Wenn Sie sich die Frage stellen, ob Sie sich mit HIV infiziert haben, sollten Sie sich testen lassen. Viele scheuen jedoch den Gang zum Arzt. "Aber es gibt Alternativen", erklärt Mediziner Norbert Brockmeyer.
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Deutsche Welle: Für wen ist der HIV-Selbsttest gedacht?
Norbert Brockmeyer: Der HIV-Test ist vor allem für diejenigen gedacht, die große Angst vor einer Stigmatisierung haben, wenn herauskommt, dass sie zu einem HIV-Test gehen. Sie müssen zwar noch in eine Apotheke, um den Test zu kaufen, aber das ist nicht so auffällig, wie etwa zum Gesundheitsamt zu gehen.
Wie funktioniert der Test?
Für den Test braucht man etwas Blut aus der sogenannten Fingerbeere. Das kennen wir vom Blutzuckertest. Das Blut wird dann beispielsweise auf kleine Plättchen gegeben. Der Blutstropfen bewegt sich in einem kleinen Röhrchen, in dem entsprechende Antigene eingearbeitet sind. Reagieren die mit dem Blut, verfärbt sich der Test. Dabei läuft immer eine Kontrolle mit, die zeigt: So muss es aussehen, wenn der Test positiv ist. Das sind dann zwei Balken. Wenn der Test negativ ist, sieht man nur einen Balken.
Macht der HIV-Selbsttest den Arztbesuch überflüssig?
Nein, es macht den Arztbesuch natürlich nicht überflüssig. Wenn der Test positiv ist, sollte man auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Denn es ist ganz wichtig, so früh wie möglich mit der Therapie zu beginnen. Dann haben diese Menschen dieselbe Lebenserwartung wie nicht HIV-Infizierte.
Wie zuverlässig ist der Test?
Die HIV-Teste sind - wie alle Teste – nicht hundertprozentig. Bei HIV ist die Leitlinienvorgabe, dass immer zwei Teste gemacht werden sollten. Das heißt, es sollte auf jeden Fall nachgetestet werden, ob die Person wirklich HIV-positiv ist. Wir haben schon Patienten gehabt, die das Ergebnis des Selbsttests als positiv angesehen haben und sind dann zu uns ins Zentrum gekommen. Der Zweittest hat dann gezeigt, dass sie nicht positiv waren.
Ist der Selbstentnahmetest anonym?
Die Proben können Sie anonym an ein Labor schicken, beziehungsweise halb anonym. Sie werden dann benachrichtigt. Das geht per Telefon oder per SMS. Sie erfahren so, ob der Test negativ oder positiv war. Fällt er positiv aus, sollten Sie sich natürlich sobald wie möglich entsprechend behandeln lassen.
Menschen, die therapiert sind, sind nicht mehr infektiös. Der große Erfolg ist, dass die Zahl der Neudiagnosen weiter gesunken ist. Das hat auch etwas mit den hervorragenden Therapien zu tun und damit, dass bei erfolgreicher Behandlung kein Virus mehr im Blut nachweisbar ist.
Wie gut wird der Test angenommen?
Insgesamt hat sich der Test bewährt. Auch in unserem Zentrum für sexuelle Gesundheit in Bochum ist er stark nachgefragt. Es gibt einen hohen Bedarf.
Was wir aber nicht außer Acht lassen dürfen, ist, dass HIV in der Bevölkerung bekannt ist und dass man sich vor einer Infektion schützen sollte. Aber andere STI, also sexuell übertragbare Infektionen, sind viel häufiger als HIV. Aber sie sind leider nicht so stark im Bewusstsein der Bevölkerung.
Welche anderen Untersuchungen bieten Sie in Ihrem Zentrum an?
Wenn jemand zu uns zu einem Test kommt, bieten wir neben einem HIV-Test immer auch Tests auf andere Geschlechtskrankheiten an. Chlamydien zum Beispiel oder Gonokokken, Tripper also. Das Risiko, sich damit zu infizieren, ist viel größer als sich mit HIV anzustecken. Und das müssen wir allen klar machen. Wer Angst hat, sich mit HIV infiziert zu haben, sollte sich auch auf andere sexuell übertragbare Infektionen testen lassen.
Norbert Brockmeyer ist Professor an der Dermatologischen Universitätsklinik Bochum und dort Leiter des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin.
Das Interview führte Gudrun Heise.
Ein Tag gegen Diskriminierung
In vielen Ländern sind homo-, bi und transsexuelle Menschen (LGBT) starker Diskriminierung ausgesetzt. Der Internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie (IDAHO) soll auf ihre Situation aufmerksam machen.
Bild: Getty Images/AFP/N. Maeterlinck
Im Zeichen des Regenbogens
Der IDAHO findet seit 2005 jedes Jahr am 17. Mai statt. Damit soll an den 17. Mai 1990 erinnert werden. Damals strich die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten. Hier gehen Aktivisten in der albanischen Hauptstadt Tirana auf die Straße. In den Ländern des Westbalkans ist Homophobie weit verbreitet.
Bild: picture-alliance/dpa
"Gay is okay"
Dort werden Menschen mit abweichender sexueller Orientierung angefeindet oder sogar körperlich angegriffen. Viele verschweigen daher ihre Homosexualität. Dieses Graffiti im Kosovo verdeutlicht die gesellschaftliche Ablehnung von LGBT. Jemand hat ein "Not" zum Satz "Gay is okay" hinzugefügt.
Bild: Getty Images/AFP/A. Nimani
Hass von rechts
Auch in anderen Ländern Europas haben Homosexuelle mit Anfeindungen zu kämpfen - häufig aus dem rechtsextremen Lager. Hier demonstrieren Neonazis in der bulgarischen Hauptstadt Sofia gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
Bild: BGNES
Diskriminierung auf dem Vormarsch
Trotz Paraden wie dem Christopher Street Day (hier in Berlin) ist Diskriminierung von Schwulen, Lesben und Transsexuellen in Deutschland längst noch nicht aus der Gesellschaft verschwunden. Der Verband der Schwulen und Lesben beklagt einen Anstieg homo- und transphober Einstellungen in Deutschland.
Bild: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images
Staatliche Diskriminierung
Zwar sind homosexuelle Handlungen in Russland legal, doch die Rechte von LGBT sind stark eingeschränkt. Wer sich etwa in Anwesenheit von Kindern oder in den Medien positiv über Homosexualität äußert, macht sich strafbar. Immer wieder werden Proteste Homosexueller von der Polizei aufgelöst - auch mit Gewalt, wie hier in Sankt Petersburg.
Bild: picture-alliance/dpa/V. Egorshin/NurPhoto
Kampf für Toleranz
In Tunesien kann gleichgeschlechtliche Sexualität mit bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Seit der Revolution 2011 hat sich daran nichts geändert. LGBT sind gesellschaftlich geächtet. Die Organisation Shams kämpft für ihre Rechte. Zur Arbeit von Shams gehört auch Überzeugungsarbeit. Hier diskutieren Aktivisten mit einem Imam.
Bild: Getty Images/AFP/F. Belaid
Drakonische Strafen
In Uganda sind homosexuelle Handlungen strafbar - wer erwischt wird, dem droht lebenslange Haft. Der Versuch der Regierung des christlich-religiös geprägten Landes, die Gesetze gegen Homosexualität noch zu verschärfen, scheiterte zuletzt 2012 am Obersten Gerichtshof. Auch innerhalb der Gesellschaft sind LGBT großen Aggressionen ausgesetzt.
Bild: picture-alliance/dpa
Gesetz wird zum Image-Desaster
North Carolina schreibt Transsexuellen unter anderem vor, welche Toilette sie benutzen müssen. Dafür erntet der US-Bundesstaat weltweit heftige Kritik, auch von Konzernen wie Google oder Facebook. Die US-Regierung hält das Gesetz für diskriminierend und zieht nun gegen North Carolina vor Gericht. Der Bundesstaat will seinerseits gegen Washington klagen.
Bild: Reuters/J. Drake
Staatlicher Schutz
Der Nachbar im Norden ist da schon weiter: Zum IDAHO kündigte der kanadische Premierminister Justin Trudeau gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von Transgender gegen Hassreden an. Kanada gilt im Bezug auf LGBT-Rechte als eines der liberalsten Länder der Welt. Die gleichgeschlechtliche Ehe etwa gibt es in Kanada schon seit 2005.
Bild: picture-alliance/dpa/Chris Young/The Canadian Press via AP