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PolitikAfrika

Afrikas medizinischer Braindrain

Martina Schwikowski
28. April 2021

Schlechte Arbeitsbedingungen, wenig Bezahlung: Medizinisches Fachpersonal sucht eine bessere Zukunft im Ausland. Dort sorgen gerade in Corona-Zeiten vereinfachte Visa-Regeln für ihre Einreise.

Afrika Krankenhaus - Kongo - Symbolbild
Bild: Imago/UIG/P. Deloche Godong

Rahimot wartet sehnsüchtig auf die Geburt ihres Enkelkindes. Sie hat ihre Schwiegertochter für einen Notkaiserschnitt in die Privatklinik St. Divine Glory in Lagos gebracht. "Sie lag seit ein Uhr morgens in den Wehen und hatte keine Kraft mehr, deshalb haben wir sie für die Operation hierher gebracht", sagt Rahimot zur DW. In der kleinen nigerianischen Klinik kämpft das Personal trotz der enormen Herausforderungen jeden Tag darum, Leben zu retten.

Seit Monaten kein Gehalt

Die Krankenschwester Glory Onyenwe ist auch die Besitzerin des Krankenhauses. Sie ist in der Gemeinde bekannt dafür, dass sie Menschen, die es sich nicht leisten können, medizinische Versorgung bietet. Private Gesundheitsdienstleister wie Onyenwe bekommen die Last des mangelhaften nigerianischen Gesundheitssystems in aller Härte zu spüren. Die meisten Menschen sind nicht krankenversichert, so dass das Krankenhaus oft die Rechnungen der Patienten übernehmen muss und dazu auf Spenden angewiesen ist.

Jeden Tag werden in Lagos Leben gerettet. Für das Klinikpersonal bleibt dennoch wenig GeldBild: picture-alliance/dpa/S. Alamba

Während der Operation fällt plötzlich der Strom aus - auch das gehört zum Alltag. Nigerias Gesundheitssektor ist stark unterfinanziert. Private und öffentliche Krankenhäuser sind nicht bedarfsgemäß ausgestattet. Und viele Ärzte sind seit Monaten nicht bezahlt worden.

Der Arzt Lumumba Otegbeye ist frustriert: "Man studiert so hart, um Arzt zu werden. Ich habe - wie viele Ärzte - kein eigenes Haus. Das sollte nicht so sein. Und wir retten Leben. Es scheint, dass wir uns in Nigeria nicht um unsere Leben kümmern. Denn wir versorgen nicht diejenigen, die sich um unser Leben kümmern", sagt er im DW-Interview.

Corona-Pandemie verschärft Abwanderung

Nigeria erlebt derzeit eine massive Abwanderung von medizinischen Fachkräften. Und das bereits vor der Corona-Pandemie. Schon 2018 ergab eine Studie von Nigeria Health Watch, dass 88 Prozent der Ärzte in Nigeria erwägen, das Land zu verlassen. Die meisten von ihnen gehen demnach nach Großbritannien und Amerika. Auch in anderen afrikanischen Ländern verlassen Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger ihre Arbeitsstellen, weil die Arbeitsbedingungen dort schlecht sind. Verschärft die Corona-Pandemie diesen Trend?

"Es gibt keine zuverlässigen Daten, die das belegen", schreibt die südafrikanische Anästhesistin Caroline Lee der DW. "Aber um uns herum, in der medizinischen, aber auch in der Geschäftswelt, geht die Rede, dass Leute auswandern. Patienten erzählen mir das auch." Lee ist Koordinatorin des "Healthcare Workers Care Network", das Mitarbeitern im Gesundheitssektor psychologische Unterstützung bietet.

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Die Corona-Pandemie trage zur Abwanderung bei, folgert Lee. Ein Hauptgrund sei die "zügellose Korruption" in der südafrikanischen Regierung. Das Geld für die Coronavirus-Bekämpfung sei zum größten Teil gestohlen worden, klagt sie. "Schutzkleidung, Lebensmittelpakete, Sozialgelder und Arbeitslosenhilfen in Milliardenhöhe sind verschwunden." Das habe vielen Menschen das Vertrauen in eine bessere Zukunft für Südafrika genommen.

Erleichterte Einreiseverfahren und Pässe als Lockmittel

Hilfe bei Ein-und Auswanderungen leistet in Südafrika Xpatweb. Die Organisation erhebt jährlich aktuelle Zahlen zu Bedarf und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Direktorin Marisa Jacobs beruft sich im DW-Gespräch auf den "Critical Skills Survey 2020/21" zur aktuellen Lage in Südafrika: Demnach haben fünf Prozent der Arbeitgeber im Gesundheitssektor extreme Schwierigkeiten, medizinisches Fachpersonal zu finden. Es fehlten besonders Krankenschwestern, Apotheker und Labortechniker.

Auch in Südafrika wollen viele Mediziner und Pflegekräfte rausBild: Reuters/S. Hisham

"Migration von Arbeitskräften ist allerdings ein globaler Trend", sagt Jacobs. Es gebe einige attraktive Faktoren für eine Abwanderung: "Südafrikaner wollen bessere Erfahrungen sammeln, auch winkt im Ausland eine höhere Bezahlung, oft können sie dort auch einen Pass erhalten", sagt Jacobs. Es gebe aber Strategien, dem entgegenzuwirken: "Einwanderungsgesetze eröffnen Wege, kompetente Kräfte anzuwerben. Universitäten bieten spezielle Programme im medizinischen Bereich an, ausländische Studenten erhalten gute Qualifikationen hier und viele Möglichkeiten, sofort in den südafrikanischen Arbeitsmarkt eingebunden zu werden."

Aber der aktuelle Auswanderungstrend nehme zu - und das habe große Auswirkungen auf den Gesundheitssektor, sagt Jacobs. Zumal Großbritannien im vergangenen Monat gezielt die Visa-Vorschriften für professionelles Gesundheitspersonal gelockert hat. "Das ist attraktiv und erhöht den Druck auf Südafrikaner, das Land zu verlassen." Auch Kanada biete vereinfachte Einreisemöglichkeiten für Studenten mit einem Abschluss.

Per Gesetz gegen die Abwanderung

Im benachbarten Simbabwe zählen Länder wie Großbritannien, Australien und Neuseeland zu den Wunschzielen für medizinisches Personal. Die hohe Arbeitsbelastung zu Pandemiezeiten und schlechte Arbeitsbedingungen haben Beschäftigte im Gesundheitssektor auch in den vergangenen Wochen in den Streik getrieben. Immer wieder flammen Proteste auf, seit die Polizei im März 2020 zahlreiche Krankenpfleger festnahm, die gegen fehlende Schutzkleidung und schlechte Bezahlung protestiert hatten. Den Braindrain habe es zwar schon immer gegeben, sagt DW-Journalist Privilege Musvanhiri. "Aber seit dem Lockdown ist es schwierig geworden, das Land zu verlassen." Auch durchkreuze die Regierung derzeit solche Pläne: "Sie hat ein Gesetz erlassen, wonach Ärzte oder Krankenschwestern, die wegziehen wollen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Gesundheitsministerium beantragen müssen, wenn sie zum Beispiel in Großbritannien arbeiten möchten", sagt Musvanhiri. "Wer die Regierung nicht respektiert, erhält einen solchen Brief nicht." Auch blieben Zertifikate nach der Probezeit für Ärzte aus, wenn sie an Streiks teilnähmen. Drastische Maßnahmen - die die Lage der Ärzte im Land aber kaum verbessern dürften.

Immer wieder fordern Streikende in Simbabwe eine Verbesserung des GesundheitssystemsBild: AFP/J. Njikizana

In Nigeria, in der kleinen Privatklinik St. Divine Glory, ist nochmal alles gut gegangen - Rahimot ist dankbar. Sie hält ihr Enkelkind im Arm und sagt voller Freude: "Es ist ein Mädchen."

Mitarbeit: Flourish Chukwurah

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