Klimarettung mit mehr Humus im Boden?
20. Oktober 2017Böden sind für unser Leben elementar. Sie geben Pflanzen wichtige Nährstoffe und diese wachsen mit Hilfe von Wasser, Sonnenenergie und Kohlendioxid (CO2). Pflanzen geben uns Nahrung und entziehen durch den natürlichen Prozess der Photosynthese CO2 aus der Luft und sind deshalb auch für das ökologische Gleichgewicht und das Klima äußerst wichtig.
Bei dem Prozess der Photosynthese wird aus CO2 Biomasse in Form von Bäumen, Pflanzen und Wurzeln. Ein Teil der Biomasse ist unsere Nahrung, verrottet oder wird verbrannt, ein anderer Teil wie Wurzeln, Blätter und Pflanzenreste werden durch natürliche Prozesse mit Hilfe von Bakterien, Pilzen, Wasser und Luft im Boden zu Humus und damit lange gebunden.
In den obersten Bodenschichten der Welt sind somit mehrere tausend Milliarden Tonnen Kohlenstoff gebunden, mehr als in der Erdatmosphäre und der gesamten Erdvegetation zusammen.
Bodenerosion wird zur globalen Gefahr
Böden haben eine vielfältige Funktion und das Leben darin ist äußerst komplex: In einer Handvoll gesunder Erde leben mehr als sieben Milliarden Bodenorganismen und verwandeln die Pflanzenteile zu wertvollem Humus. Zusammen mit Luft, Quarz und Sand speichern und filtern die Böden zudem das lebenswichtige Wasser.
Der natürliche Neuaufbau von fruchtbarem Boden verläuft äußert langsam. In mittleren Breiten wie Deutschland dauert es etwa 100 bis 300 Jahre bis sich eine Bodenschicht von einem Zentimeter bildet, in anderen Regionen der Welt auch bis zu 1000 Jahre.
Derzeit ist der Zustand der Böden weltweit allerdings äußerst schlecht. Humus geht verloren, die Fruchtbarkeit des Bodens sinkt und der gebundene Kohlenstoff wird zunehmend zum Klimagas CO2.
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind in den vergangenen 25 Jahren etwa 24 Prozent der weltweiten Landoberfläche degradiert und nach Angaben der Vereinten Nationen ist der Verlust von Ackerland heute 30 bis 35 mal schneller als in der Vergangenheit.
Besonders betroffen vom Verlust der Böden sind Afrika, Lateinamerika und Asien. Nach Schätzungen UN-Sekretariats zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) geht die verfügbare Anbaufläche pro Einwohner in Afrika südlich der Sahra bis 2025 im Vergleich zu 1990 um 60 Prozent zurück und in Lateinamerika um 40 Prozent. In Zentralasien sind nach Angaben von GIZ über die Hälfte der Landesflächen akut von der Desertifikation bedroht.
Die Ursachen für den Verlust von fruchtbaren Böden sind vielfältig. An oberster Stelle steht die intensive Landwirtschaft, die Überweidung der Flächen mit zu vielen Tieren und der unangepasste Ackerbau, der zu Erosionen durch Wind und Wasser führt. Aber auch chemische Dünger, Pestizide und maschinelle Verdichtungen reduzieren das Leben in der oberen Bodenschicht und damit Humus und Fruchtbarkeit.
Der US-Bodenforscher Rattan Lal schätzt, dass der Boden im gemäßigten Klima während einer 50-jährigen Bearbeitung 30 bis 50 Prozent seines Kohlenstoffs verliert, in den Tropen, wo er Hitze und Wasserfluten ausgesetzt ist, sogar binnen zehn Jahren.
Sehr viele Klimagase bei industrieller Lebensmittelproduktion
Die derzeitige Landwirtschaft ist kaum geeignet, nachhaltig die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und das Klima zu schützen. Rund 12 Prozent der globalen Treibhausgasemission entstehen durch die industrielle Landwirtschaft. Den Größten Anteil daran hat der Einsatz von synthetischem Dünger. Dadurch entsteht besonders viel klimaschädliches Lachgas. Auch Methan, das bei der Verdauung im Kuhmagen entsteht, schadet dem Klima.
Besonders klimaschädlich ist zudem die veränderte Landnutzung. So werden beispielsweise Regenwälder abgeholzt, um auf diesen Flächen Soja anzubauen oder Feuchtgebiete in Ackerland umgewandelt und so zusätzliches CO2 freigesetzt. Mindestens 12 Prozent der globalen CO2 Emissionen geht auf das Konto der veränderten Landnutzung.
Rechnet man auch noch den Transport von Lebensmitteln, Verarbeitung, Verpackung, Kühlung und Entsorgung von Lebensmitteln hinzu, so liegt der Anteil der Lebensmittelproduktion an den globalen Treibhausgasemissionen über 40 Prozent, nach Schätzungen der NGO Grain zwischen 44 und 57 Prozent der globalen Treibhausgase.
Landwirtschaft als Klimaretter?
Klima- und Umweltschützer fordern schon lange ein Umsteuern in der globalen Landwirtschaft. Mit dem Verzicht auf die Abholzung von Wäldern, Kunstdünger und industrieller Fleischproduktion ließe sich schon ein Großteil der Treibhausgase einsparen.
Zugleich könnten Landwirte durch einen nachhaltigen Ackerbau der Bodendegradation etwas entgegen setzen. Sie würden die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Böden verbessern, könnten so die globale Ernährung sichern, das Ökosystem stärken und durch die vermehrte Humusbildung der Atmosphäre wieder CO2 entziehen.
Die von Frankreich zur Pariser Klimakonferenz gestartete 4 Promille Initiative sieht das genauso und verfolgt deshalb das Ziel des Humusaufbaus weltweit. Mit der Anreicherung von organischem Material in landwirtschaftlichen Böden um 0,4 Prozent pro Jahr könnte nach Berechnungen des französischen Agrarforschungsinstituts INRA das derzeitige Wachstum der globalen CO2-Emissionen in der Atmosphäre kompensiert werden.
Die Pflanzen nehmen das CO2 aus der Luft auf. Durch gezielte Maßnahmen in der Land-, Forstwirtschaft und Landschaftspflege würde wieder Humus aufgebaut und so mehr Kohlenstoff in den Böden gespeichert.
Umweltschützer und Wissenschaftler weltweit begrüßen diese staatliche Initiative. Sie betonen aber auch, dass eine freiwillige Umsetzung durch Landwirte oft schwierig ist und nicht ausreichend honoriert wird.
Hieran müsse sich national und weltweit etwas ändern, sagt Bodenexperte Jes Weigelt von TMG ThinkTank for Sustainability, dem auch der ehemalige UNEP-Chef Klaus Töpfer angehört. "Es fehlt heute der wahre Preis auf den Produkten und das muss sich ändern", sagt Weigelt der DW. "Bauern die das Grundwasser mit Dünger verschmutzen zahlen zum Beispiel nichts, das bezahlt der Bürger mit der Trinkwassergebühr", so Weigelt. Ein Bauer, der zugleich Klima- und Böden bewusst schützt, wird hingegen nicht für seine Dienstleistung belohnt. Hier brauche es in Zukunft entsprechende Anreize.