"Peking kann jederzeit zuschlagen"
7. August 2019In Hongkong haben hunderte Anwälte ihre Solidarität mit der regierungskritischen Protestbewegung bekundet. Schweigend und in Schwarz gekleidet marschierten sie vom höchsten Gericht der Metropole zum Sitz des Justizministers. Es war seit Anfang Juni bereits der zweite Protestzug der Juristen, die sich normalerweise nicht an Demonstrationen beteiligen. Sie unterstützten die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Vorgehens der Polizei gegen die Protestbewegung.
Kein Vertrauen in die Regierung
Ihr Protest richtete sich nach Angaben von Teilnehmern zudem gegen die ihrer Ansicht nach politisch motivierte Strafverfolgung durch das Justizministerium. "Sie leiten selektiv Strafverfolgungen ein. Wie sollen die Menschen noch Vertrauen in die Regierung haben?", sagte die Anwältin Anita Yip der Nachrichtenagentur AFP.
Der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei warnte in einem Interview mit der Deutschen Welle vor einer Eskalation der Gewalt. Ai Weiwei: "Es ist eine sehr komplexe Situation. Zurzeit bluffen sie noch, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie jederzeit zuschlagen können."
Der Regimekritiker erklärte, die Forderungen der Demonstranten seien nicht übertrieben. "Die Demonstranten haben Hongkongs Regierung aufgefordert, keinen Aufstand zu verursachen, keine Polizeigewalt anzuwenden und alle verhafteten Demonstranten freizulassen", so Ai Weiwei. "Das ist nicht zu viel verlangt."
Die Hongkonger Polizei hat bislang mehr als 500 Demonstranten festgenommen. Dutzende wurden wegen Randale angeklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. Nach einer Attacke von Schlägertrupps - die vermutlich von China gesteuert wurden - auf regierungskritische Demonstranten vergangenen Monat wurden hingegen nur 19 der Angreifer festgenommen. Ihnen wird zudem nur unrechtmäßige Versammlung vorgeworfen.
Die seit zwei Monaten andauernden Proteste waren ursprünglich durch ein - später zurückgezogenes - Auslieferungsgesetz ausgelöst worden, das die Überstellung von Verdächtigen an Festland-China erlaubt hätte. Die Proteste weiteten sich danach zu einer Bewegung gegen den wachsenden Einfluss Pekings in Hongkong aus. Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Peking-treuen Regierungschefin Carrie Lam und demokratische Reformen.
Peking droht mit Eingriff
Die chinesische Regierung in Peking hat derweil mit einer großangelegten Übung der chinesischen Polizei Ängste vor einem Vorgehen Pekings gegen die Demokratie-Bewegung in Hongkong geschürt. 12.000 Einsatzkräfte nahmen an der Übung am Dienstag in Shenzhen nahe der Grenze zu Hongkong teil, wie die Polizei der südchinesischen Stadt mitteilte.
Schon vergangene Woche hatte China der Demokratie-Bewegung in einem Propaganda-Video der Volksbefreiungsarmee gedroht. In dem Video waren unter anderem Panzer, Militär-Hubschrauber und Granatwerfer zu sehen sowie eine Anti-Terror-Übung der Truppen. Das Militär warnte, es habe alle "Einsatzmöglichkeiten", um die Sicherheit in Hongkong sowie Chinas "nationale Souveränität" aufrechtzuerhalten.
Die chinesische Polizei darf in der Sonderverwaltungszone eigentlich nicht eingreifen. Allerdings kann die Zentralregierung die Hongkonger Gesetze im Falle eines "Kriegszustands" oder "Aufruhrs", der "die nationale Sicherheit oder Einheit gefährdet", außer Kraft setzen.
Peking hatte bereits nach den erneuten Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Generalstreik am Montag eine scharfe Warnung an die Protestbewegung ausgesprochen und eine Militärintervention nicht ausgeschlossen. "Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um", sagte Yang Guang, Sprecher des Büros des Staatsrats, das für die chinesische Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau zuständig ist.
Ai Weiwei hingegen lobt die Demonstranten. "Ich glaube, die neue Generation hat durch die Proteste viel gelernt. Sie sind sehr entschlossen und rational. Es wird nicht leicht sein, sie zu bremsen."
apo/rku/as (afp, kna, dpa)