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Politik

Der Fremdenhass schwappt über

Silja Fröhlich
5. September 2019

Südafrika wird von fremdenfeindlichen Übergriffen erschüttert. Afrika ist entsetzt: Die politischen Reaktionen sind hart, in Nigeria holen Jugendliche zum Gegenschlag aus und greifen südafrikanische Firmen an.

Ausschreitungen in Malvern, einem Stadtteil von Johannesburg
Bild: Getty Images/AFP/M. Spatari

Geplünderte Geschäfte, brennende Autos, fünf Tote und 189 Festnahmen - ein wütender Mob griff am Montag Läden afrikanischer Migranten in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg an. Die Szenenentsetzten ganz Afrika. In einer Videoansprache sagte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, dass Angriffe auf Unternehmen, die von Ausländern geführt würden, völlig inakzeptabel seien. "Ich will, dass es sofort aufhört", so Ramaphosa. Für die Gewalt gebe es keine Rechtfertigung. Die südafrikanische Regierung betont jedoch, dass die Fremdenfeindlichkeit das Werk von Kriminellen sei - Fremdenfeindlichkeit spiele keine Rolle.

Einwanderer aus Nachbarländern wie Lesotho, Mosambik und Simbabwe waren bereits in der Vergangenheit immer wieder das Ziel von Angriffen. Ein Teil der Bevölkerung macht sie für die schwierigen Lebensbedingungen in Südafrika verantwortlich. "Die Arbeitslosigkeit hat derzeit ein gefährliches Niveau erreicht", berichtet DW-Korrespondent Izak Khomo. "Arbeitslose in anderen afrikanischen Ländern können sich auf die Unterstützung ihrer Verwandten in ländlichen Gebieten verlassen. Das ist hier in Südafrika nicht der Fall. Man hat keine anderen Mittel zum Überleben." Nach offizielle Angaben liegt die Arbeitslosenquote bei über 30 Prozent, nach informellen Schätzungen sogar darüber.

Zahlreiche Läden wurden niedergebranntBild: Getty Images/AFP/P. Magakoe

Südafrika ist auch ein wichtiges Ziel für Wirtschaftsmigranten aus Nigeria. Wie die Präsidenten Sambias und Ruandas sagte auch Nigeias Vizepräsident Yemi Osinbajo seine Teilnahme an der Afrikatagung des Weltwirtschaftsforums wegen der Gewaltwelle ab. Außerdem rief er seinen Botschafter aus Pretoria zurück.

Gewalt auf den Straßen von Lagos

Einigen Nigerianern reicht das nicht. Am Dienstag ging eine wütende Menschenmenge auf die Straßen der Wirtschaftsmetropole Lagos. Sie warf Steine und griff südafrikanische Firmen an - darunter drei Fililalen des Mobilfunkriesen MTN und ein Einkaufszentrum des Shoprite-Konzerns. "Wir haben erfahren, dass in Südafrika Nigerianer getötet werden und das Eigentum der Menschen angezündet wird", sagte die Demonstrantin Terence Chukwu zur DW. "Wir sind hierher gekommen, als der ganze Vorfall begann. Die Polizei hat versucht, das Eigentum der Menschen zu schützen, die uns getötet haben. Die nigerianische Regierung versucht, das Leben und Eigentum dieser Menschen zu schützen, während unser Volk täglich stirbt."

Demonstrant Benedict Anyim fühlt sich von Südafrika nicht ernst genommen: "Wir protestieren wegen dem, was die südafrikanische Regierung den Nigerianern antut. Wir sind nicht glücklich darüber, weil wir gute Bürger sind und wir mit ihnen zusammenarbeiten. Sie besitzen Shoprite, MTN und GOTV. Wir sind müde und krank von all dem, was passiert."

Nigerias Polizei verhinderte Übergriffe auf eine Filiale des südafrikanischen Handelskonzern ShopriteBild: Getty Images/AFP/K. Sulaimon

Mayowa Adebola, ein junger Mann aus Lagos erinnerte an die Unterstützung, die Südafrika während der Apartheidzeit von Nigeria erhalten haben: "Ich erinnere mich, dass ich Nelson Mandelas Autobiografie 'Der lange Weg zur Freiheit' gelesen habe. Er lobte, dass Nigeria ihn während der Apartheidzeit wie einen großen Bruder unterstützt habe", sagte er der DW. Viele junge schwarze Südafrikaner kamen damals nach Nigeria, um zu studieren. Die von der nigerianischen Regierung gewährten Stipendien ermöglichten es ihnen, einige der besten Schulen des Landes zu besuchen.

Angespannte Beziehungen

Nicht nur in Nigeria wächst die Empörung und die Hilflosigkeit angesichts der sich zuspitzenden Lage. Auch die Hörer des Kisuaheli-Programms der DW sind fassungslos: "Die Südafrikaner haben vergessen, dass wir ihnen geholfen haben, die Apartheid zu bekämpfen. Heute diskriminieren sie ihre eigenen Brüder", sagt Mnase Ndosi aus Arusha. "Südafrika, was du tust, ist falsch. Wie würdest du dich fühlen, wenn wir deine Brüder jagen, die in unserem Land leben? Wir sind alle Afrikaner", sagt Emmanuel John Machungwa. Ein anderer Hörer forderte Sanktionen gegen Südafrika.

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hat eine Südafrika-Reise abgesagtBild: Reuters/L. Gnago

Auch der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union, Moussa Faki, verurteilte die Gewalt. Gleichzeitig sei er "durch Verhaftungen, die bereits von den südafrikanischen Behörden vorgenommen wurden", ermutigt. Simbabwes Regierungssprecher Nick Mangwana forderte Südafrikas Regierung auf, die Einwanderer zu schützen. Zugleich warnte er seine Landesleute: "Wenn du an einen Ort gehst, an dem es Kriminelle gibt, musst du vorsichtig, vernünftig und verantwortlich sein." Sambias Informations-Staatssekretär Chanda Kasolo nannte die Ereignisse "unglücklich und barbarisch". Die südafrikanischen Behörden müssten "die Verantwortung für die Situation übernehmen."

Eine gemeinsame Lösung?

Sambias Fußballverband sagte ein geplantes Freundschaftsspiel gegen Südafrika am kommenden Wochenende ab. Nigerianische Musiker und Superstars wie Tiwa Savage haben geschworen, nicht in Südafrika aufzutreten.

Viele Nigerianer werfen Südafrika vor, die Unterstützung während der Apartheid-Ära vergessen zu habenBild: Reuters/A. Sotunde

Südafrikas Arbeitsminister Thulas Nxesi hat Regierungsvertreter aus den Heimatländern der Gewaltopfer eingeladen, seinem Land bei der Lösung des Problems zu helfen. "Es ist keine einfache Sache. Es ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Und wir hoffen, dass wir im Dialog mit unseren Kollegen eine Lösung finden werden", sagte er.

Der Politikwissenschaftler Trust Matsilele von der "Cape Peninsula University of Technology" in Kapstadt bezeichnet das Verhalten der Regierung dagegen als rücksichtslos: "Seit Jahren gibt es diese Attacken und die Regierung hat es nicht geschafft, das Problem politisch zu adressieren", sagte er der DW. Nun würde Südafrika, das wegen seiner Vielfalt auch als Regenbogen-Nation bezeichnet wird, sein wahres Gesicht zeigen. "Die Regenbogen-Nation sollte ein Land sein, in dem jeder sich als Teil der Gemeinschaft bezeichnen können sollte." Doch nun sei offensichtlich, dass das noch lange nicht der Fall sei.

Mitarbeit: Daniel Gakuba, Abu-Bakarr Jalloh, Thuso Khumalo,Christina Krippahl, Privilege Musvanhiri, Sam Olukoya

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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