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Afrikas Wirtschaft ist schon infiziert

Antonio Cascais
2. März 2020

Vom Coronavirus sind bisher offiziell nur zwei Länder in Subsahara-Afrika betroffen: Nigeria und Senegal. Doch bereits jetzt sind die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie auf dem ganzen Kontinent zu spüren.

Nigeria Coronavirus
Bild: picture-alliance/dpa/S. Alamba

In Afrika wächst die Angst vor einer Corona-Epidemie. Auch die Wirtschaft ist in Unruhe: Niemand weiß, wie hoch die ökonomischen Schäden durch das wenig erforschte Virus sein werden. Afrikanische Kleinunternehmen, die Nahrungsmittel, Technik oder Kleidung aus China importieren, dem Ursprungsland des Erregers, spüren bereits jetzt die Auswirkungen der Krise.

Wenn Firmen im Fernen Osten geschlossen bleiben oder Beschränkungen für Reisen von Afrikanern nach China erlassen werden, stehen Kunden in Afrika auf dem Trockenen. Die Umsätze gehen dramatisch zurück. Auch afrikanische Exporteure fürchten die Folgen des Corona-Ausbruchs: China ist Afrikas größter als Absatzmarkt für Rohöl und andere Rohstoffe. Ein Überblick.

Nigeria: Kein Land importiert mehr Waren aus China

Nach Angaben des staatlichen Gesundheitskommissars Akin Abayomi haben Nigerias Behörden Kontakt zu rund 100 Personen aufgenommen, die möglicherweise einem Italiener nahegekommen sind, der als erster Coronavirus-Patient des Landes gilt.

Der infizierte Mann war am 24. Februar mit dem Flugzeug aus Mailand in Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos angekommen. Am nächsten Tag reiste er in den benachbarten Ogun-Staat, wo er fast zwei volle Tage als Verkäufer für das Zementunternehmen Lafarge Africa Plc unterwegs war, bevor er isoliert wurde. Derzeit wird er in einem Krankenhaus im Bezirk Yaba in Lagos behandelt. Es heißt, 39 Menschen, die in direktem Kontakt mit dem Mann standen, seien unter Quarantäne gestellt worden.

Das Unternehmen teilte inzwischen mit, dass seine Zementproduktionslinien weiterhin geöffnet seien. Nun gibt es Befürchtungen, dass sich das Virus schnell weiter ausbreiten könnte - in einer Region, in der die Gesundheitssysteme bereits mit Fällen von Malaria, Masern, Ebola und anderen Infektionskrankheiten überlastet sind. Zudem gibt es weitere potenzielle Infektionswege. Denn Nigeria pflegt intensive Handelsbeziehungen vor allem mit China.

Geldwechsel in Lagos: "Viele vermeiden es, Geldscheine überhaupt anzufassen"Bild: Getty Images

Kein anderes Land in Afrika konsumiere mehr chinesische Produkte als Nigeria, sagt Alhaji Muhammad Dan Auta, der Sprecher der Händler-Vereinigung in der nordnigerianischen Stadt Kaduna. "Chinesische Produkte sind normalerweise in allen Teilen Nigerias zu finden", so Dan Auta.

Und wo Warenverkehr herrscht, könnten auch Viren und Keime mit unterwegs sein, so der Betreiber einer Wechselstube, der in den vergangenen Tagen - nach eigenen Angaben - erhebliche Einbußen hinnehmen musste: "Wir sehen einen starken Rückgang in unserem Geschäft. Die Leute kommen nicht mehr zu uns in die Wechselstube, um Auslandswährungen zu kaufen, weil niemand mehr nach China reisen will. Sie haben alle Angst, mit dem Virus in Kontakt zu treten, deshalb vermeiden es viele, Geldscheine überhaupt anzufassen.''

Viele Geschäftsleute der Region hätten Auslandsreisen absagen müssen. Seit dem Ausbruch des Coronavirus gehe der Import chinesischer Produkte merklich zurück. Es gebe sogar vereinzelt Engpässe.

Uganda, Mosambik, Niger: Kaum Alternativen zu Waren aus China

Ähnlich die Lage in Uganda: Etwa ein Viertel der ugandischen Importe kommen aus China. Lieferketten sind seit Wochen unterbrochen, da viele Fabriken in China die Produktion heruntergefahren haben. Kleine Händler, die Textilien, Elektronik oder Haushaltsgegenstände verkaufen, sind in Schwierigkeiten.

Geschäftsmann Omar Kayiira aus Kampala beklagt, dass viele Waren aus China einfach nicht mehr in Uganda ankämen. Lieferalternativen seien rar: "Es gibt zwar indische Importeure, aber die haben einfach nicht die Produkte, die ich verkaufe. Zurzeit ist es einfach sehr schwierig, die Chinesen zu ersetzen", so Omar Kayiira.

Der ugandische Importeur Ismail Kyeyuna fügt hinzu: "Wir könnten versuchen, die benötigten Produkte in Indien oder in Dubai zu kaufen. Doch wir hätten, vor allem im Falle Dubais, warscheinlich ähnliche Probleme, weil auch das arabische Emirat das meiste aus China importiert."

Corona-Kontrollen am Flughafen von Lagos: Weitere potenzielle InfektionswegeBild: AFP/U. Ekpei

Auch auf den Märkten in Mosambik beherrschen chinesische Konsumgüter das Angebot. Viele Händler machen sich sorgen, dass die Produkte aus China bald knapp werden könnten. "Textilien kann ich eventuell noch in anderen Ländern kaufen, zum Beispiel in Brasilien oder in Portugal", sagt Alzira Simbe, eine Geschäftsfrau aus Maputo. Sie reist normalerweise mehrmals im Jahr nach China, um Textilien, Kosmetik und Haarstylingprodukte einzukaufen. Das sei zurzeit nicht möglich.

Dabei gebe es bestimmte Produkte, die sie weder in Brasilien noch in Portugal zu angemessenen Preisen finde, so Alzira Simbe weiter: "Wenn sich dieses Corona-Problem nicht bald auflöst - das heißt, innerhalb von zwei, drei Monaten - dann habe ich ein großes Problem." Noch seien ihre Lager in Maputo relativ voll. Aber wie wird es in einem Vierteljahr aussehen?

In Niger seien Lagerbestände mit Waren aus China schon jetzt deutlich dezimiert, was zu höheren Preisen für bestimmte Produkte und sogar für einige Lebensmittel führe, sagt Moussa Sidi Mohamed, Präsident der nigerianischen Industrie- und Handelskammer. "Vor allem Elektronikprodukte werden knapp, denn viele Fabriken in China haben geschlossen und auch die Reise- und Transportmöglichkeiten sind eingeschränkt." Viele Importeure, die sonst regelmäßig nach China fliegen, seien aufgrund von Einreisebeschränkungen zurzeit nicht in der Lage, benötigte Waren in China einzukaufen.

Simbabwe: Wirtschaftskrise verschärft sich

Auch in Simbabwe gibt es offensichtlich erhebliche Lieferengpässe: "Vor dem Ausbruch des Coronavirus hatte ich in China einige Waren bestellt. Doch die sind niemals in Harare angekommen. Unsere Kunden sind wütend", berichtet Geschäftsmann Clifford Tsache, Elektronikhändler aus Simbabwe. Einige seiner Kunden hätten im Voraus bezahlt. "Niemand hier weiß, wann dieser Albtraum enden wird."

Seit das südafrikanische Land 2004 - nach einem Konflikt mit dem Westen - seine "Look East Policy" begann, reisen viele Simbabwer nach China, um billige Waren wie Mobiltelefone und Accessoires, Kleidung und andere Waren für den Wiederverkauf zu Hause ordern. Die von den chinesischen Behörden nach dem Ausbruch des Virus auferlegten Reisebeschränkungen blockieren jedoch Kleinunternehmer aus Afrika, berichtet Tsache. Viele Händler würden jetzt erwägen, nach Tansania zu fliegen, um alternative Warenquellen zu finden.

Angolanische Ölplattform: "Die Einnahmen sinken drastisch"Bild: Getty Images/AFP/G. Guercia

Simbabwes bereits darniederliegende Wirtschaft hänge nicht nur stark von billigen Importen aus China ab, sagt der Importeur. Auch ein Großteil der Exporte Simbabwes gingen nach China, so Clifford Tsache. Denn Simbabwe sei eines der 21 Länder Afrikas, die besonders auf den Verkauf von Rohstoffen an China angewiesen sind.

Tatsächlich exportiert Simbabwe vor allem Erze und andere Rohstoffe im Wert von fast 900 Millionen US-Dollar nach China. China ist damit mit großem Abstand Simbabwes größter Absatzmarkt. Südafrika, Großbritannien, Indien und Sambia folgen weit abgeschlagen. Das Land steckt bereits in einer Rezession. Und der Ausbruch des Coronavirus in der fernen chinesischen Provinz Wuhan im Dezember verschärft laut Experten des Internationalen Währungsfonds nun die wirtschaftlichen Aussichten Simbabwes.

Angola: Absturz der Ölexporte nach China

Auch Angola leidet indirekt an der Corona-Epidemie. Wirtschaft und Finanzen des südwestafrikanischen Landes hängen fast vollständig vom Erdöl ab. Die Verlangsamung des Handels mit China aufgrund der Corona-Epidemie wirkt sich auf die Ölexporte aus und gefährdet die Erholung der kriselnden Wirtschaft des Landes.

"Da China Angolas größter Ölimporteur ist, wirkt sich Corona natürlich unmittelbar auf den Ölpreis aus. Die Einnahmen Angolas sinken drastisch", sagt der angolanische Ökonom Precioso Domingos. Der fallende Preis wirke doppelt: Die Einnahmen gingen zurück, ebenso wie die Förderung, was zusätzlich negativ Wirkungen auf die Wirtschaft habe. Steigende Ölpreise wären ein Anreiz, die Produktion zu steigern und neue Investitionen im angolanischen Ölsektor zu tätigen. Fallende Preise seien hingegen "Gift für eine anfällige Wirtschaft, wie die Angolas", so der Ökonom.

"Das Coronavirus kann sich auf Länder wie Angola mittelfristig schädlicher auswirken, als auf China selbst." Die Widerstandskräfte der chinesischen Wirtschaft seien weitaus größer als die von Angola. "Wir sollten das Coronavirus mit großer Sorge betrachten", warnt Precioso Domingos.

Mitarbeit: Julius Mugambwa (Kampala), Privilege Musvanhiri (Harare), Nafissa Amadou (Niamey)

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