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PolitikEuropa

Agent Orange-Opfer kämpft gegen Monsanto

Marina Strauß
10. Mai 2021

Ein französisches Gericht hat eine Klage gegen ehemalige Agent Orange-Hersteller für unzulässig erklärt. Doch die 79-jährige Klägerin will in Berufung gehen. Sie selbst wurde im Vietnamkrieg Opfer des Gifts.

Tran To Nga bei einer Demonstartion in Paris (30.01.2021)
Klägerin Tran To Nga (bei einer Demonstartion in Paris): Letzter KampfBild: Lafargue Raphael/ABACA/picture alliance

Tran To Ngas Töchtern wäre es lieber, wenn sie zu einer von ihnen ziehen würde, die eine wohnt in Vietnam, die andere in Australien. Wegen der Pandemie, der Krankheiten, die sie plagen und, ja, auch wegen ihres Alters. Im März hat die Franko-Vietnamesin ihren 79. Geburtstag gefeiert. 

Doch ein Umzug weg aus Frankreich ist für Tran To Nga keine Option. Sie muss hierbleiben, um ihren - wie sie es sagt - letzten Kampf zu führen.

Von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen unterstützt, hat sie 14 Chemiefirmen vor einem Gericht in Évry verklagt, einem Vorort von Paris, wo sie seit einigen Jahren lebt. Sie alle, darunter der US-Riese Dow Chemical und Monsanto, inzwischen Teil des deutschen Bayer-Konzerns, stellten während des Vietnamkriegs ein hochgiftiges Entlaubungsmittel her: Agent Orange, benannt nach den orangefarbenen Etiketten auf den Fässern.

Nun erklärte das Gericht in Évry die Klage Tran To Ngas für unzulässig. Die Unternehmen hätten damals im Auftrag der USA gehandelt und könnten sich vor dem Gericht in Frankreich auf Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen, heißt in der Entscheidung vom Montag, die der Deutschen Welle vorliegt. 

Tran To Nga sei enttäuscht, dass das Gericht die "Argumentation der Firmen" übernommen habe, sagt sie im Gespräch mit der DW. Sie wurde wie Millionen Vietnamesen selbst Opfer von Agent Orange.

US-Armee-Flugzeuge beim Versprühen von Agent Orange im Vietnam-Krieg: "Überzogen mir klebriger Flüssigkeit"Bild: Everett Collection/picture alliance

Die US-Armee versprühte in den 1960er und 70er-Jahren mehr als 40 Millionen Liter davon über Laos und Vietnam. Um die Ernte zu zerstören und vor allem, damit der Feind sich nicht mehr im dichten Dschungel verstecken konnte. Eine Kriegstaktik, die auch Tran To Ngas Leben verändern sollte. 

Mitte der 1960er-Jahre arbeitet die Franko-Vietnamesin als Journalistin und Lehrerin, schließt sich den kommunistischen Vietcong an, die gegen die US-Amerikaner kämpfen. Eines Tages hört sie ein Flugzeug über dem Versteck ihrer Gruppe kreisen.

Tran To Nga als junge Frau in Vietnam: "Ich wäre beinahe erstickt"Bild: Tran To Nga

Aus Neugier verlässt sie damals ihren Unterschlupf, sieht eine weiße Wolke, die rasch zu Boden schwebt. "Sie hat mich eingehüllt, ich wurde komplett überzogen mit einer Flüssigkeit, einer klebrigen Flüssigkeit. Ich wäre beinahe erstickt", sagt Tran To Nga.

Sie wäscht sich sofort und auch wenn sie weiß, dass diese Flüssigkeit nichts Gutes verheißt, ist ihr jahrelang nicht klar, was genau mit ihr passiert ist. Wie so vielen anderen in Vietnam.

Gestorben mit 17 Monaten

Etwa zwei Jahre später kam Tran To Ngas erste Tochter, Viet Hai, ("Meer Vietnams"), mit einem schweren Herzfehler zur Welt. "Sie hat mich verlassen, als sie gerade einmal 17 Monate alt war", erzählt die 79-Jährige. "Ich habe mir immer vorgeworfen, eine schlechte Mutter gewesen zu sein, weil ich mein Kind nicht beschützen konnte."

Inzwischen ist sich Tran To Nga sicher, dass Agent Orange verantwortlich ist für die Krankheit und damit auch für den Tod Viet Hais. Auch ihre beiden anderen Töchter leiden unter schweren gesundheitlichen Problemen. Tran To Nga selbst nimmt jeden Tag verschiedenste Medikamente, um mit ihren diversen Erkrankungen wie Krebs und Diabetes leben zu können. Gutachten bestätigen, dass all diese Krankheiten mit Agent Orange in Verbindung stehen.

Tochter Viet Hai: Schwerer HerzfehlerBild: Tran To Nga

Aus Tran To Ngas Sicht müssen die Hersteller von Agent Orange die Verantwortung dafür übernehmen, wie es ihr und vielen Millionen anderen Menschen in ihrem Heimatland geht. Die Firmen allerdings weisen die Schuld von sich. Dow Chemical etwa schreibt auf der Webseite des Unternehmens, die US-Regierung sei verantwortlich für ihr militärisches Handeln, auch, was die Entwicklung und Verwendung von Agent Orange in Vietnam angeht. Eine Verteidigungslinie, die das Gericht in Évry nun bestätigt hat.

Dow Chemical führt weiter aus, dass Studien keinen kausalen Zusammenhang zwischen Agent Orange und Krankheiten oder Geburtsfehlern hergestellt hätten. Eine Behauptung, die viele Opfer als harten Schlag ins Gesicht empfinden dürften. 

Dioxin-verseuchtes Areal in Vietnam (2018): Überbleibsel des hochgiftigen EntlaubungsmittelsBild: picture-alliance/AP Images/Kham

Schließlich ist nachgewiesen, dass das in Agent Orange enthaltene giftige Dioxin auch Jahrzehnte nach Kriegsende immer noch die Böden und Gewässer Vietnams verseucht, da es sich nicht auf natürliche Art und Weise abbaut. Durch Landwirtschaft und Fischerei gelangt das Herbizid in die Nahrung. Die Folge sind Krebsleiden und Behinderungen - über Generationen hinweg.

Kampf gegen das Vergessen

Tran To Nga betont deswegen auch, dass sie diesen, ihren letzten Kampf nicht für sich führt, sondern für die anderen. Ihr könne man nicht ansehen, dass sie krank sei, sagte sie der DW. "Aber viele andere haben ihre Beine verloren, ihre Füße, ihre Arme. Oder sie haben überall am Körper Spuren. Viele haben starke Behinderungen, aber sie sind mutig, sehr mutig."

Als Tran To Nga anfängt, von all den Menschen zu erzählen, die sie auf ihren zahlreichen Reisen durch Vietnam getroffen hat, kommen ihr zum ersten Mal an diesem Nachmittag die Tränen. "Das Einzige, was sie wollen, ist ein Leben in Würde."

Kinder auf Betreuungsstation in Ho Tschi Minh Stadt (1993): "Viele haben ihre Beine verloren, ihre Füße, ihre Arme"Bild: Oliver Berg/dpa/picture-alliance

Und Tran To Nga sieht es als ihre Aufgabe, sich für diese Würde einzusetzen. Wenn sie es nicht tue, bleibe das Drama um Agent Orange im Staub der Vergangenheit begraben. "Auch wenn es in Vietnam ungefähr vier Millionen Opfer gab", sagt sie.

Deswegen haben ihre Anwälte bereits Berufung angekündigt. "Wir glauben, dass das Gesetz auf Seite unsere Klientin ist", schreibt die Pariser Kanzlei Bourdon. Man sei der Meinung, dass die Firmen selbst zur Rechenschaft gezogen werden müssten und ihre Verantwortung nicht auf die US-Regierung abschieben könnten. Auch Tran To Nga will nicht aufgeben. Sie sei weiter positiv gestimmt und bereite gemeinsam mit ihren Anwälten schon die nächsten Schritte vor.

 

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