Afrikanisches Leben in Portugal
20. Januar 2011Der angolanische Schriftsteller, José Eduardo Agualusa, geht die steilen Treppen der Lissabonner Altstadt nach oben. Hier, am Largo São Cristovão, gibt es seit Jahrzehnten viele kapverdische Restaurants, die früher ausschließlich von Kapverdiern besucht wurden, erinnert sich der Schriftsteller. Doch das ist heute anders, denn die Kapverdier sind viel stärker integriert, weil die kapverdische Musik auch bei den Portugiesen groß in Mode gekommen ist.
Neue Heimat
Dann deutet José Eduardo Agualusa, der in den 1980er Jahren zum Studieren nach Lissabon gekommen war, auf ein angolanisches Restaurant und erklärt, dass die angolanischen Lokale, Bars und Diskotheken nach wie vor hauptsächlich von seinen Landsleuten besucht werden, die in der Regel mehr Geld haben als die anderen Einwanderer. Vor einem Haus mit traditioneller Kachelfassade bleibt er schließlich stehen: "Cantinho do Aziz" heißt das mosambikanische Restaurant. Drinnen bestellt er bei Sinito Adam, dem Sohn des Restaurantbesitzers, ein Hühnchen auf Zambezi-Art, das mit Kokos und Zitrone zubereitet wird.
Bis heute ist das "Cantinho do Aziz", das Sinitos Eltern vor über 30 Jahren eröffnet haben, eines der wenigen mosambikanischen Restaurants in Lissabon, denn die Gemeinde der mosambikanischen Einwanderer ist vergleichsweise klein. Der Sohn des Restaurantbesitzers kennt sein Heimatland nur aus den Ferien. Seine Eltern waren vor dem Bürgerkrieg geflohen - eine Rückkehr kommt für sie bis heute nicht in Frage. Lissabon ist für die Familie längst zur neuen Heimat geworden. Und doch ist für den Sohn bisweilen der Gedanke reizvoll, eines Tages nach Mosambik zurück zu gehen: "Heimat ist schließlich Heimat. Und Mosambik ist dabei, sich zu entwickeln. Ja, ganz Afrika wächst und wächst. Wenn das so weiter geht, würde ich gerne meine Landsleute unterstützen und meinen Beitrag zum Wachstum Afrikas leisten."
Lebensmittelpunkt Lissabon
Der Taxifahrer, Moreno da Silve, hingegen ist bereits mit der Rückkehr in sein Heimatland gescheitert: Bei dem Versuch in Sao Tomé e Principe - zwei Inseln vor der westafrikanischen Küste - ein eigenes Geschäft zu eröffnen, erlitt er Schiffbruch. Bald darauf war er wieder zurück bei seiner Familie in Lissabon. Doch nun macht ihm die wirtschaftliche Krise Portugals zu schaffen. Da seine Einnahmen bedeutend zurückgegangen sind, überlegt er für eine Weile zum Arbeiten nach Frankreich zu gehen. Mit dem Geld will er seine Existenz in Lissabon auf festere Füße stellen. Der 37-Jährige plant, in Lissabon eine Döner-Bude aufzumachen, denn Döner-Kebap sucht man in Portugal bislang vergebens, und Lissabon ist längst zu seinem Lebensmittelpunkt geworden. Als Standort schwebt ihm Amadora vor, ein Vorort im Norden Lissabons, wo neben Brasilianern auch viele Afrikaner von den Kapverden, Sao Tomé und aus Guinea-Bissau leben. Moreno da Silva schätzt die Solidarität in dem Vorort: "Wenn dir Kartoffeln oder Reis fehlen, gehst du einfach rüber zu einem Nachbarn und bittest ihn darum. In Amadora halten wir zusammen - es ist fast wie in Afrika."
Verschwimmende Grenzen
In Amadora und manchen anderen Gegenden von Lissabon verschwimmen die Grenzen zwischen Afrika und Europa: Für viele Afrikaner ist Lissabon schon seit mehreren Jahrzehnten ihr Zuhause; neue Generationen wurden hier geboren. Andere leben sowohl in Portugal als auch auf dem afrikanischen Kontinent, denn die Situation in den meisten ehemaligen portugiesischen Kolonien hat sich inzwischen weitestgehend stabilisiert. Der Zuwandererstrom ist bedeutend kleiner geworden, doch Lissabon ist weiterhin eine Art Brücke zwischen den beiden Nachbarkontinenten.
Autorin: Nina Gruntkowski
Redaktion: Katrin Ogunsade