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Airbnb ist an der Börse

Sabrina Kessler New York
10. Dezember 2020

Mitten in der von Corona ausgelösten größten Tourismuskrise aller Zeiten hat der Zimmervermittler Airbnb einen erfolgreichen Börsengang hingelegt. Die Plattform braucht das Geld für eine ungewisse Zukunft.

USA Airbnb Börsengang
Bild: Carlo Allegri/REUTERS

Es klingt wie ein schlechter Scherz. Ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der die Tourismusbranche in einer tiefen Corona-Krise ist und die Zukunftsaussichten nicht unsicherer sein könnten, drängt der Unterkunftsvermittler Airbnb aufs Parkett. "Ich glaube nicht, dass viele Leute erwartetet hätten, dass wir den Börsengang in diesem Jahr noch wagen", schreibt Brian Chesky, Gründer und Chef der Plattform, im kürzlich veröffentlichten Börsenprospekt. "Ich weiß sogar, dass einige Leute daran gezweifelt haben, dass wir überhaupt überleben."

Seinen Kritikern hat es Chesky jetzt erst recht bewiesen. Der Ausgabepreis der mehr als 50 Millionen Aktien war wegen des großen Interesses der Investoren noch kurz vor dem Börsengang auf 68 Dollar angehoben worden, was dem Unternehmen 3,5 Milliarden Euro in die Kassen spülte.

Die Nachfrage war so gewaltig, dass die Aktie zu Handelsbeginn an der Technologiebörse Nasdaq mit einem Kurs von 146 Dollar eröffnete und kurz darauf bis auf 165 Dollar kletterte.

Zu diesem Kurs wäre das Unternehmen insgesamt mehr als 100 Milliarden Dollar wert. Kurz vor dem Börsengang waren es noch 42-47 Milliarden.

Alles begann mit Luftmatratzen: Airbnb-Mitgründer Brian CheskyBild: picture-alliance/AP Photo/J. Chiu

Airbnb hat Geld dringend nötig

Das Geld kann Airbnb gut gebrauchen. Ein Blick auf die Neun-Monats-Bilanz zeigt, wie sehr das Unternehmen aus San Francisco unter den Folgen der Corona-Pandemie gelitten hat. Um 39 Prozent fiel die Anzahl der Buchung in den vergangenen drei Quartalen, was den Umsatz um ein Drittel auf 2,5 Milliarden Dollar drückte. Zeitgleich verdoppelte der Anbieter seine Verluste im Vergleich zu den Vorjahresquartalen auf fast 700 Millionen Dollar.

Um die Folgen abzufedern, setzte Chesky alle Hebel in Bewegung. Schon im Frühjahr kürzte er die Marketingausgaben um eine Milliarde Dollar, strich Führungskräften den halben Lohn und verzichtete selbst auf‘s komplette Gehalt. Weil das aber nicht reichte, musste zusätzlich gut ein Viertel der Belegschaft gehen, insgesamt 1900 Angestellte. Da half auch eine zwei Milliarden Dollar schwere Kapitalspritze von Investoren wie der US-Beteiligungsgesellschaft Silver Lake nichts.

Auf Jahressicht bleibt damit ein dickes Minus. Trotzdem strebt das Unternehmen am Donnerstag mit einem kleinen Erfolg im Rücken an die Börse. Im dritten Quartal verzeichnete das Unternehmen überraschend ein Plus von 219 Millionen Dollar. "Unser Geschäft hat sich schneller erholt als irgendwer erwartet hätte."

Ferienwohnungen auf dem Land gefragt

Tatsächlich kommt Airbnb deutlich besser durch die Krise als die klassische Hotellerie. "Das Unternehmen erfreut sich einer steigenden Nachfrage von Menschen, die der Stadt entfliehen wollen", sagt Strategieberater Peter Cohan, der am Babson College in Massachusetts lehrt, gegenüber DW. Während der Umsatz mit Wohnungen in den Weltmetropolen massiv eingebrochen ist, explodierte das Geschäft mit ländlichen Ferienwohnungen - und genau hier ist das Unternehmen breiter aufgestellt als jede Hotelkette.

Dazu kommen die vergleichsweisen geringen Betriebskosten. Um das eigene Geschäft am Laufen zu halten, muss Airbnb wenig mehr als das Gehalt seiner Mitarbeiter zahlen. Die direkten Kosten der leerstehenden Häuser und Wohnungen tragen ausschließlich die Vermieter. Im Gegensatz zu anderen Hotel- und Reiseanbietern muss das Unternehmen damit weder für verwaiste Unterkünfte noch für halbvolle Flugzeuge oder geparkte Schiffe aufkommen.

Es ist der Grundgedanke der sogenannten Sharing Economy, der sich für Airbnb mehr denn je auszahlt. "Zugang ist wichtiger als der Besitz" - dieses Mantra hat auch Firmen wie den Fahrdienstleister Uber oder den Büroanbieter WeWork groß gemacht. Entstanden ist das Konzept aus der eigenen Geldnot der Gründer. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Unternehmer werde", gab Chesky vor einigen Jahren im Interview mit Linkedin-Gründer Reid Hoffman zu.

Die Sache mit der Luftmatratze

Um die hohe Miete seiner Wohnung in San Francisco zu bezahlen, kam er auf eine simple Idee. Zusammen mit seinem Mitbewohner, Airbnb-Mitgründer Joe Gebbia, legte er drei Luftmatratzen (englisch: air beds) in sein Wohnzimmer. Die Matratzen vermietete er dann günstig an Teilnehmer einer Designkonferenz ganz in der Nähe ihres damaligen Apartments. Das Frühstück gab es von Chesky gratis dazu, so entstand der Name Airbnb, kurz für 'Airbed and Breakfast'.

Zwölf Jahre später ist das Unternehmen zum größten privaten Unterkunftsvermittler der Welt aufgestiegen. Mehr als vier Millionen Anbieter in 220 Ländern vermieten inzwischen regelmäßig ihre Häuser und Wohnungen. Auch Touren und Aktivitäten mit Einheimischen kann man seit 2017 auf der Plattform buchen. Geld verdient Airbnb mit Vermittlungsprovisionen, stolze 15 Prozent.

Mehr als 110 Milliarden Dollar hat das Unternehmen so seit Gründung umgesetzt. Das Geschäftsmodell gerät allerdings immer wieder in die Kritik. Seit Jahren hadert das Unternehmen mit Städten, die strenge Vorgaben für das Vermieten von Privatwohnungen auf Airbnb erlassen haben. Die Plattform soll für Wohnungsnot und steigende Mieten in Metropolen wie Barcelona, Paris oder Berlin verantwortlich sein.

Proteste gegen den auch durch Airbnb befeuerten Tourismus-Boom in BarcelonaBild: Alicia Prager

Größter Wall Street-Börsengang des Jahres

Mehr als zwei Drittel der beliebtesten Reiseziele, die man auf Airbnb findet, beschränken inzwischen die Vermietung über die Plattform. Im Börsenprospekt warnt das Unternehmen deshalb gleich seitenweise vor dauerhaften Verlusten. "Die Anzahl und die Tragweite von Klagen, Rechtsstreitigkeiten und Verfahren haben zugenommen und wir erwarten, dass sie weiter zunehmen werden", heißt es dort. In Großstädten wie New York könnten Regulierungen und Prozesse zu langfristigen Umsatzeinbußen führen.

Unternehmenskenner wie Cohen waren vor dem Börsengang trotzdem zuversichtlich. "Ich glaube nicht, dass diese regulatorischen Fragen die Nachfrage nach Airbnb abschrecken", sagt Cohan, der als Wagniskapitalgeber selbst in Startups investiert. Natürlich sei das Investment riskant, zumal das Unternehmen erst noch beweisen müsse, wie anpassungsfähig es langfristig sei. Allerdings sei Airbnb inzwischen selbst unter Privatanlegern so bekannt, dass Investoren angesichts erwarteter Umsatzsteigerungen ein Auge zudrücken.

Der Börsengang von Airbnb war der Höhepunkt einer "Unicorn-Parade" genannten Reihe von Börsengängen in diesem Jahr. Start-ups, die Investoren mit mehr als einer Milliarde Dollar bewerten, werden im Branchenjargon Einhörner genannt (engl. unicorn).

Am Vortag hatte der Lieferdienst Doordash bei seinem Börsendebut 3,4 Milliarden Dollar eingesammelt, ebenso wie im September Snowflake, ein Anbieter von Cloud-Speicherplatz. Beide Aktien haben seitdem stark an Wert gewonnen.

 

Der Artikel wurde nach dem Börsengang am 10.12. aktualisiert.

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