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PolitikAfrika

Afrika: Krise in Sahelzone spitzt sich zu

Martina Schwikowski
19. August 2020

Nach dem Putsch in Mali ist die Sicherheit in der Region gefährdet: Im Sahel könnte es Nachahmer geben, warnen Experten. Kritik gibt es an der Regionalgemeinschaft ECOWAS.

Soldaten mit Waffen auf einem Auto
Soldaten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Bamako, der Hauptstadt MalisBild: Reuters/M. Kalapo

Es ist nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Situation in Mali eskaliert, findet Abdoulaye Sounaye. "Wenn man sich ansieht, was in den vergangenen fünf oder sechs Monaten los war, konnte man es auf die eine oder andere Art kommen sehen", sagt der nigrische Sozialwissenschaftler, der am Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin forscht.

Am Dienstag nun ist die Lage eskaliert. Wenige Stunden nach seiner Festnahme durch aufständische Soldaten erklärte Staatschef Ibrahim Boubacar Keita seinen Rücktritt - die Putschisten versprachen am Mittwoch Neuwahlen. Regierungskritische Demonstranten bejubeln die Meuterer. Aber die möglichen Auswirkungen der Entmachtung Keitas auf die Sicherheitslage in der Sahelregion sind besorgniserregend, warnen Experten.

Seit Wochen Massenproteste

"Die politische Lage nach dem Militärputsch in Bamako ist leider jetzt noch einmal um einiges schlimmer, als sie es zuvor schon war", sagt Thomas Schiller, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Sahel. Seit Juni hatte die Oppositionsbewegung M5-RFP bereits Massenproteste gegen die Regierung und den Staatspräsidenten organisiert. 

Staatschef Keita war stark unter Druck geraten, weil es ihm nicht gelang, den seit 2012 andauernden dschihadistischen Aufstand im Norden unter Kontrolle zu bringen, der sich inzwischen auch ins Zentrum des Landes ausgedehnt hat. 2019 bereiste Bundeskanzlerin Angela Merkel die Länder Mali, Burkina Faso und Niger. Sie hörte häufig in Gesprächen: Die Sicherheit der ganzen Region sei bedroht. Merkels Antwort damals: "Die Terroristen sind schnell. Und deshalb müssen wir schneller werden, damit wir sie auch wirklich bezwingen können." Tausende Soldaten und Zivilisten wurden im Kampf gegen die Milizen getötet, hunderttausende Menschen sind geflohen.

2019 besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel auch MaliBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Doch die Absetzung einer verfassungsmäßigen Regierung durch das Militär kann die internationale Gemeinschaft nach Ansicht von KAS-Leiter Schiller dennoch nicht einfach akzeptieren. Und das tun sie nicht: Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Europäische Union verurteilten den Putsch. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) suspendierte die Mitgliedschaft Malis, bis das Land zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehre.

ECOWAS enttäuscht

Der Außenminister des Niger, Kalla Ankourao, hat sich im Gespräch mit der DW enttäuscht gezeigt. Ankourao ist in seiner Funktion als Außenminister Teil des Vermittler-Teams der ECOWAS, deren Vorsitz derzeit der Niger hat. "Zwei Monate lang haben wir versucht, zu vermitteln und gehofft, dass sich das malische Volk an die Vorgaben der ECOWAS halten würde, nämlich Demokratie und gute Regierungsführung. Der Putsch war ein brutaler Stopp der Verhandlungen", sagte Ankourao der Deutschen Welle.

Doch es gibt auch scharfe Kritik an der Regionalgemeinschaft. "Sie interveniert immer erst sehr spät. Wenn das Regime versagt, die öffentlichen Kassen plündert und Freiheiten beschränkt, sagt die ECOWAS nichts", bemängelt Oppositionspolitiker Mamane Sani Adamou in Nigers Hauptstadt Niamey. "Sobald aber die Leute auf die Straße gehen, um das Regime zu stürzen, dann wacht ECOWAS auf und verweist auf die Regeln der Gemeinschaft."

Protest im Juni: Seit mehreren Wochen zeigen Demonstranten in Mali ihre Unzufriedenheit auf der StraßeBild: Getty Images/AFP/M. Cattani

Die Protestbewegung M5 bejubelt den Rücktritt des Präsidenten und sieht dies als "Sieg des souveränen Volkes von Mali". So bezeichnete es Mohamed Salia Touré, Vertreter der M5. Touré betont allerdings auch, dass es mit einem Wechsel an der Staatsspitze nicht getan ist: "Jetzt beginnt die eigentliche harte Arbeit."

Putsch: Kein Wandel - nur Fassade

Sozialwissenschaftler Sounaye ist skeptisch, ob der Putsch zu einem realistischen Wandel führt: "Wenn ich auf die vergangenen zwanzig Jahre blicke und Niger und Mali anschaue - da lief es immer gleich ab: Das Militär springt ein, gibt nur vor oder versucht doch real aufzuräumen. Aber am Ende verändern sie kaum die strukturellen Bedingungen, die zur Krise führten.", sagt Sounaye der DW.

Sicherheitskräfte fahren am Tag nach dem Putsch durch die Straßen von BamakoBild: picture-alliance/dpa/AP/B. Ahmed

Er glaubt, nach dem Putsch in Mali könnte es in der Region Nachahmer geben. "In Niger, Burkina Faso und auch der Elfenküste gibt es ähnliche politische Situationen. Der einzige Unterschied ist höchsten, dass sich die Dinge in Mali in Vergleich zu den anderen Ländern bereits seit längerer Zeit verschlechtern." Es werde sicherlich Gruppen oder Personen geben, die von den Ereignissen in Mali zu Taten inspiriert werden, fügt Sounaye an. Klar ist: "Alle drei Länder teilen die Sorge um Machtmissbrauch, Korruption, bewaffnete Milizen. Vielleicht war Mali nur etwas voraus mit einer Zivilgesellschaft, die Proteste und Widerstand mobilisieren konnte."

Bundeswehr zurückhalten

Für die Bundeswehr, die in Mali im Einsatz ist, ist es noch zu früh um abschätzen zu können, wie sich der Putsch nun auf die Sicherheitslage auswirkt. "Aus unserer Sicht ist die Sahel-Region ohnehin ein Ort der Instabilität", sagte ein Bundeswehr-Sprecher der DW. "Das ist auch eine der großen Ursachen für die Migrationsbewegungen Richtung Europa." Als Gründe nennt er politische Instabilität, ethnische Konflikte und die Extremisten. "Wir müssen sehen, wie stabil dieses Gebilde ist."

Mitarbeit: Sandrine Blanchard, Eric Topona, Salissou Boukari, Uta Steinwehr, Simon Young

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