Afrikanische Gewerkschaften gegen chinesische Multis
7. August 2018Joe Macharia erzählt immer noch gerne, wie er den Bauriesen aus Fernost in die Knie zwang. "Man braucht eine gute Portion Hartnäckigkeit und muss lange mit dem Management streiten", sagt der kenianische Gewerkschaftsführer. Macharia und seine Mitstreiter von der Bau-, Konstruktions- und Holzarbeiter-Gewerkschaft Kenias hatten beides. Nach monatelangem Tauziehen trotzten sie der China Communications Construction Company (CCCC) eine Vereinbarung ab. Löhne, Arbeitszeit und Urlaubsanspruch sind nun geregelt. Dabei ist die CCCC nicht irgendein Unternehmen: Sie baut die neue Eisenbahnstrecke von der Hafenstadt Mombasa bis zur Grenze mit Uganda, Kenias größtes Infrastrukturprojekt seit der Unabhängigkeit.
Dumping-Löhne und fehlende Arbeitsverträge
"Kollektivvereinbarungen mit chinesischen Firmen zu verhandeln ist wirklich das Schwierigste, dass ich bisher in meinem Berufsleben erlebt habe", sagt Gewerkschaftsboss Macharia zur DW. Die größte Herausforderung: Die Verantwortlichen überhaupt an den Verhandlungstisch zu kriegen. "Wir haben Gerichtsprozesse und Streiks hinter uns bringen müssen, bis sie dazu bereit waren", erzählt Macharia. Es hat sich aber gelohnt: Während der staatliche Mindestlohn in diesem Jahr nur um 5 Prozent gestiegen ist, stieg er für alle Arbeiter, die unter den Tarifvertrag fallen, um neun Prozent.
Rund 2000 chinesische Firmen machen in Afrika Geschäfte. Vor allem der Ausbau der Infrastruktur - Straßen, Schienen oder Häfen - ist zur Domäne Chinas geworden. Als Heilsbringer gelten die Unternehmen aus Fernost aber schon lange nicht mehr: "Sie kennen die Arbeitsgesetze nicht und verstehen ihre Mitarbeiter nicht. Es gibt eine Menge Streit zwischen den chinesischen Arbeitgebern und den kenianischen Arbeitnehmern", klagt Kenias Arbeitgeberpräsidentin Jacqueline Mugo in der Wirtschaftszeitung "Business Daily". Nach ihren Angaben zahlen viele nicht den gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn. Laut einer McKinsey- Studie einer internationalen Unternehmensberatung hat außerdem weniger als die Hälfte aller kenianischen Angestellten bei chinesischen Firmen keinen Arbeitsvertrag.
In einigen Fällen hat sich die Lage durch das Engagement der Gewerkschaften dagegen verbessert: Gut 80 Kollektivvereinbarungen haben sie in ganz Afrika mit chinesischen Firmen abgeschlossen. Rund 50.000 lokale Mitarbeiter sind mittlerweile dort organisiert. "Im Verhältnis zur arbeitsfähigen Bevölkerung mag das nicht viel sein, aber es ist ein Anfang. Vor allem ist es ein Anfang in einem politischen Umfeld, in dem man nicht vermuten würde, dass Gewerkschaften dort innovativ tätig sein können", sagt Bastian Schulz, Gewerkschaftsexperte der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Johannesburg.
Chinas Angst vor Imageverlust
Denn die meisten Gewerkschaften in Afrika sind schwach: Sie haben zu wenig Mitglieder, zu wenig Geld, zu wenige qualifizierte Verhandler für Tarifgespräche. "Ein multinationales Unternehmen hat mindestens hundert Mal so viele Anwälte wie die Gewerkschaft Mitglieder hat, die sich mit Tarifverhandlungen auskennen", so Schulz zur DW.
Einige Gewerkschaften haben aber gelernt, wie sie die Unternehmen aus Fernost trotzdem packen können: Chinas Führung hat erkannt, dass ihr Image durch den schlechten Ruf der Staatsfirmen Kratzer bekommt. Dadurch könnte es in Zukunft schwerer werden, lukrative Aufträge in Afrika zu ergattern. "Die Gewerkschaften haben das Interesse Chinas genutzt, positiv wahrgenommen zu werden. Manche Gewerkschaften sind faktisch in die Botschaften gegangen und haben darauf hingewiesen, wie sich ein Unternehmen verhält. Dadurch ist ein Druckmoment entstanden", sagt Experte Schulz. Wo das nicht ausreichte, kam das klassische Gewerkschaftsrepertoire zum Einsatz: 2016 veranstalten sie afrikaweit 66 Streiks in chinesischen Firmen.
Flächendeckende Tarifverträge sind trotzdem nicht in Sicht. Joe Macharia macht das an zwei Zahlen deutlich: Seine Baugewerkschaft hat Abkommen mit sieben Firmen unterschrieben - und kämpft darum, von 32 anderen als Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: "Wenn in der Zukunft noch mehr Infrastrukturprojekte an chinesische Firmen gehen, werden die Herausforderungen für uns noch viel, viel größer", glaubt er.