Afrobeat meets Beethoven: Das Campus-Projekt 2025
17. Oktober 2025
Als junge Musizierende aus Nigeria und Deutschland am 11. September bei einem Beethovenfest-Konzert in Bonn die Bühne betraten, war klar, dass das Publikum Zeuge des Höhepunkts einer unglaublichen Reise wurde. Afrobeat-Rhythmen pulsierten neben Klarinetten und Violinen, nigerianische Protestlieder verschmolzen mit Beethovens "Egmont".
Das Konzert mit seinem musikalischen Mix aus verschiedenen Einflüssen war der Höhepunkt des Campus-Projekts 2025, einer seit mehr als zwei Jahrzehnten bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem Beethovenfest Bonn, dem Deutschen Jugendorchester und der DW. Jedes Jahr bringt das Projekt junge Musizierende zu einem kulturellen und musikalischen Austausch zusammen.
In diesem Jahr trafen sich jeweils sechs junge deutsche und nigerianische Musizierende, um unter der Leitung des Afrobeat-Kollektivs BANTU zu experimentieren und Kontakte zu knüpfen.
Von Lagos nach Bonn
Die Gruppe traf sich erstmals im März 2025 in Lagos, Nigeria. Für viele der deutschen Teilnehmenden war es die erste Reise nach Afrika. "Das war eine großartige Gelegenheit, Neues zu lernen und Menschen aus anderen Kulturen kennenzulernen", erzählte der 20-jährige deutsche Klarinettist Luis McCall der DW während der Reise.
McCall traf Mary Ifeoluwa aus Lagos, die am renommierten Muson Centre studiert hat, einer der besten Schulen für klassische Musik auf dem afrikanischen Kontinent. Wie viele andere begann sie mit Kirchenmusik und studierte später klassische Violine.
"Wir lieben Musik in unserer Familie, aber es ist nicht erlaubt, sie als Beruf zu erlernen", erzählte Ifeoluwa der DW zu Beginn des Projekts. "Ich habe an meiner Musik festgehalten, aber es war nicht einfach."
Die zwölf jungen Musizierenden schlossen sich den Mitgliedern der Band BANTU für eine intensive Woche an, die mit Proben des feurigen Afrobeat-Protestsongs "Ten Times Backwards" des Musikkollektivs begann. Sie studierten Beethoven und begannen, mit Cassie Kinoshis Partitur zu experimentieren, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt war.
Auf der Reise nach Lagos ging es nicht nur ums Üben - die Gruppe erkundete auch das Vermächtnis eines der berühmtesten Musiker Nigerias, der weithin als Vater des Afrobeat gilt: Fela Kuti. Sie besuchten Kutis Nachtclub New Afrika Shrine, den er 1972 gegründet hatte. Im Laufe der Jahre traten dort Stars wie Stevie Wonder und Bono von U2 auf - aber noch wichtiger ist, dass hier die Wurzeln des Afrobeat liegen.
Kuti wurde in den 1970er-Jahren weltweit für seinen pulsierenden Sound gefeiert, der Jazz, Pop und die ghanaische Musikrichtung Highlife verband - und stets politisch geprägt war. Die Auseinandersetzung mit Kutis Musik verhalf dem Projekt zu tieferen Wurzeln und stellte es in den Kontext einer Tradition in Nigeria, wo Musik seit jeher die Kraft hat, zu inspirieren und zu provozieren.
Erforschung der eigenen Wurzeln
Die Gruppe traf sich erneut im September in Bonn, rechtzeitig zum Beethovenfest. Nach Sightseeing und zahlreichen Proben gab sie am 11. September während des Festivals ihr Abschlusskonzert.
Beethovens "Egmont"-Ouvertüre wurde mit Fela Kutis "Colonial Mentality" in Dialog gebracht, der Kritik des Afrobeat-Pioniers an postkolonialen Denkweisen. Werke von BANTU sorgten für einen zeitgenössischen Touch, deutsche und nigerianische Volkslieder wurden vom Posaunisten Isaiah Odeyale neu interpretiert. Das Ensemble spielte auch Mauricio Kagels "10 Marches to Miss the Victory", ein Stück, das Themen wie Pazifismus und künstlerische Freiheit unterstreicht. Das gesamte Konzert kann hier auf DW Classical Music angesehen werden.
Der Abend war besonders bewegend für die britisch-nigerianische Komponistin Cassie Kinoshi, deren Werk "odò (river)" uraufgeführt wurde. Kinoshis Vater wurde in Nigeria geboren und zog nach Großbritannien, wo sie geboren wurde. Für Kinoshi war der Auftrag eine Gelegenheit, ihre afrikanischen Wurzeln zu erforschen: Ihr Stück für Kammerensemble beinhaltet die "Talking Drum" aus Westafrika, ein vielseitiges Perkussionsinstrument, das menschliche Sprache imitieren kann.
Das Projekt war auch für den Singer-Songwriter Adé Bantu eine Gelegenheit zur Reflexion. Bantus Vater ist Nigerianer, seine Mutter Deutsche. Geboren in England, hat er bereits sowohl in Deutschland, wo er seine Karriere startete, als auch Nigeria gelebt.
"Wir können mehrere Orte gleichzeitig als Heimat bezeichnen. Ich bin einfach jemand, der sich in Nigeria und in Deutschland sehr zu Hause fühlt - und ich habe nicht das Bedürfnis, beide Länder miteinander zu vergleichen", erklärte Bantu.
Ein letzter Stopp in der Hauptstadt
Die Reise wurde am 12. September fortgesetzt, die Musizierenden reisten nach Berlin und führten ihr Programm im Humboldt Forum auf. Dort wurde die Gruppe mit einer weiteren Ebene ihrer Geschichte konfrontiert: der umstrittenen Sammlung von Benin-Bronzen des Museums. Im Jahr 2022 hat Deutschland die Eigentumsrechte an den Bronzen an Nigeria zurückgegeben.
Einige Artefakte wurden zurückgegeben, während andere weiterhin ausgestellt sind, nun jedoch offiziell als Leihgabe Nigerias an das Berliner Museum. Für Bandleader Adé Bantu hatte die Rückgabe eine persönliche Bedeutung: "Das berührt mich sehr, dass diese Arbeiten nun wieder uns Nigerianern gehören."
Was das Campus-Projekt 2025 angeht, so sind sich viele einig, dass es ein Erfolg war. Musizierende kamen als Fremde zusammen und gingen, wie ein Teilnehmer sagte, "als Familie" wieder auseinander.
Der deutsche Klarinettist Luis McCall schilderte seine Eindrücke so: "Meine Weltanschauung hat sich erweitert. Ich habe viel über das Land, die Menschen und die politischen Konflikte gelernt. Und diese entspannte Herangehensweise an das Musizieren - einfach loslegen. Diese Herangehensweise an die Musik werde ich mitnehmen."
Adaption aus dem Englischen: Katharina Abel