Afrikas wechselvolle Geschichte
20. Januar 2010Der "scramble for africa", der Wettlauf um Afrika, dauerte nur wenige Jahre, dann war der Kontinent – bis auf zwei Länder – unter den Kolonialmächten aufgeteilt. Die Grenzen hatten sie mit dem Lineal gezogen. Dabei ging es um ihre eigenen wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen – und nicht um die Lebensräume afrikanischer Volksgruppen. Die Folge waren unzählige politische Krisen, Konflikte und Kriege mit Millionen Toten.
Koloniale Ausbeutung
Im Abschluss-Dokument der "Kongo-Konferenz" hieß es, Ziel der Kolonialisierung sei es, "den Eingeborenen die Vortheile der Civilisation verständlich und wert zu machen". Zwar hat Afrika von einigen Errungenschaften der Kolonialzeit (zum Beispiel Bildung und Infrastruktur) durchaus profitiert. Doch den Europäern ging es vor allem darum, sich in den Kolonien selbst zu bereichern. Sie pressten so viel Rohstoff aus den Ländern heraus wie es nur ging. Die Afrikaner wurden dabei als billige Arbeitskräfte missbraucht, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten. In den meisten afrikanischen Gebieten waren während der Kolonialherrschaft Menschenraub, Zwangsarbeit, Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung.
Freiheit für Afrika
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten sich die Menschen in den Kolonien nicht mehr mit der Herrschaft der Europäer abfinden. Die Kolonialmächte bekannten sich daheim zu den Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das forderten nun auch die Afrikaner –und läuteten damit den Anfang vom Ende des Kolonialsystems ein. Die Dekolonisation Afrikas verlief viel schneller als die Europäer sich das zunächst vorgestellt hatten. Allein im Jahr 1960 wurden 17 vor allem westafrikanische Länder in die Unabhängigkeit entlassen. Kurz darauf zogen sich die Kolonialmächte auch aus Ostafrika zurück.
In Algerien wurde von 1954 bis 1962 ein langer blutiger Dekolonisierungskrieg geführt. Aufstände gab es aber auch in anderen Ländern (zum Beispiel Kenia, Madagaskar oder Kamerun), die noch gegen Ende der Kolonialzeit von den Europäern brutal niedergeschlagen wurden. Aus anderen Ländern zogen sich die Kolonialmächte ohne Blutvergießen zurück. Zumal Fachleute in Paris und London vermehrt darauf hinwiesen, dass Afrika in den kommenden Jahren wirtschaftlich nur noch eine unbedeutende Rolle spielen würde. Sie rieten ihren Regierungen, "dort nicht mehr zu investieren, sondern lieber im eigenen Land".
Euphorischer Aufbruch
Viele der ersten neuen Führer, die nach der Kolonialära die Regierungen übernahmen, waren euphorisch und glaubten fest daran, dass sich ihre Länder in blühende Landschaften verwandeln würden. Die neue afrikanische Gesellschaft werde ein glorreiches Vorbild sein, an dem sich die ganze Welt ein Beispiel nehmen könne, prophezeite etwa Kwame Nkrumah, Präsident des ersten unabhängigen Landes Ghana. Auch europäische Fachleute gingen davon aus, das Afrika eine "glänzende Zukunft" vor sich hätte.
Doch was danach kam, war alles andere als Wohlstand und Freiheit. Präsidenten schafften demokratische Modelle ab und errichteten Diktaturen; auch einstige Helden der Unabhängigkeit unterdrückten später mit eiserner Hand ihre politischen Gegner. Eigentlich hatten sie alles anders machen wollen als ihre kolonialen Vorgänger. Doch die Gier nach Macht und Reichtum verführte viele dazu, die alten Strategien zu übernehmen. 50 Jahre Unabhängigkeit sind auch 50 Jahre Bürgerkriege, Wirtschaftskrisen und Hungersnöte. Afrika ist der ärmste Kontinent der Welt. Etwa die Hälfte aller Afrikaner lebt unter der Armutsgrenze von einem Dollar pro Tag.
Armes Afrika?
Die koloniale Herrschaft hatte den neuen Regierungen freilich schwierige politische und wirtschaftliche Verhältnisse hinterlassen. Trotzdem ist es in einigen Ländern gelungen, aus verschiedensten Völkern eine Nation zu schmieden. Manche Staaten haben den Übergang von der Diktatur zum Mehrparteiensystem problemlos geschafft und können ein erstaunliches Wirtschaftswachstum vorweisen. Und wo die Regierungen versagen, kämpfen mutige Männer und Frauen – oft unter Lebensgefahr – unermüdlich gegen Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern. Zahllose Menschen in Afrika erwarten nichts mehr von ihren Politikern; sie versuchen lieber sich selbst zu helfen – mit viel Phantasie und Durchhaltevermögen. Mütter und Väter schaffen es unter schwierigsten Bedingungen, das Überleben ihrer Großfamilie zu sichern. Und bei aller Armut verlieren die meisten Afrikaner ihre Lebensfreude nicht. Die meisten lieben ihren Kontinent und glauben an ihn. Trotz der bescheidenen Bilanz von 50 Jahren Unabhängigkeit.
Autorin: Klaudia Pape
Redaktion: Katrin Ogunsade