Afrikas Gefühle bei der Weltmeisterschaft
21. Juni 2006Zunächst blieben noch die kämpfenden Angolaner im Wettbewerb, doch als am 19. Juni die Nacht hereinbrach, taten sie es der Elfenbeinküste gleich und flogen aus dem Wettbewerb. Der einzige wirkliche Jubel kam bisher bei Ghanas überraschendem Sieg gegen den Zweiten der FIFA-Weltrangliste, die Tschechische Republik, auf.
Einer für alle, alle für einen
Im Falle Afrikas gibt es eine Besonderheit: Es ist der einzige Kontinent der Welt, der seine Teams auch als Kontinent unterstützt (obwohl aus einem unbekanntem Grund die Schwarzafrikaner Teams aus dem Norden wie Tunesien meist nicht in derselben Weise unterstützen wie die Mannschaften aus Ländern südlich der Sahara). Südamerikanische, europäische und asiatische Nationen unterstützen bei der WM in erster Linie ihre eigenen Nationalteams. Dagegen drücken die meisten Afrikaner – auch in Ländern, die nicht an der Weltmeisterschaft teilnehmen – in Sätzen wie "Unser erstes Spiel ist am Freitag" oder "Warum unsere Chancen, zu punkten, sinken!" ihre Unterstützung für afrikanische Mannschaften aus.
Für den Kontinent ist jedoch nicht nur das gemeinsame Anfeuern wichtig; die WM ist für die Afrikaner auch eine tief emotionale und politische Veranstaltung. Niemals wird es eine einfache sportliche Veranstaltung sein. Für Afrikaner ist das Turnier auch ein edler und erbitterter Kampf gegen eine historisch bedingte Knechtschaft; ein versklavter und verarmter Kontinent setzt sich durch und zeigt, dass auch er auf der Weltbühne etwas zählt. Von dieser kollektiven Stimmung werden alle afrikanischen Teams in die Weltmeisterschaft begleitet, insbesondere die schwarzafrikanischen Mannschaften.
Vor diesem Hintergrund war die Enttäuschung bei der anfänglichen Serie von Niederlagen groß. Der Sieg Ghanas gegen die Tschechen wurde dann als fast so packend empfunden wie derjenige Senegals 2002 gegen Schweden, als die Senegalesen das Viertelfinale erreichten.
Afrika gegen den Westen
Das kommende Spiel zwischen Ghana und den USA am 22. Juni ist sicherlich die Begegnung, der die Afrikaner am leidenschaftlichsten entgegenfiebern. Ghana gilt mittlerweile als der aussichtsreichste afrikanische Kandidat für die Teilnahme an der Zwischenrunde und deshalb setzen die Afrikaner nun ihre Hoffnung auf den WM-Debütanten. Darüber hinaus spielt Ghana gegen ein Land, das in weiten Teilen Afrikas unbeliebt ist, eine Supermacht, die in den Augen vieler Menschen in Afrika die Dominanz, den immensen Wohlstand und die Macht der westlichen Welt verkörpert.
Trotz aller Anstrengungen, die viele Afrikaner auf sich nehmen, um in den Westen zu emigrieren oder dort zu studieren, gibt es tief sitzende Vorbehalte gegen westliche Länder, die von Amerika symbolisch angeführt werden. In Afrika ist bis heute nicht vergessen, dass die meisten Sklaven, die durch den Sklavenhandel im 15. Jahrhundert nach Amerika verschleppt wurden, vor allem aus Ghana, Mali, Nigeria, Liberia und Sierra Leone stammten.
Ein Sieg Ghanas würde deshalb Wellen der Begeisterung in ganz Afrika auslösen. Eine Niederlage hingegen (besonders nach der großen Freude über den Sieg gegen die Tschechische Republik) würde die afrikanische Seele tief verletzen. Dennoch sind zurückhaltendere Zuschauer des Spiels Ghanas gegen die Tschechei noch skeptisch, sie werden von den vielen durch die Westafrikaner nachlässig vergebenen Torchancen verfolgt.
Afrikanische Teams neigen dazu, unter dem enormen Druck, den die Erwartungen an die WM auf sie ausüben, zu straucheln. Doch zweimal konnten afrikanische Mannschaften dem Druck standhalten, Kamerun 1990 und Senegal 2002. Wird der WM-Neuling Ghana dem organisierten US-Team und der Last der hohen Erwartungen unterliegen und Afrika so mit einer weiteren brutalen Niederlage enttäuschen? Ein solcher Ausgang, auf den viele enthusiastische afrikanische Fans nicht vorbereitet sind, könnte dunkle Wolken der Verzweiflung über Afrika verbreiten.
Timothy Kalyegira arbeitet als Redakteur für besondere Aufgaben bei der ugandischen Tageszeitung "Daily Monitor".