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Kunst

Hochpolitisch: Ai Weiwei in Düsseldorf

Sabine Peschel
17. Mai 2019

Eine große Einzelausstellung des chinesischen Gegenwartskünstlers Ai Weiwei zeigt raumfüllende Installationen und zentrale Werke aus den vergangenen zehn Jahren.

Ausstellung: Ai Weiwei - Wo ist die Revolution? - Düsseldorf, Kunstsammlung NRW
Bild: DW/S. Peschel

"Das ist meine fünfte große Ausstellung in Deutschland", sagt Ai Weiwei, und er zählt sie alle auf: Die Documenta 2007, das Haus der Kunst in München 2009, als ihm dort eine Kopfoperation das Leben rettete, die Ausstellung im deutsch-französischen Pavillon bei der 55. Kunstbiennale in Venedig 2013, die Werkschau "Evidence" im Jahr darauf im Berliner Gropiusbau, und nun Düsseldorf. "Ich habe meine wichtigsten Ausstellungen in Deutschland gezeigt. Diese jetzt ist meine größte und vollständigste, und die für mich bedeutendste."

Eine umfassende Werkschau

Zwei Jahre lang hat das Team um Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, sie gemeinsam mit dem chinesischen Künstler vorbereitet. In der Tat dürfte es lange dauern, ehe noch einmal eine so umfangreiche Ausstellung seiner Werke gelingt. Die beiden assoziierten Düsseldorfer Kunsthallen K20 und K21 bieten architektonische Räume, die hervorragend geeignet sind, die 164 Tonnen Stahl des Werkes "Straight" zu inszenieren oder auf einer enorm großen Bodenfläche 100 Millionen Sonnenblumenkerne auszubreiten.

Ais Kunst hat immer einen politischen Bezug, sei es bei seinen sechs Gefängnisboxen oder den Tierkreis-KöpfenBild: Getty Images/AFP/I. Fassbender

Arbeiten aus vier Jahrzehnten zeigt die Düsseldorfer Werkschau, darunter einige sehr frühe Werke wie die Fotografien aus seiner New Yorker Zeit in den Achtzigerjahren oder ein bisher noch nie gezeigtes Gemälde von 1977, das der damals Zwanzigjährige noch vor seiner Studienzeit malte, als sein Vater, der berühmte Dichter Ai Qing, rehabilitiert wurde und nach Peking zurückkehren durfte.

"Alles ist Kunst. Alles ist Politik"

"Wo ist die Revolution?", diese Frage stellt der chinesische Künstler vor seine Werke, auffällig unplakativ steht sie als Titel auf dem Katalog. "Everything is art. Everything is politics", in dieser Formel fasst Ai Weiwei das Grundprinzip seiner Arbeit zusammen. Kunst und Politik seien bei ihm unlösbar miteinander verzahnt, sagt auch Susanne Gaensheimer: "Als Aktivist ist er Künstler und als Künstler ist er Aktivist."

Ai Weiweis Schlüsselthema ist die Krise der Humanität, und er findet in seinen Installationen immer wieder überwältigende Ausdrucksformen, seine Anklagen und Fragen künstlerisch zu erheben. Sei es, wenn mehr als 5.000 Schulkinder bei einem Erdbeben wegen der Korruption gieriger Lokalpolitiker unter Trümmern instabiler Schulgebäude begraben werden, mit "Straight", 2015, tausenden "Gerade" gebogenen Armierungseisen aus diesen zerstörten Schulen in Sichuan. Oder wenn tausende Flüchtlinge in ihren Schlauchbooten die Überfahrt übers Mittelmeer nicht überleben.

Eine Wandtapete aus Handy-Bilder zum Thema Flucht, die während Ai Weiweis Dreharbeiten zu "Human Flow" entstandenBild: Getty Images/AFP/I. Fassbender

Ein Schlüsselthema: das Flüchtlingsdrama

Ai Weiwei setzt sich nicht erst seit seinem langen Dokumentarfilm "Human Flow" mit diesem Menschheitsthema auseinander. Das Flüchtlingsdrama und das Spannungsfeld von Individualität und Staat sind in der Düsseldorfer Ausstellung zentral. Die jüngste Arbeit von 2018 ist zum ersten Mal in Europa zu sehen, "Life Cycle", eine 17 Meter lange fragile Schiffsskulptur aus Bambus und Sisalgarn. Wie ein Geisterschiff beherrscht sie den großen Saal des K21, und alle sie umgebenden Werke stehen in Bezug zu dieser Metapher für eine gefährliche Überfahrt - sei es konkret übers Meer oder das Leben generell.

Der Künstler während der Pressekonferenz zu seiner Düsseldorfer AusstellungBild: Getty Images/AFP/I. Fassbender

Eine zweite jüngere Arbeit ist ebenfalls erstmals in Deutschland zu sehen. "Laundromat" entstand 2016 im Zusammenhang des Filmdrehs für "Human Flow" im überfüllten griechischen Flüchtlingslager Idomeni. Die Installation besteht aus Kleidungsstücken, die die Bewohner dort zurücklassen mussten, als das Lager geräumt wurde. Ai Weiwei sammelte diese Zeugnisse einer zweiten Vertreibung ein, ließ sie in Berlin reinigen und sortieren. Jetzt hängen sie in der Installation "Waschsalon" auf vierzig Kleiderständern, alle noch mit den Etiketten der Reinigung versehen, wie in einem Warenhaus. Warum er die Wäschestücke säubern und aufarbeiten ließ? Es gehe ihm um Nähe, die sich über so etwas Vertrautes wie ein Hemd oder eine Hose für den Betrachter herstelle, und um eine symbolische Würde, erläutert der Künstler, wenn schon nicht für die Menschen, dann wenigstens stellvertretend für ihre Kleidungsstücke.

Verbundenheit zu Deutschland

Ai Weiwei lebt inzwischen vorrangig in den USA, wo er in New Jersey auf der Suche nach einem neuen Ort für sich ist. Sein Studio in Berlin hat er ebenfalls noch, und er fühlt sich Deutschland eng verbunden. "Germany helped me out from China", mehr als jede andere Nation habe Deutschland ihm 2015 geholfen, China zu verlassen. Dass er, selber ein Flüchtling, seinen Dokumentarfilm machen konnte, sei Berlin, der Leidenschaft, dem Interesse und dem intellektuellen Klima dort zu verdanken. "Germany is a very political space", sagt Ai Weiwei, ein politischer Raum, in dem er durch seine Kunstwerke auch mit einfachen Menschen kommunizieren könne.

Ai Weiweis neue Ausstellung wird am Freitagabend (17.05.2019) in den beiden Düsseldorfer Kunsthallen K20 und K21 eröffnet und ist bis zum 1. September zu sehen.

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