Warum es viele Putsche in Afrika gibt - und was 2026 kommt
16. Dezember 2025
Zwei Putsche und ein vereitelter binnen acht Wochen - das ist selbst für Afrikas jüngere Geschichte eine neue Dimension. Im Oktober hatte das Militär in Madagaskar nach wochenlangen Protesten den Präsidenten entmachtet; im November setzten Soldaten in Guinea-Bissau den Staatschef ab, kurz nach einer aus ihrer Sicht manipulierten Wahl. Anfang Dezember verkündeten einige Soldaten als selbsternanntes "Militärkomitee für Erneuerung" auch in Benin eine Machtübernahme, wurden schließlich aber nach Intervention der Präsidentengarde und regionaler Partner festgenommen.
Aktuell stehen acht afrikanische Länder unter Militärherrschaft; ein "Putsch-Gürtel" zieht sich quer über den Kontinent, überlappend mit der Sahelzone, überwiegend in frankophonen Ländern. Warum gibt es momentan so auffällig viele Putsche in Afrika - und droht die Dynamik auch weitere Länder zu erfassen?
Die drei Treiber für Putsche
Afrika sei nicht anders als andere Erdteile, betont Jakkie Cilliers, Gründer und Aufsichtsratschef des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien (ISS). Aber viele Länder hätten spezifische Herausforderungen: "In Westafrika und im Sahel gibt es in einigen Ländern ein sehr rasches Bevölkerungswachstum. Viele junge Menschen und damit auch junge Männer, die oft für Instabilität verantwortlich sind, sind zunehmend besser ausgebildet - aber es gibt keine Jobs und keine Möglichkeiten. Das ist eine volatile Situation", sagt Cilliers im DW-Interview.
Cilliers vergleicht die sozioökonomischen Voraussetzungen mit Benzin, das einen Lappen tränkt. Je mehr Benzin da ist, desto gefährlicher ist ein Funke - oder desto aussichtsreicher ein möglicher Putsch. Auch ein erfolgreicher Putsch im Ausland könne ein Momentum erzeugen, das abtrünnige Militärs zu einer Aktion im eigenen Land motiviert.
Insgesamt ließen sich immer wieder drei strukturelle Treiber für Putsche und Putschversuche beobachten: Wirtschaftlicher Druck (der zum Beispiel auch den sogenannten Arabischen Frühling 2011 auslöste), Sicherheitskrisen (wie seit Jahren im Sahel), aber auch die Spannungen rund um Wahlen. "Wahlen erhöhen das Risiko, insbesondere wenn Amtsinhaber die Macht behalten wollen oder wenn Institutionen schwach sind", so der ISS-Gründer.
Welche Länder besonders im Fokus stehen
Beverly Ochieng, Forscherin im Afrika-Programm des US-amerikanischen Zentrums für Strategische und Internationale Studien (CSIS) mit Sitz in Dakar, fügt dieser Liste weitere Punkte hinzu: "Gibt es innerhalb des Militärs Unmut über Bezahlung oder Arbeitsbedingungen? Gibt es Aufwiegler, die einen Vorteil aus der Unzufriedenheit mit der Regierung ziehen wollen und die Menschen mobilisieren oder das Zusammenspiel der Institutionen stören?" Es gebe Länder, die in einigen Punkten anfällig sind, sagt Ochieng im DW-Interview. "Auch wenn dort nicht notwendigerweise geputscht wird, wären Staatsstreiche wahrscheinlich erfolgreich."
Ein jeder Putsch-Plan beginnt mit strikter Geheimhaltung, andernfalls würden die Beteiligten sofort verhaftet. Insofern ist es auch schwierig bis unmöglich, Vorhersagen zu treffen, ob der aktuellen Putsch-Welle noch weitere Länder folgen könnten - und wenn ja, welche.
Ein besonderes Risiko neuer Putsche macht Ochieng in den Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und Niger aus, die allesamt bereits unter Militärherrschaft stehen. Auch den Tschad sollte man im Auge behalten, da es innerhalb des Militärs Meinungsverschiedenheiten gebe.
Darüber hinaus nennt die Sicherheitsexpertin Côte d'Ivoire, wo der zivile Präsident Alassane Ouattara gerade erst seine vierte Amtszeit begonnen hat. "Das war in der Opposition sehr umstritten, und das Land kennt Militärinterventionen aus seiner Geschichte", sagt Ochieng. Auch Guinea solle man im Auge behalten: Dort sollen am 28. Dezember Wahlen die Übergangsphase nach dem Putsch von September 2021 offiziell beenden. "Doch es bleiben Bedenken, vor allem weil die Opposition wohl nicht teilnehmen wird. Es gab auch Meinungsverschiedenheiten über den Umgang der Junta mit Gegnern innerhalb des Militärs", sagt Ochieng.
Wie lassen sich Putsche verhindern?
Auch dann, wenn Meuterer gute Voraussetzungen für einen Putsch vorfinden und einen Plan schmieden, ist es noch nicht zu spät, ihn abzuwenden: In Benin war es der Regierung von Präsident Patrice Talon binnen Stunden gelungen, die Überhand zurückzugewinnen. Dabei halfen mehrere Akteure: Soldaten einer Eingreiftruppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sowie aus Nigeria, dessen Regierung ein Interesse daran hat, dass sein westlicher Nachbar stabil bleibt. Und auch die frühere Kolonialmacht Frankreich unterstützte die Niederschlagung des Putschs mit Geheimdienstinformationen und Logistik.
Für Beverly Ochieng ist Benin ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn Regierung und regionale Gemeinschaften rasch und entschieden handeln. "Das ist wahrscheinlich der erste Putsch, der erfolgreich vereitelt wurde, als er bereits im Gange war." Sie glaubt, das wäre auch im Juli 2023 in Niger möglich gewesen: "Damals gab es Sorgen, dass es zu Kämpfen zwischen den Sahel-Staaten und ECOWAS-Eingreiftruppen kommen könnte. Deshalb verzögerten sich Entscheidungen." Dabei hätte es ein mögliches Zeitfenster für ein Eingreifen gegeben, in dem auch Proteste gegen den Putsch stattgefunden hätten, meint Ochieng.
Bei den vollendeten Putschen der vergangenen Jahre blieb der ECOWAS und der Afrikanischen Union (AU) in den letzten Jahren nur der Handlungsspielraum, nachträglich Mitgliedschaften zu suspendieren und Sanktionen zu verhängen. Zeigt das Beispiel Benin, dass sich die Organisationen inzwischen besser auf die Putsch-Problematik eingerichtet haben? "Wir haben zuletzt gesehen, dass ECOWAS und AU einen vorwärtsgewandteren, robusteren Ansatz fahren", meint Jakkie Cilliers. Doch er zweifelt: "Ich bin mir nicht sicher, ob das auch abschreckend wirkt."
Der ISS-Gründer glaubt allerdings auch, dass neue Putsche nicht mehr so leicht die Gunst der Bevölkerung erlangen dürften: "Es ist eingetreten, was wir erwartet haben: Die Verheißungen der Putsche in Westafrika wurden bisher nicht erfüllt. Die strukturellen Probleme sitzen tief, und es gibt keine kurzfristigen Lösungen für sie."
Das bedeutet auch: Putschrisiken verringern sich langfristig nur über eine solide Entwicklung, an der die gesamte Bevölkerung eines Staates teil hat - wirtschaftlich sowie über den Zugang zu Bildung, grundlegenden Gütern und Rechten.