AIDS-Aufklärung in der Koranschule
13. März 2009"Falsche Vorstellungen von Sexualität und von der Art und Weise, wie HIV übertragen wird, sind in Tansania auch heute noch die Regel", berichtet Akwillina Mlay. Sie ist Spezialistin für Fortpflanzungsmedizin und koordiniert auf dem Land das "Tansanisch-deutsche Programm zur Unterstützung des Gesundheitswesens"der GTZ. "Zum Beispiel ist der Aberglaube weit verbreitet, Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau könne einen Mann von seiner HIV-Infektion heilen. Das hat dazu geführt, das viele junge Mädchen in Tansania vergewaltigt und mit HIV infiziert werden. Nicht wenige Tansanier glauben außerdem, dass HIV bei Analverkehr nicht übertragen werden kann."
Unschätzbare Unterstützung erhält sie bei ihrer Aufklärungsarbeit von BAKWATA, dem Nationalen Muslimrat von Tansania, einer moderaten Muslim-Vereinigung. Die Theologen von BAKWATA haben ein Aids-Handbuch erarbeitet mit dem Titel "Aids und der Islam". Darin empfehlen die Autoren ihren muslimischen Anhängern Enthaltsamkeit und Treue, um eine Infektion mit HIV zu verhindern.
Das Wort Kondom sucht man auf den 13 Seiten des Grundlagenpapiers allerdings vergeblich. Für Kondome zu werben und sie zu verteilen, meint Juma Rashid Mhina, ein örtlicher BAKWATA-Vertreter, das sei die Sache der Regierung: "Wir machen diese Aufklärungsarbeit in unseren Moscheen, in unseren Gottesdiensten, in den Madrassen, in den Grundschulen und weiterführenden Schulen. Wir fordern aber von der Regierung, dass sie erklärt, wie Kondome benutzt werden. Und beim Kampf gegen HIV Aids arbeiten alle Muslime hier im Distrikt von Korogwe zusammen."
Noch vor einigen Jahren wäre es für die meisten Tansanier undenkbar, überhaupt so offen über Sexualität zu sprechen, meint Akwillina Mlay. "Sexualität war bis vor kurzem noch ein Tabu. Nicht ein Tabu als solches, sondern ein sensibles Thema. Man konnte nicht einfach irgendwo hingehen und anfangen über Sexualität zu reden. Doch im Zeitalter von HIV Aids müssen wir über Sexualität sprechen."
In der Koranschule von Korogwe im Nordwesten Tansanias, an den Ausläufern der Usambara-Berge, stehen Sexualkunde und die Immunschwächekrankheit Aids sogar auf dem Stundenplan. Hier, in der Madrassa, haben sich Koranschüler aller Altersstufen versammelt, um ihrem Scheich bei seinen Ausführungen über die Gefahren von HIV und Aids zuzuhören.
"Ich bin hier, weil ich etwas über das Leben und über Aids lernen will. Das ist eine gefährliche Krankheit, die Kinder, junge und alte Menschen umbringt", erklärt Aisha, ein Teenager aus Korogwe. "Hier erfahren wir, wie wir uns vor einer Ansteckung schützen können, denn AIDS verschont auch fromme Menschen nicht. Also hat man entschieden, dass wir darüber hier in unserer Madrassa etwas erfahren, um uns junge Menschen zu schützen."
Nicht nur in der Koranschule klärt der nationale Muslimrat von Tansania über die Gefahren von HIV auf. Dr. Selemani Msangi kümmert sich um die Aufklärung und Schulung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes. In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium von Tansania unterrichtet er eine Klasse von Polizisten, Gefängnispersonal und Grenzbeamten.
"Um die Ausbreitung von HIV am Arbeitsplatz zu verhindern, hilft es uns zu wissen, wie man Kondome benutzt, Kondome für Frauen und Kondome für Männer. Einer von Euch hat gefragt, warum das Kondom nach dem Geschlechtsverkehr manchmal in der Vagina bleibt. Das bedeutet, das Hauptziel, warum Kondome benutzt werden - nämlich um den männlichen Samen im Kondom aufzufangen – dieses Ziel wird nicht erreicht."
So offen wie Dr. Msangi spricht sonst fast niemand über Sex, HIV und AIDS. Hat er Erfolg? Wo steht Tansania in seinem Kampf gegen die Krankheit, wenn man eine Skala von 1 bis 10 zu Grunde legt, fragen wir die Fortpflanzungsspezialistin Akwillina Mlay. Ihre Antwort kommt ohne Zögern:
"Ich denke, im Kampf gegen Aids steht Tansania auf Position 5. Die Regierung und alle Institutionen, die sich damit befassen, tun ihr Bestes. Doch im Kampf gegen HIV Aids geht es darum, Verhaltensmuster zu ändern. Und das geht nicht über Nacht. Alle tun ihr Möglichstes – das sieht man allein schon an den aktuellen Zahlen, die einen Rückgang bei der Infektionsrate hier in Tansania um ein Prozent belegen. Wir müssen Geduld haben, denn es geht hier darum, das Sexualverhalten der Menschen zu verändern."
Und während Akwillina Mlay am Nachmittag zurück in ihr Büro nach Dar Es Salaam fährt, haben sich Kinder und Jugendliche in der Madrassa von Korogwe am Fuß der Usambara-Berge versammelt, um zu beten, dass Allah, der Allmächtige, sie vor der Krankheit beschützen wird.
Autoren: Scholastica Mazula, Betty Tesha und Thomas Kohlmann
Redaktion: Peter Koppen