr gut funktioniert, bei deren Nutzung sich Afrikaner zu Hause fühlen können. Und die später auch mit anderen, bereits bekannten Apps in der Welt konkurrieren kann." Das im Januar 2020 gestartete Ondjoss hat bereits mehr als 200.000 Nutzer. "Die Kommunikation wird mit sehr leistungsfähigen und recht effizienten Algorithmen verschlüsselt. In Gruppen haben die Leute zum Beispiel keinen Zugriff auf die anderen Telefonnummern." Außerdem können auf Ondjoss Dateien von mehreren Gigabyte versandt, Nachrichten gespeichert und auf ein neues Telefon mitgenommen werden.

 

Aufsteigend: Messengerdienst OndjossBild: Elisabeth Asen/DW

In Südafrika ermöglicht es Moya Messenger Nutzern, ohne Datenkosten Nachrichten zu verschicken - vorausgesetzt, sie senden keine Anhänge und sind bereit, Werbung aufs Smartphone zu bekommen. Die App bietet unbegrenzte Textnachrichten, Gruppenchats und automatische Verschlüsselung aller Nachrichten. Zudem ist es möglich, sich über Nachrichten zu informieren, Behördenangelegenheiten zu erledigen und Geld zu überweisen. 

Zuletzt gibt es immer mehr modifizierte Versionen (kurz "Mods") von Whatsapp. Die in Afrika am weitesten verbreitete, GB Whatsapp, ermöglicht es Nutzern, mehrere Konten zu betreiben, gelöschte Nachrichten wiederherzustellen und große Dateien zu senden und zu empfangen. GB Whatsapp bietet zudem mehr Kontrolle über die Privatsphäre-Einstellungen. Doch die "Mods" haben ihre Nachteile: oft gibt es beispielsweise keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Nachrichten.

"Datenschutz ist vielen egal"

Doch das Thema Datenschutz interessiere viele Menschen leider nur wenig, so Karombo. Was es brauche, sei Aufklärung. "Leute in den Städten kümmern sich vielleicht noch um ihren Datenschutz, aber allen anderen ist das egal. Ihre Verwandten, Freunde und Bekannten auf dem Land sind immer noch auf Whatsapp." Die meisten Menschen würden sich erst dann Sorgen machen, wenn es physische Auswirkungen auf ihr Leben hätte, kritisiert Karombo. "Vielleicht sind wir zu abhängig von sozialen Netzwerken geworden, solange wir chatten können, ist es uns egal, was App-Betreiber mit unseren Daten machen." 

Daher hofft Karombo, dass Afrikaner sich des Problems selbst annehmen. Afrikanische Apps seien der Schlüssel. "Whatsapp ist eine pauschale Anwendung für alle Menschen auf der Welt. Aber wir haben unsere eigenen einzigartigen, politischen und wirtschaftlichen Anforderungen. Ich würde eine hausgemachte Anwendung bevorzugen." Was es dazu brauche, sei Innovation und Investment.

Keine extra Datenpakete?

Nathan Freitas, Gründer des Datenschutzprojekts Guardian Project, sieht noch eine einfachere Lösung. Messenger-Apps wie Telegram oder auch Matrix böten bereits eine Infrastruktur, mit der Betreiber sich ihre eigene Plattform bauen könnten. 

"Es ist einfach, Dienste in Telegram zu integrieren. Und Matrix ist eine quelloffene, interoperable und verschlüsselte Plattform, auf der man mehr als nur Apps zum Chatten bauen kann. Wenn jemand versucht, sein eigenes Chat-System von Grund auf zu schreiben, kann es unsicher sein, gehackt werden, und Sie werden Kunden verlieren."

Entscheidend, so sagen beide Experten, sei jedoch, ob Mobilfunkunternehmen weiter nur eine Messenger-App favorisierten. "Wenn diese Datenpakete verschwinden, dann werden Sie mehr unterschiedliche App-Optionen sehen", so Freitas. "Eine Vielfalt von Messenger-Apps ist die sicherste Option für alle." Und einige dieser Apps könnten das verkörpern, was sich so viele Menschen auf dem Kontinent wünschen: Made in Africa for Africa.

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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