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Politik

Afrika wächst - und die Armut nimmt zu

Martina Schwikowski
21. September 2018

Afrikas Bevölkerung wächst rasant und soll sich bis 2050 verdoppeln. Eine aktuelle Studie der Gates-Stiftung rät zu mehr Geburtenkontrolle. In Äthiopien hat der Sinneswandel schon begonnen.

Symbolbild Afrika Schwanger
Bild: imago/i Images/A. Parsons

Auf dem afrikanischen Kontinent leben 1,3 Milliarden Menschen. In 32 Jahren sollen es doppelt so viele sein, und wenn das das Wachstum der Wirtschaft mit dem der Bevölkerung nicht mithalten kann, steigt die Armut. Die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates nahm diesen Trend zum Anlass, eine neue Studie herauszugeben.  Die Prognosen im aktuellen Bericht "Goalkeepers 2018" sind eher düster: 2050 sollen rund 40 Prozent der extrem armen Bevölkerung der Welt in nur zwei Ländern leben: in Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo.

Derzeit leben in Nigeria rund 190 Millionen Menschen. Jede Frau bringt dort durchschnittlich fünf Kinder zur  Welt. Und das hat Folgen: "Es sieht jetzt schon ziemlich schlimm aus in Nigeria", sagt Farouk Jega, Direktor des Nigeria-Büros der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung im DW-Interview. "Die zunehmende Armut verschärft die Sicherheitslage, verursacht Unruhen, und auch die Kriminalität steigt. Der Gesundheitsminister wirbt zwar für moderne Verhütungsmittel. Aber nur zehn Prozent der Frauen benutzen sie". Vor allem  ärmere Frauen und Familien hätten oft gar keinen Zugang zu Kondomen und anderen Mitteln.

Traditionelles Frauenbild

In großen Teilen Nigerias dominiert - wie in vielen afrikanischen Ländern - ein traditionelles Rollenverständnis der Frau. Um das zu ändern, arbeite die Regierung mit der Zivilgesellschaft, religiösen Oberhäuptern und traditionellen Führern, sagt Jega. Mit Erfolg: Die Einwohner diskutieren bereits über die Nachteile von Kinderehen und das verbreitete Stereotyp, dass viele Kinder ein Garant für die Altersversorgung seien. Jega: "Es steht ein langer Prozess an, das Bewusstsein und Verhalten der Menschen zu verändern."

Ein Gesundheitsbeamter misst in einem Lager für Vertriebene in Nigeria den Armumfang eines KindesBild: Getty Images/AFP/F. Plaucheur

Mehr Bildung für Frauen und innovative Einkommensquellen für sie zu bieten - das sei der beste Weg, das Problem in Chancen umzuwandeln, glaubt Jega. Aber bisher ist die Geburtenrate nicht zurückgegangen. Im Kampf gegen Überbevölkerung schlägt die Stiftung des Ehepaars Gates vor, stärker in die Gesundheit und Bildung junger Menschen zu investieren.  "Wenn jede Frau in Sub-Sahara Afrika in der Lage wäre, die Anzahl der Kinder zu haben, die sie wirklich möchte, wäre das Bevölkerungswachstum schon um 30 Prozent reduziert", schreibt sie.

Auch Männer gefragt

In der Demokratischen Republik Kongo wird die Entwicklungsarbeit durch anhaltende Kriege erschwert, sagt Frederick Okwayo, Mitarbeiter des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) in Johannesburg.  "Die logistische Versorgung ist schwierig wegen der schlechten Infrastruktur. Aber  wir versuchen in die Flüchtlingslager zu gehen und dort Menschen zu helfen, auch bei der Familienberatung", sagt Okwayo. Wichtig sei für alle Länder: Die Männer müssten miteinbezogen werden, um ihnen die Vorteile kleinerer Familien zu zeigen. Regierungen seien auch stärker gefordert, Reformen zu leiten und Hilfsorganisationen zu unterstützen.

Derzeit machen Afrikaner rund ein Sechstel der Weltbevölkerung aus

Die Bevölkerung Nigerias wird bis 2050 auf 400 Millionen anwachsen, und im Kongo werden zweieinhalb Mal soviel Menschen leben wie jetzt, sagt Alisa Kaps, Mitarbeiterin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Angesichts dieser Raten wird die Versorgung mit Nahrung, Gesundheitseinrichtungen und Arbeit zunehmend schwieriger: "Das Wirtschaftswachstum wird von dem hohen Wachstum der Bevölkerung aufgefressen", sagt Kaps in einem DW-Interview. "Jedes Jahr wachsen fast 20 Millionen Menschen in Afrika in das Erwerbsalter hinein, aber es stehen nur drei Millionen formale Jobs zur Verfügung. Woher soll das Geld kommen?"

Ideologische Gegensätze

Noch immer gebe es afrikanische Präsidenten, die sich für eine Zunahme der Geburten einsetzten, sagt Kaps. "Ich finde das bedenklich." Einer von ihnen ist John Magufuli in Tansania. Er hat Anfang September Frauen aufgefordert, Verhütungsmittel wegzulassen, denn das Land brauche mehr Menschen. Mehr als die Hälfte der 53 Millionen Tansanier lebt unterhalb der Armutsgrenze von zwei Dollar am Tag. Magufuli ließ sich auch von Kritik der Opposition nicht beirren und verbot einer amerikanischen Hilfsorganisation, in den Medien für Familienplanung zu werben.

Laut der Gates-Studie kriegen Afrikanerinnen mehr Kinder als sie sich wünschen - auch wegen fehlendem Zugang zu VerhütungsmittelnBild: Getty Images/AFP/S. Maina

Im krassen Gegensatz zu Magufulis Politik stehen andere Länder: Ruanda hat in den Jahren nach dem Genozid das einst desolate Gesundheitssystem verbessert – einschließlich der Familienplanung. Das kleine Land hat die Einnahme von Verhütungsmitteln bei Frauen um 60 Prozent gesteigert und gilt ebenso wie Botswana zu den Erfolgsbeispielen, wenn es um eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums geht.

Vor allem Äthiopien wandelt sich jedoch "Vom Hungerland zum Hoffnungsträger" - so der Titel einer Freitag (21.09.2018) herausgegebenen Studie der Berlin-Instituts. Die Zahl der Kinder pro Frau sei von sieben auf viereinhalb gesunken, weil die Regierung in den drei Kernbereichen Gesundheit, Bildung und Schaffung von Arbeitsplätzen eingehakt habe, sagte Alisa Kaps. "Das ist der schnellste Rückgang der Geburtenrate in Sub-Sahara-Afrika." Mehr als 30.000 Frauen sind als Gesundheits-Arbeiterinnen ausgebildet worden, und jede Gemeinde bietet eine gesundheitliche Grundversorgung an. Das beeinflusst nicht nur das Bevölkerungswachstum. Laut Kaps ist die Lebenserwartung um sechs Jahre auf rund 66 Jahre gestiegen.

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