1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Türkei im permanenten Ausnahmezustand

6. Dezember 2016

Auch nach dem Auslaufen des Notstandsrechts soll Staatschef Erdogan die Türkei mit weitreichenden Befugnissen per Dekret lenken können. Die Opposition sieht das Land schon in eine "Diktatur" schlittern.

Türkei Erdogan bringt Ausweitung des Ausnahmezustands auf ein Jahr ins Spiel
Bild: AFP/Getty Images

Das geplante neue Präsidialsystem der Türkei ähnelt in Vielem dem nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand. Macht und Willkür von Staatschef Recep Tayyip Erdogans dürften zum Dauerzustand werden. Erdogan soll demnach direkt Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen können - wie im derzeit geltenden Notstandsrecht, wie Regierungs- und AKP-Chef und Binali Yildirim jetzt durchblicken ließ.

Ein treuer Diener seines Herrn: Ministerpräsident Yildirim arbeitet eifrig mit an seiner eigenen Entmachtung. Bild: Getty Images/AFP/Stringer

So solle der Präsident künftig nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch Regierungschef werden und zum Beispiel den wichtigen Entwurf für den Haushalt des Landes einbringen. Andere Gesetzentwürfe könne weiterhin auch das Parlament einbringen, erläuterte Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf einem Flug nach Moskau. Die Zeitung "Hürriyet" berichtet in ihrer jüngsten Ausgabe, dem Präsidenten solle künftig nicht nur eine Parteimitgliedschaft, sondern auch die Übernahme eines Parteivorsitzes erlaubt werden.

Zuverlässiger Partner Erdogans: Nationalistenführer Devlet Bahceli (r.)Bild: Reuters/Türkei, Präsidialamt/K. Ozer

Yildirims AKP und die ultranationalistische Oppositionspartei MHP - deren Chef Devlet Bahceli ein Präsidialsystem unterstützt - haben gemeinsam genügend Stimmen im Parlament, um ein entsprechendes Referendum darüber in die Wege zu leiten. Yildirim rechnet mit einer Volksabstimmung über ein Präsidialsystem zu Beginn des nächsten Sommers. Der Entwurf soll aber bereits diese Woche eingebracht werden.

Die beiden anderen Oppositionsparteien - die Mitte-Links-Partei CHP und die pro-kurdische HDP - warnen dagegen vor einer "Diktatur". Die Verfassungsänderung zementiere nur die alles beherrschende Macht Erdogans und seiner islamisch-konservativen Regierungspartei. Auch in der EU wird Erdogans Machtzuwachs mit Sorge beobachtet.

Weiter Repression gegen Oppositionelle

Der Ausnahmezustand gilt derzeit bis Mitte Januar, kann aber weiter verlängert werden. Seit seinem Amtsantritt als Präsident im August 2014 bestimmt Erdogan weitgehend im Alleingang den Kurs von Regierung und AKP, obwohl diese Rollen in der Verfassung eigentlich dem Ministerpräsidenten und Parteichef vorbehalten sind. Er strebt seit langem ein Präsidialsystem an.

Fast fünf Monate nach dem Putschversuch in der Türkei wurde jetzt einer der wichtigsten Berater von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP) festgenommen. Der Informatiker Fatih Gürsul sei in der Hauptstadt Ankara im Zuge der Fahndungen gegen die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen abgeführt worden, meldete Anadolu.

Erdogan macht Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich. Mehr als 37.000 Menschen wurden im Zuge der Ermittlungen festgenommen und mehr als 100.000 aus ihren Arbeitsverhältnissen entlassen oder suspendiert.

SC/wl (dpa, rtre, afpe)