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Musik

Warum ist "Gangsta Rap" so beliebt?

Stuart Braun db
22. April 2018

Kollegah und Farid Bang provozieren mit rassistischen und antisemitischen Textzeilen - doch nicht wenige Jugendliche feiern die Rapper und ihre Musik. Protest, Langeweile, Identitätssuche - was steckt dahinter?

Konzert Kollegah und Farid Bang Berlin
Bild: picture-alliance/Eventpress Hoensch

Eine große Überraschung war es nicht, als Farid Bang und Kollegah für ihr Album "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" einen Echo bekamen - trotz einer Textzeile, in der Farid Bang seinen Körper mit dem eines "Auschwitz-Insassen" vergleicht. Oder einer anderen, in der er die Zuhörer aufruft, ihr "Bahnhofsghetto zu Charlie Hebdo" zu machen. Provokant, politisch unkorrekt, machohaft: Gangsta- und Battle-Rap-Musik mit oft sexistischen, antisemitischen, frauenfeindlichen und homophoben Inhalten erobert die Charts weltweit. 

In den 2000er Jahren wurde Gangsta Rap auch in Deutschland immer größer. Zunächst blickten Rapper noch auf ihre amerikanischen Vorbilder Snoop Dogg und 50 Cent, die Frauen regelmäßig als "bitches" verhöhnen. Die deutsche Variante des Rap entwickelte sich aber in eine andere, deutlich politischere Richtung. In Großbritannien heißt es 2005 im Independent ("Rap music and the far right: Germany goes gangsta") deutscher Rap sei, geschürt von der schwierigen Wirtschaftsklage und hoher Arbeitslosigkeit, rassistisch und frauenfeindlich.

"Die, die mir vorwerfen, ich sei ein Neonazi, haben keine Ahnung von Rap", antwortete Fler seinen Kritikern.Bild: Universal Music

Das Album "Neue Deutsche Welle" des Berliner Rapper Fler wurde 2005 scharf kritisiert: er kokettiere mit nationalistischem und neonazistischem Gedankengut. Im Vorfeld der Veröffentlichung war für das Album mit einem abgewandelten Hitlerzitat zum Angriff auf Polen geworben worden.

Wie der Independent berichtete, hatte Fler später zudem seinen Produzenten angeblich als "geldgieriges jüdisches Schwein" bezeichnet.

Rebellen ohne Grund

Heute gehe es beim Gangsta Rap vor allem um Rebellion, meint Kathrin Bower, Professorin für Deutschstudien an der US-amerikanischen Universität Richmond und Expertin für deutschen Rap. Der "Gangsta-Rapper" benehme sich nach außen hin wie ein Außenseiter, ein Rebell, jemand, der absichtlich die Regeln missachte und dafür gefeiert werde, erklärt Bower im Gespräch mit der Deutschen Welle.

"Das krasse Feiern von materiellem Besitz, Frauenfeindlichkeit und Gewalt im Gangsta Rap ist eine verspätete Manifestation einer allgemeinen Rebellion gegen die Werte der Mittelklasse, die etablierte Gesellschaft und politische Korrektheit." Die Tatsache, so die Expertin weiter, dass bei der Vergabe des Musikpreises Echo primär die Verkaufszahlen zählen - also Popularität - weise auf eine ernüchternde Realität hin: die "Hypermaskulinität und Provokation des Gangsta Rap gefallen Jugendlichen mit den unterschiedlichsten Hintergründen."

Bereits kurz nach seinem Erscheinen war "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" 30 Millionen Mal gestreamt worden. Der Eklat um die Echovergabe, die vielen Musiker, die ihre Echo-Preise mittlerweile aus Protest zurückgegeben haben, die angekündigten Veränderungen im Vergabeprozess - all das wird Jugendliche eher noch darin bestärken, Gangsta Rap zu hören, anstatt sich abzuwenden.

Quer durch die Kinderzimmer

Bushidos Song "Stress ohne Grund" (2013) zog mehrere Gerichtsverfahren nach sichBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Der deutsche Rap-Star Bushido steht regelmäßig in der Kritik wegen seiner sexistischen, rassistischen und homophoben Texte. Er glorifizierte die Attacken auf das World Trade Center (2001) und verspottete angeblich Charlie-Hebdo-Opfer. In Österreich saß Bushido nach einer Schlägerei 14 Tage in Untersuchungshaft. Seiner Beliebtheit hat das nicht geschadet: 2014 war sein Album "Sonny Black" die Nr. 1 der Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Kollegah und Farid Bang sind übrigens als Gäste ebenfalls auf dem Album zu hören.  

2011 wurde dann ein Imagewechsel versucht: Der "Rüpel-Rapper" Bushido bekam den Bambi-Integrationspreis - einen Preis, der "Menschen mit Vision und Kreativität" auszeichnet, die "die deutsche Öffentlichkeit in diesem Jahr inspiriert" haben. Er habe in der Tat versucht, sich mehr dem Mainstream anzupassen, meint Bower von der Universität Richmond. Das nützte ihm allerdings recht wenig: es gab Demonstrationen gegen die Preisvergabe und andere Preisträger, etwa der deutsche Schlagersänger Heino, gaben ihren Bambi zurück. 

Bushidos aufrührerische Zeilen sprechen eine breite - und durchaus widersprüchliche - Zielgruppe an: auf der einen Seite eher muslimische Jugendliche mit Migrationshintergrund, auf der anderen auch welche, die sich als "weiße Nationalisten" und Neonazis verstehen. Sie haben Bushido für sich entdeckt, obwohl der Vater des Rappers Tunesier ist.

Suche nach Identität

Hatten nach dem Echo 2018 gut lachen: Farid Bang und KollegahBild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Das war nicht immer so. In Berlin-Kreuzberg identifizierten sich türkischstämmige Jugendliche seit den Achtzigerjahren mit Hip-Hop und Rap, um damit ihrer "Außenseiterrolle" in Deutschland zu entgehen, schreibt Ayhan Kaya, Politikprofessor und Direktor des Europa-Instituts an der Bilgi Universität Istanbul.

In dieser frühen Form des Rap ging es vor allem um die Suche nach der Identität. Diese sei auch heute noch wichtig, schreibt Kaya. Zur Zeit arbeitet er an einem Projekt über Gangsta Rap, das der Frage nachgeht, warum das Genre sowohl für "desillusionierte Rechte als auch muslimische Jugendliche zum Ventil wurde."

"Eigentlich ist das eine positive Entwicklung", sagt Kaya im Gespräch mit der DW. Bei beiden Gruppen gebe es ein Radikalisierungspotential, beide Gruppen seien gleichermaßen "Opfer der Globalisierung, des Industrieabbaus, sozioökonomischer Verluste, von Entfremdung und Erniedrigung". Der Hip-Hop biete ein Ventil für Jugendliche, die sich sonst vielleicht an radikale Gruppen wie den sogenannten Islamischen Staat oder den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) wenden würden.

So beruhigend das auch klingen mag: Gangsta Rap wird wohl auch weiterhin für den ein oder anderen Eklat sorgen.

Nach dem Eklat um Kollegah und Farid Bang überdenken die Echo-Organisatoren jetzt den AuswahlprozessBild: picture-alliance/dpa/C. Bilan
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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