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"Aftenposten" kritisiert Facebook-Chef

9. September 2016

Der Chefredakteur der norwegischen Zeitung "Aftenposten" wirft Mark Zuckerberg Machtmissbrauch vor. Stein des Anstoßes ist ein historisches Kriegsfoto in einem Artikel, das Facebook eigenmächtig gelöscht hatte.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Dasilva

"Lieber Mark Zuckerberg. Ich folge dir auf Facebook, aber du kennst mich nicht", beginnt der Offene Brief von "Aftenposten"-Chefredakteur Espen Egil Hansen, der zunächst auf der Homepage der renommierten norwegischen Tageszeitung veröffentlicht wurde. Er sei wütend und enttäuscht über das Vorgehen von Facebook. Und er habe Angst vor der Macht des weltweit größten sozialen Netzwerks. Hansen bezeichnet Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als "größten Herausgeber der Welt", der allerdings seine Macht missbrauche.

Anlass für den Offenen Brief ist ein Online-Artikel, den "Aftenposten" auf Facebook veröffentlicht hatte. Der Beitrag über Kriegsfotos enthielt das weltbekannte Bild von Kim Phuc - einem Mädchen, das im Vietnam-Krieg vor einem Napalm-Angriff flieht. Für seine Aufnahme wurde der Fotograf Nick Ut mit dem Pulitzer-Preis geehrt, für Facebook enthielt das Motiv allerdings zu viel Nackheit.

Das soziale Netzwerk forderte "Aftenposten" per Mail dazu auf, das Bild aus dem Facebook-Account zu entfernen oder es zu verpixeln. Nach öffentlichem Protest des Aftenposten-Autoren auf Facebook sollen die Administratoren dessen Account für weitere Postings gesperrt und das Foto gelöscht haben.

"Auch wenn ich der Chefredakteur von Norwegens größter Zeitung bin, musste ich doch feststellen, dass Du meinen Spielraum für redaktionelle Entscheidungen einschränkst", kritisiert Hansen das Vorgehen von Facebook in seinem Offenen Brief. Facebook habe Regeln aufgestellt, die nicht zwischen Kinderpornographie und historischen Kriegsaufnahmen unterscheiden würden. Das Kriegsfoto aus Vietnam habe zu einer kritischen Debatte über den Einsatz der US-Armee in Südostasien beigetragen. Solche Bilder seien wichtig für die Demokratie. Wieder an Zuckerberg gewendet, schreibt Hansen: "Ich finde, Du missbrauchst Deine Macht. Und ich kann kaum glauben, dass Du das vollständig durchdacht hast."

Netzwerk erklärt sich

Facebook erklärte in einer Reaktion, es sei schwierig, bei Fotografien mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen und die Veröffentlichung in einem Fall zu erlauben und in einem anderen nicht. "Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft. Unsere Lösungen werden nicht immer perfekt sein, aber wir werden versuchen, unsere Regeln und die Art, wie wir sie anwenden, zu verbessern."

Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg veröffentlichte das Vietnam-Bild aus Solidarität ebenfalls auf ihrer Facebookseite und kommentierte, das Unternehmen "ziehe die falschen Schlussfolgerungen, wenn es solche Fotos zensiert". Kurz darauf war das Bild von Solbergs Facebookseite wieder verschwunden. Wer das Foto entfernt hat, war zunächst unklar.

Foto derweil wieder online

Angesichts der massiven Kritik nahm Facebook seine Entscheidung zurück und stellte das Foto wieder online. Obwohl auf dem Bild ein unbekleidetes Kind zu sehen sei, erkenne das Online-Netzwerk die historische Bedeutung des Fotos an, hieß es in einer Stellungnahme des Konzerns.

djo/kle (aftenposten.no, dpa, rtr,ap)

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