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Nach der Dürre kommt in Afrika die Flut

Martina Schwikowski
22. September 2022

Afrikas Flüsse sind die Lebensadern des Kontinents. Doch der Wechsel von extremen Wetterereignissen macht das Leben mit dem Wasser immer schwerer. So im Nigerbecken, wo Frühwarnsysteme bisweilen versagen.

Menschen kämpfen sich durch ein überflutetes Viertel der senegalesischen Hauptstadt Dakar (Archivbild)
Überschwemmungen im Senegal Bild: ZOHRA BENSEMRA/REUTERS

Wasserfluten, die Häuser mitreißen, schon über 300 Tote und mehr als 100.000 Menschen nach Behördenangaben auf der Flucht: Die Überschwemmungen in Nigeria haben extreme Ausmaße angenommen. Die Katastrophenschutzbehörde NEMA spricht von den schlimmsten Fluten seit Jahrzehnten und warnt, die Lage in dem 200-Millionen-Einwohner-Land könne sich weiter zuspitzen.

Als Grund für die Überflutungen nannte NEMA-Direktor Mustapha Habib Ahmed nach einer Krisensitzung am Montag die seit Juli andauernden Regenfälle. Der Niger und dessen größter Zufluss Benue führten infolge der Unwetter immense Wassermassen. Experten rechnen damit, dass in den nächsten Wochen mehrere Staudämme in Nigeria und im benachbarten Kamerun überlaufen könnten. Schon jetzt sind große Ackerflächen überschwemmt, was auch den Hunger in der Region verschärfen dürfte.

Warnungen kommen zu spät

Besonders betroffen sind die drei nördlichen Bundesstaaten Yobe, Adamawa und Borno. Hier zeigt sich der Arzt Yerma Ahmad Adamu unzufrieden mit dem Vorgehen der Behörden. Empfehlungen von NEMA, aber auch der Anrainer-Staaten, Menschen in höher gelegene Orte zu evakuieren und Vorräte an Lebensmitteln anzulegen, kämen reichlich spät, sagt der leitende Arzt des Yerma-Memorial-Krankenhauses in Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaats Borno, im DW-Gespräch.

Durch den Klimawandel nehmen extreme Wettereignisse zu Bild: Akuot Chol/AFP/Getty Images

Zwar hätte die nigerianische Behörde schon vor sechs Monaten vor dem Hochwasser gewarnt, so Adamu. Konkrete Prognosen über das Ausmaß hätten aber gefehlt - Prognosen, die geholfen hätten, sich besser auf die Katastrophe vorzubereiten: "Menschen müssen Wasser abkochen, und die Gesundheitszentren sollten Zinkoxid bereithalten. Das wird Kindern und Erwachsenen gegeben, um sie vor Durchfall zu schützen, dazu eine Kombination aus Salz und Wasser."

Anpassung an den Klimawandel

In ganz Afrika haben extreme Wetterereignisse in den letzten Jahren zugenommen - mit teils verheerenden Folgen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) verweist auf schwere Überschwemmungen im Südsudan, Nigeria, der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo im vergangenen Jahr, während extreme Dürren vor allem in Nordafrika zu Waldbränden führten.

Laut dem Bericht über den "Zustand des Klimas in Afrika" haben derzeit nur 40 Prozent der afrikanischen Bevölkerung Zugang zu Frühwarnsystemen, die sie vor extremen Wetterbedingungen und den Auswirkungen des Klimawandels schützen. Als zentrale Aufgabe für die Zukunft rät die WMO zur Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, zum Austausch von Daten und Expertise und fordert auch mehr Investitionen für die Anpassung an derartige Folgen des Klimawandels.

Neben Fluten gibt es auch mehr DürrenBild: Thomas Mukoya/REUTERS

Ansätze dafür gibt es in Westafrika schon seit Jahrzehnten. So bringt die Nigerbeckenbehörde (Autorité du Bassin du Niger, ABN) seit 1980 neun Anrainerstaaten des Niger-Flusssystems an einen Tisch.

Niger: Messstationen und Hochwasserkarten

Der Niger ist mit rund 4200 Kilometern der drittlängste Fluss Afrikas, in seinem Gebiet leben 160 Millionen Menschen, die auf sein Wasser angewiesen sind, aber auch mit den Risiken leben müssen. ABN-Bereichsleiter Issa Bakayoko erläutert gegenüber der DW die gefährlichen Wechselwirkungen von Flut und Dürre: "In Dürrezeiten wird die Vegetationsdecke angegriffen, das Land ist Wind und Regen ausgesetzt. Wenn es dann zu starken Regenfällen kommt, schwemmt das abfließende Wasser Sand und Regen mit sich. Das Flussbett versandet, und der Fluss kann die großen Wassermassen nicht mehr transportieren."

Um mit den Risiken leben zu können, haben die Anrainerstaaten ein Messsystem aufgebaut, das die Wasserstände und abfließenden Wassermengen erfasst und in einem Modell errechnet, welche Wasserstände wann und wo zu erwarten sind. Unterstützt werden sie dabei auch von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)

Der Niger ist Afrikas drittlängster FlussBild: Nicolas Remene/Le Pictorium/MAXPPP/dpa/picture alliance

Das satellitengestützte Frühwarnsystem, bestehend aus 27 Messstationen, mache innerhalb von 24 Stunden präzise Vorwarnungen möglich, sagt GIZ-Projektleiter Jochen Rudolph im DW-Gespräch. Aus den Daten generierte Hochwasserkarten ließen zudem Schlüsse zu, wann die Bevölkerung an welchen Orten evakuiert werden sollte.

Größere Staudämme und gute Stadtentwicklung planen

Allerdings klappe es nicht immer mit der Umsetzung der Analyse. Das seien Kosten, die manche Länder nicht einfach tragen könnten, sagt Rudolph, dabei trügen die Staaten bereits einen nennenswerten Beitrag zu den Kosten bei.

Ähnlich wie die ABN arbeite eine Vielzahl von Kommissionen auf dem Kontinent, betont Rudolph. So zum Beispiel die Nilbecken-Initiative, eine Kommission für den Viktoria-See in Ostafrika, auch eine für Okawango im südlichen Afrika und eine für das Volta-Flusssystem in Ghana und Burkina Faso. Doch es gebe Verbesserungsbedarf: Fluten könnten durch größere Staudämme abgefedert werden. "Drei werden am Niger geplant und schon gebaut. Mit Rückhaltebecken, die verhindern, dass der Abfluss von Wassermassen in der Regenzeit so gewaltig ist, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war."

Doch ganz gleich, wie groß die Bemühungen um die Regulierung der Wassermassen sind: Die Auswirkungen des Klimawandels werden die Menschen mehr und mehr dazu zwingen, sich anzupassen. Zu diesem Schluss kommt der WMO-Bericht ebenso wie die von der DW befragten Experten. Gerade angesichts einer wachsenden Bevölkerung sei ein guter Plan für die Stadtentwicklung von grundlegender Bedeutung, sagt Issa Bakayoko: "Ein solcher Plan muss die überschwemmungsgefährdeten Gebiete definieren und sie als Auffanggebiete freihalten, darf sie also nicht den Menschen zum Wohnen zur Verfügung stellen." Wenn den Ländern das gelinge, könne das die Auswirkungen von Überschwemmungen drastisch verringern.

Mitarbeit: Antonio Cascais, Mohammed Al-Amin (Nigeria)

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