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Film

Lockdown: Ai-Weiwei-Film über Wuhan

26. August 2020

Im chinesischen Wuhan nahm die Covid-19-Pandemie ihren Ausgang. Der Künstler Ai Weiwei hat Chinas Corona-Maßnahmen in einem Film dokumentiert: "Coronation“.

Bewohner der abgeriegelten Stadt Wuhan beim Sport unter freiem Himmel
Bewohner der abgeriegelten Stadt Wuhan beim Frühsport unter freiem HimmelBild: Getty Images

Eine Drohne überfliegt das Dach des riesigen Bahnhofs von Wuhan, der sich unter einen nebelgrauen Himmel duckt. Die Kamera blickt auf verlassene Gleise und fokussiert auf eine Batterie stillstehender Züge. Die Botschaft ist eindeutig: Kein Rad dreht sich mehr. Das Leben steht still. Um die Ausbreitung des noch unbekannten Virus zu stoppen, haben Chinas Behörden eine elf Millionen Menschen zählende Metropole komplett heruntergefahren.

Es ist der erste Lockdown weltweit, den Ai Weiweis Film mit bewegenden Bildern vor Augen führt. Der 62-Jährige Künstler, der inzwischen im britischen Cambridge lebt, hat die Regie seiner 115-minütigen Dokumentation heimlich von Europa aus geführt, wie er der Deutschen Welle sagt: "Wir veröffentlichen 'Coronation‘, unseren Film über Wuhan, China, als Hommage an alle Ärzte und Krankenschwestern, die gegen COVID-19 kämpfen."  Ai Weiwei äußerte sich auch via Twitter.


Der chinesische Künstler Ai Weiwei lebt und arbeitet inzwischen in Großbritannien (Foto: 2019)Bild: picture-alliance/dpa/F. Sommer

Die Welt wog sich noch in Sicherheit

Fast 500 Stunden Filmmaterial habe sein Team in China für die Dokumentation ausgewertet, erzählt er im DW-Interview. Drohnenaufnahmen von Wuhan seien dafür ebenso verwendet worden wie Aufnahmen der Sicherheitskameras von Krankenhäusern oder Videoclips, die medizinisches Personal zeigen, das COVID-19-Patienten behandelt. Für die Dreharbeiten von "Coronation" (zu deutsch: "Krönung"), so Ai Weiwei, seien "gewöhnliche Bürger" vor Ort zuständig gewesen. 

Coronagerechte Essenspause für Fabrikarbeiter in der Stadt Wuhan (März 2020)Bild: AFP

"Coronation" zeigt Wuhans Straßen bereits verwaist und menschenleer, während sich die übrige Welt noch in Sicherheit wiegt. Der Filmtrailer zeigt in kurzen Sequenzen den Hinterhof eines Krankenhauses ebenso wie hektische Szenen auf Krankenhausfluren und Intensivstationen.

Eine uniformierte Parteigetreue schwört das Pflegepersonal mit geballter Faust auf seine Arbeit ein. Ein frisch Verstorbener wird luftdicht verpackt auf eine Bahre gehievt. Ein Mensch mit Gasmaske und im signalgelben Gefahrgutanzug fährt auf einem Elektroroller lautlos durch die Gassen und versprüht Desinfektionsmittel. 

Wartende stehen vermummt für Corona-Tests an. Währenddessen projizieren rotierende Strahler die Insignien des kommunistischen China auf die Fassaden von Wolkenkratzern, die sich in den umliegenden Fensterfronten spiegeln.

Zensur gegen schlechte Nachrichten

Mit "Coronation" verbindet Ai Weiwei politische Absichten. Seiner Homepage zufolge geht es in dem Film um das "Gespenst" der chinesischen Staatskontrolle vom ersten bis zum letzten Tag des Lockdowns. Der Film beleuchte die "brutal effiziente" und militarisierte Antwort des Staates, um das Coronavirus zu kontrollieren. "Es war richtig, Wuhan abzuriegeln", so Ai Weiwei im aktuellen Interview mit der Deutschen Welle. Aber zugleich kritisiert er die Methoden der Behörden: "Man hätte die Menschen nicht buchstäblich einsperren dürfen."

Auch hätte der Staat der chinesischen Bevölkerung die Wahrheit über die Situation sagen müssen. "Bevor die Behörden Wuhan am 23. Januar abriegelten, vergingen ein oder zwei Monate, in denen sie bereits wussten, dass das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Sie vertuschten die Zahl der Infizierten und die Zahl der Todesopfer", so Ai Weiwei.

Als mögliche Gründe nennt der Künstler den damals im Februar 2020 anstehenden Nationalen Volkskongress. Auch habe die Unterzeichnung eines wichtigen Handelsabkommens mit den USA bevorgestanden. Aus diesem Grund habe der Staat schlechte Nachrichten vermeiden wollen. Ai Weiwei: "So etwas wird mit strenger Zensur durchgesetzt."

Weitere Chronisten der Ereignisse

Damit ist Ai Weiwei nicht der erste Chronist der Ereignisse. Wie es den Menschen im Lockdown erging, hielt schon die chinesische Schriftstellerin Fang Fang in einem Internet-Tagebuch fest, das kürzlich als "Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt" auch in Deutschland erschien.

Sie beschrieb damals, welche Freiheitsrechte die Wuhaner ungefragt einbüßten und welche Fehler die Behörden machten. Sie schrieb über die Panik, die Hilflosigkeit, die Ängste und die Anspannung gerade in den frühen Tagen des Lockdowns.

Und sie kritisierte "unfähige Kader". Immer nachts fütterte sie ihren Blog mit neuen Einträgen, die sich rasend schnell verbreiteten, noch ehe die Zensur eingreifen konnte.

Desinfektionsarbeiten auf einem Bahnhof in Wuhan Bild: Getty Images/AFP

Durch ihr Corona-Krisenmanagement hat Chinas Führung aus Sicht westlicher Experten bei der eigenen Bevölkerung massiv Vertrauen verspielt. Zum einen habe Peking aus früheren Epidemien nichts gelernt, sagte der Politikwissenschaftler Maximilian Mayer im Interview der Deutschen Welle. Zugleich sei das ganze Kontroll-Instrumentarium einer Diktatur sichtbar geworden. "Es war auch für viele Chinesen überraschend, wie weitreichend die Kontrollmöglichkeiten der Regierung eigentlich sind."

Der chinesische Staat habe sein Instrumentarium voll ausgespielt -  mit dem Einsatz von Drohnen, künstlicher Intelligenz und weiterer smarter Überwachungssystemen, so Mayer zur Deutschen Welle.

Vieles davon wird nun auch in Ai Weiweis Film "Coronation" sichtbar. "China war in dieser Sache kein Vorbild", sagt der Künstler. Vielmehr habe die Führung die Überwachung und Kontrolle der Menschen noch verschärft, die Redefreiheit massiv eingeschränkt und die Gewaltenteilung zwischen Justiz und Exekutive weiter ausgehöhlt. 

"Der Osten und der Westen können nicht miteinander konkurrieren", so Ai Weiweis Fazit, "weil sie nach unterschiedlichen Regeln spielen."

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