Gewinner oder Verlierer
6. Februar 2012 Klare Aussagen sind eines der Markenzeichen der britischen Zeitschrift "The Economist". Vor zehn Jahren bezeichneten ihre Journalisten Afrika in einer Titelgeschichte noch als "den hoffnungslosen Kontinent". Heute treffen sie genauso klare Aussagen, aber die klingen ganz anders. Eine Titelgeschichte über Afrikas Wirtschaftslage vor wenigen Wochen trug die Überschrift: "Die Sonne lacht". Die Zahlen geben den Journalisten recht - und ihre Prognose teilen viele andere Experten. 5,3 Prozent Wirtschaftswachstum in Afrika prognostiziert die Weltbank für 2012. "Die Dinge sehen gut aus", sagt auch Anver Vasi, Chefredakteur des Fachblatts "African Business". "Sieben der zehn Länder mit dem höchsten Wirtschaftswachstum weltweit liegen in Afrika", zitiert der Fachmann eine Statistik des Internationalen Währungsfonds.
Auch die Volkswirte der Afrikanischen Entwicklungsbank (ADB) in Tunis sagen ein Wachstum von mehr als fünf Prozent auf dem Kontinent in diesem Jahr voraus. Doch hinter den optimistischen Prognosen steht ein großes Fragezeichen. "Wenn sich die Wirtschaft in den Ländern der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) anders entwickelt, wird das schwerwiegende Folgen für Afrika haben", sagt Desire Vencatachellum, Direktor der Forschungsabteilung der ADB. Die OECD ist ein Zusammenschluss der wichtigsten westlichen Industrienationen. Experten verweisen auf 2009: Damals hatte die Weltbank dem Kontinent ein Wirtschaftswachstum von 5,1 Prozent vorausgesagt. Als die Weltwirtschaft nach der Pleite des Bankhauses "Lehmann Brothers" zusammenbrach, gingen die Raten auch in Afrika nach unten. Die Wirtschaft wuchs dann nur noch um zwei Prozent.
Rohstoffe könnten Afrika in die Krise ziehen
"Ein Rückgang des Wirtschaftswachstums in Europa um ein Prozent bedeutet einen Rückgang des Wachstums in Afrika um 0,5 Prozent", sagt ADB-Experte Vencatachellum. Denn noch immer hängen viele afrikanische Länder vom Rohstoffexport ab. 70 Prozent aller Exporteinnahmen erzielen die afrikanischen Staaten durch den Verkauf von Rohstoffen. Wenn die Preise für Kohle, Holz oder Metall wegen sinkender Nachfrage aus Europa einbrechen, bremst das das Wachstum in Afrika. Bis jetzt sind solche Effekte aber ausgeblieben. Zudem haben die afrikanischen Länder in dieser Krise einen gewissen Schutz. Außer Europa balgen sich auch asiatische Länder wie China oder Indien um Afrikas Rohstoffe. Daher bleiben die Rohstoffpreise hoch, auch wenn Europa weniger kaufen sollte. "Langfristig könnte es aber schwieriger werden, weil asiatische Länder wie China auch von der Wirtschafskraft Europas abhängen, weil sie viele ihrer Produkte dorthin exportieren. Wenn sie also betroffen sind, dann sinkt natürlich auch die Nachfrage nach Rohstoffen aus Afrika", sagt African Business-Chef Vasi.
Die Weltbank nennt zwei weitere Gefahren durch die Krise: Zum einen könnten auch die Einnahmen aus dem Tourismus einbrechen, wenn die Besucher aus Europa wegen der Krise ausbleiben. Vor allem Länder wie Kenia, Südafrika oder Mauritius wären davon betroffen. Zum anderen hängen gerade Krisenstaaten wie Somalia von den Überweisungen von Afrikanern aus dem Ausland ab. Verlieren diese wegen der Krise ihren Job, würden auch diese Zahlungen deutlich abnehmen. Noch geht die Weltbank aber davon aus, dass die Überweisungen aus dem Ausland 2012 auf 24 Milliarden Dollar steigen werden.
Darling der Investoren?
Hoffnung auf eine positive Wirtschaftsentwicklung gibt auch das starke Interesse ausländischer Investoren an Afrika. Der Krise zum Trotz wollen viele in Afrika investieren. "Wir spüren gesteigertes Interesse", sagt Michael Monnerjahn vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. "Es gibt viele Unternehmen, die erkennen, dass die Wachstumsmärkte in Asien nicht mehr so schnell wachsen, oder die Konkurrenz dort sehr hoch ist. Sie erhoffen sich, in Afrika auf Märkte zu treffen, die noch nicht so erschlossen sind", sagt Monnerjahn. Seine Erfahrung deckt sich mit einer Studie des "Economist". Die Hälfte der dafür befragten Investoren stimmte der Aussage zu, dass Afrika in den nächsten zehn Jahren eine der attraktivsten Regionen für Investitionen weltweit sein wird. Ein Drittel will mindestens fünf Prozent seiner Investments in den kommenden Jahren in Afrika anlegen.
Das ist wenig im Vergleich zu anderen Ländern - aber mehr als in der Vergangenheit. Denn mehr als die Hälfte aller Befragten hat bisher gar nicht oder kaum in Afrika investiert. Wachstumsimpulse bekommt die Wirtschaft auch von innen. Denn langsam wächst in vielen afrikanischen Ländern eine Mittelklasse heran. Die hat Geld - und will es auch ausgeben. "Diese Menschen denken zum Beispiel darüber nach, in eine größere Wohnung zu ziehen, einen Stromanschluss zu beantragen, ein Mobiltelefon zu kaufen oder wollen Bankdienstleistungen nutzen. Hier sehen Unternehmen auch ein großes Potenzial", sagt Michael Monnerjahn.
Mehr innerafrikanischer Handel
Um die Effekte der Krise zu meistern, raten die Experten den afrikanischen Ländern, sich von den Exportmärkten in Europa unabhängiger zu machen. Freihandelszonen sind in den letzten Jahren auf dem Kontinent gewachsen - zum Beispiel die Ostafrikanische Gemeinschaft oder der gemeinsame Markt für Ost-, Zentral- und das südliche Afrika COMESA. "Wir haben viel zu wenig innerafrikanischen Handel. Wenn es also ein Problem in der Weltwirtschaft gibt, wirkt sich das sehr stark auf Afrika aus. Es wäre also sehr hilfreich, wenn sich die regionale Integration fortsetzt", sagt Desire Vencatachellum von der Afrikanischen Entwicklungsbank. Schritte dazu gibt es bereits: So verhandeln die Mitgliedsländer der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft bereits über eine gemeinsame Währung.
Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Katrin Ogunsade